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20.07.02 / Königsberg: Streit mit Moskau

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. Juli 2002


Königsberg: Streit mit Moskau
EU-Erweiterung löst heftige Debatten aus
von Hans Heckel

In ungewöhnlich scharfer Form hat der Sprecher der Königsberger Gebietsduma, Wladimir Nikitin, jüngste Drohgebärden Moskaus gegenüber Litauen verurteilt. Die Gebietsduma ist das Regionalparlament des nördlichen Ostpreußen. Wie das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung in Folge 27 berichtete, waren aus der russischen Hauptstadt Signale gekommen, im Zuge der Verhandlungen über eine Transitregelung für Königsberg auch die staatliche Zugehörigkeit Memels und Wilnas erneut auf die Tagesordnung zu bringen.

Gebietsduma-Sprecher Nikitin warnte seine Moskauer Kollegen davor, Litauen und Polen "vor den Kopf zu stoßen" und sprach von "billigem Populismus". Es sei leicht, so Nikitin, "aus Moskau mit gehobenen Fäusten zu drohen, um den Wählern seine Entschlossenheit zu zeigen". Doch, so der Sprecher des Regionalparlaments, in Königsberg sitze man "im gläsernen Haus", in das man keine Steine werfen sollte. Drohungen gegen die Nachbarn wirkten sich negativ auf die wirtschaftliche Lage am Pregel aus.

Parallel zur sich abzeichnenden Osterweiterung der EU um Litauen und Polen kommt auch im nördlichen Ostpreußen Bewegung auf. So trat eine örtliche Initiative "Pro Königsberg" an die Öffentlichkeit, die der Stadt zum 750. Jubiläum 2005 ihren alten Namen zurückgeben will (siehe Seite 7). Das ist nur auf den ersten Blick eine rein symbolische Forderung. Dahinter verbirgt sich ein neues Nachdenken über das Selbstverständnis der russischen Siedler am Pregel, das durch ein bewußtes Hinwenden zu den preußisch-deutschen Wurzeln von Stadt und Region beflügelt wird. Schon am Beginn der 90er Jahre hatte es solche Vorstöße gegeben. Dann trat jedoch bleierne Ruhe ein. Erst die EU-bedingten Umwälzungen haben offenbar neuen Schwung gebracht.

Die Komsomolskaja Prawda beschäftigte sich jetzt mit den noch immer unbeantworteten, bohrenden Fragen für die Russen im nördlichen Ostpreußen: Wer sind wir? Was sind wir? Und was ist das eigentlich für ein Land, auf dem wir nun seit bald 60 Jahren wohnen? Heute gehöre Ostpreußen zwar zu Rußland, aber obwohl es Rußland ähnlich (geworden) sei, sei es nicht Rußland, so die Feststellung der Komsomolskaja Prawda, die einige Merkwürdigkeiten nennt: so sei in 56 Jahren keine orthodoxe Kirche gebaut worden, ja, bis 1960 sei in dem Gebiet überhaupt nichts gebaut worden - "so, als ob die Russen gar nicht sicher gewesen sind, ob das Gebiet endgültig ihnen gehört". Die Kinder der Emigranten fühlten sich schon nicht mehr als Russen: "Sie kennen Warschau, Berlin und Prag besser als Moskau".

Solche Selbstbespiegelungen gehen vielen längst nicht mehr weit genug, eine "Los von Moskau"-Bewegung hat sich formiert. Gerüchte schießen ins Kraut: Von Pillau aus könnte ein Putsch gestartet werden. In Moskau, so heißt es, würden weniger deutsche Ansprüche gefürchtet, als die Königsberger Separatisten.

Hauptideologe der Separatisten ist Sergej Pasko, Vorsitzender der "Baltischen Republikanischen Partei". Seiner Ansicht nach wurde "die Weltsicht der Königsberger von dem Geist Ostpreußens, besonders durch den Architekturstil, und durch Kontakte zu Polen und Litauen" geprägt.

Andere Separatisten wollen vor allem eine harte Währung statt des "weichen Rubel". Und die Region solle ein touritisches Mekka werden. Dafür aber müßte - neben besseren Einreisemöglichkeiten - Königsberg erst sein altes Antlitz zurückerhalten.