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20.07.02 / "Vergangenheitsbewältigung": Die Bundeswehr kommt auch noch dran

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 20. Juli 2002


"Vergangenheitsbewältigung": Die Bundeswehr kommt auch noch dran
ARD-Serie klagt die Väter der Republik an - erstes Opfer: Die Journalisten
von Hans-Joachim v. Leesen

Jahrelang hat das öffentlich-rechtliche Fernsehen die deutsche Vergangenheit der Jahre 1933 bis 1945 "bewältigt". Über die Verbrechen wurde des langen und breiten immer wieder berichtet. Dann Hitler ausgeschlachtet, dann wurde alles über seine Gefolgsleute "enthüllt", dann waren die Soldaten der Wehrmacht an der Reihe, die Frauen, die Jugend. Und nun sind die Aufbaujahre der Bundesrepublik dran, die Adenauer-Zeit, die bewältigt werden soll.

Die neue Serie der ARD soll offenbar beweisen, daß die Gründerjahre der Bundesrepublik von ehemaligen Nationalsozialisten bestimmt gewesen seien. Es wird fortgesetzt, was die DDR jahrzehntelang bestrebt war zu beweisen.

Die erste Sendung fand am vergangenen Montag statt. Der Südwestrundfunk (SWR) gab den Filmemachern Wilhelm Reschel und Kurt Schneider die Möglichkeit dazustellen, wie einige namhafte Journalisten, die sich schon im Dritten Reich ein Namen gemacht hatten, nun auch in der jungen Bundesrepublik ihrem Beruf nachgehen konnten. Viel Neues bot das Fernsehen nicht. Am ausführlichsten beschäftigte man sich mit Giselher Wirsing, einem offenbar klugen und gebildeten Mann, der in der Weimarer Republik zur "Konservativen Revolution" gehörte und in der Zeit des Nationalsozialismus zahlreiche erfolgreiche Bücher vor allem über Themen des Auslandes verfaßte - durchaus von einem patriotischen Standpunkt aus, wohl auch in manchen Facetten nationalsozialistisch eingefärbt. Er hatte, wie so mancher, einen hohen SS-Dienstgrad, ohne deswegen Einheitenführer zu sein. Für den SD verfaßte er Stimmungsberichte, die sich dadurch auszeichneten, daß sie ungeschminkt die wirkliche Lage formulierten. Von den Siegern wurde er natürlich im Rahmen des "Automatic Arrest" interniert, kam aber bei der Entnazifizierung mit 500 Mark Geldstrafe davon. Irgendwelche Verbrechen hat man ihm nicht zur Last gelegt.

Nach einigen Jahren faßte er wieder in seinem Beruf Fuß. Eugen Gerstenmaier machte ihn zum Chefredakteur von Christ und Welt, einer konservativen protestantischen Wochenzeitung von hohem intellektuellen Niveau, die unter seiner Leitung zum auflagenstärksten Blatt wurde. Nachdem das SED-Zentralblatt Neues Deutschland ihn wegen seiner politischen Vergangenheit angegriffen hatte, mußte er seinen Platz räumen, woraufhin die Zeitung verfiel. Heute existiert sie nicht mehr.

Dann war die Rede von einem in der Öffentlichkeit weithin unbekannten ehemaligen SS-Führer Horst Mahnke, der beim Spiegel und dann im Axel Springer Verlag Karriere gemacht hat.

Erwähnt wurde der Vorsitzende der von Adenauer ins Leben gerufenen Arbeitsgemeinschaft demokratischer Kreise, der Vorläuferorganisation der Bundeszentrale für politische Bildung, Hanns Edgar Jahn, ein schon vor 1945 für die antikommunistische Propaganda tätig gewesener Spezialist, der nun innerhalb der deutschen Bevölkerung im Sinne der Bundesregierung politisch wirken sollte.

Schließlich geriet Henri Nannen ins Schußfeld der Fernsehmacher. Nannen war im Kriege Bericht-erstatter in einer Propagandakompanie, leugnete aber jahrelang diese Vergangenheit und spielte sich als Antifaschist auf, bis er sich, in die Enge getrieben, 1971 im Stern seiner Vergangenheit stellte und bekannte, er sei zu feige gewesen, um Widerstandskämpfer zu sein.

Und das war's.

Alles ist längst bekannt, und das spätestens seitdem Kurt Ziesel 1958, also vor 44 Jahren, sein Buch "Das verlorene Gewissen - Hinter den Kulissen der Presse, Literatur und ihrer Machtträger von heute" veröffentlicht hat. Er wies nach, daß zahlreiche sich jetzt meist links gebende Journalisten im Dritten Reich genau das Gegenteil von dem geschrieben hatten, was sie in den 50er Jahren fabrizierten. Er zieh sie der Charakterlosigkeit, und das zumal dann, wenn sie alte Freunde, die sie seinerzeit hochgelobt hatten, nun mit Dreck bewarfen. Bemerkenswerterweise kam von den damals entlarvten linken Journalisten niemand im Fernsehen vor. Es fällt schwer, dahinter kein System zu vermuten. Warum wurden nicht die alten Nationalsozialisten in den Redaktionen der Zeit angeprangert, so der Chefredakteur Jupp (so nannte er sich als PK-Mann) Müller-Marein, vor 1945 Autor von Durchhaltebüchern, jetzt strammer Antifaschist oder Walter Petwaidic oder Walter A. Abendroth? In der Süddeutschen Zeitung, heute Flaggschiff der linken Tagespresse, wimmelte es von Journalisten, die schon vor 1945 einen Namen hatten, die nun allerdings meist mit linkem Vorzeichen schrieben. Man denke an W. B. Süskind, Werner Friedmann, Karl Ude, Gunter Groll, Dr. Hans Joachim Sperr.

Daß Journalisten tätig waren, die ihr Geschäft auch in einem anderen politischen Regime verstanden hatten, ist kein Wunder. Wer sollte das zerstörte Deutschland wieder aufbauen, wenn nicht die Generation, die den Krieg erlebt hatte? Verbrechen hatte sich niemand der im Fernsehfilm genannten Männer zu Schulden kommen lassen. Alle hatten durch die Ereignisse gelernt. Niemand hatte versucht, in seinem Einflußbereich für ein neues totalitäres Regime zu werben. Was warf man ihnen jetzt vor? Wäre den Fernsehmachern eine Entnazifizierung im Stile der Sowjets lieber gewesen, deren Resultat 180.000 in bolschewistische Speziallager eingesperrte Verdächtige waren, von denen 65.000 bis 80.000 in den Massengräbern in der ehemaligen sowjetischen Besatzungszone liegen? Das Gebiet war dann wirklich frei von "Ehemaligen" in einflußreichen Positionen - ein Idealzustand offenbar in den Augen der Fernseh-Leute.

Die Fernseh-Bewältigung der Gründungsjahre der Bundesrepublik geht weiter. Die Bundeswehr kommt auch noch dran - da nützen alle beflissenen Distanzierungen nichts.

Von der Propaganda zum gefeierten Antifaschisten: 1992 erhielt Ex-Stern-Chef- redakteur Henri Nannen (li) vom damaligen Ministerpräsidenten Gerhard Schröder die Niedersächsische Landesmedaille. Foto: dpa