19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
27.07.02 / Die Angst vor schwindender Bedeutung

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 27. Juli 2002


Die Angst vor schwindender Bedeutung
Frankreich muß mit knapperen Mitteln sein Militär modernisieren
von Pierre Campguilhem

Anläßlich des Nationalfeiertags Frankreichs wurde an der Seine Näheres über die Anstrengungen bekannt, die die Regierung Raffarin zwecks eines Ausbaus der französischen Streitkräfte unternehmen will. Schon Anfang Juli in Toulon bei der Rückkehr des Nuklear-Flugzeugträgers "Charles-de-Gaulle" hatte Staatschef Jacques Chirac die Vernachlässigung des Militärwesens durch die abgelöste sozialistische Regierung kritisiert und angekündigt, ein Programmierungsgesetz werde vor Ende des Jahres dem Parlament vorgelegt, damit die französischen Militärausgaben zwischen 2003 und 2008 von den gegenwärtigen 1,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts auf 2,5 Prozent aufgestockt werden können.

Durch dieses Gesetz wollen die französischen Behörden den Stand der gegenwärtigen Ausgaben im Vereinigten Königreich, das als einzige europäische westliche Macht sich den Anforderungen der Nato wenn nicht anpaßt, so doch wenigstens annähert, erreichen. In einer Fernsehansprache am 14. Juli, also am Nationalfeiertag, bestand Chirac auf einer solchen Aufstockung der Verteidigungsausgaben. Nachdem er bemerkt hatte, Frankreich sei jetzt von Großbritannien hinsichtlich seines Militärhaushalts abgekoppelt, gab er zu bedenken, die Nachbarn Frankreichs - außer Großbritannien - müßten in der Tat Anstrengungen für ein starkes Europa unternehmen.

In Toulon hatte er schon angedeutet, Frankreich wolle mit seinen europäischen Partnern bei der Beschaffung moderner Rüstungsgüter zusammenarbeiten. Vorgesehen dabei sei die Kooperation im Rahmen des OCCAR, einem multilateralen europäischen Gefüge, oder bilateral mit London zum Bau eines zweiten Flugzeugträgers. Nach Ansicht von Michèle Alliot-Marie, die nun als Verteidigungsministerin fungiert, sollte bald (innerhalb von ein paar Wochen) diesbezüglich nach Beratungen mit der britischen Regierung eine Entscheidung fallen. Große Bedeutung mißt Chirac im übrigen der Marine bei.

Fraglich ist es immerhin, woher Frankreichs Staatsbehörde das Geld für höhere Militärausgaben nehmen soll. Die "Charles-de-Gaulle" hat zwölf Milliarden Euro, fast die Hälfte des jährlichen französischen Militärhaushalts, gekostet. Grundsätzlich kostete der Bau dieses Schiffes nur drei Milliarden Euro; die Ausrüstungen und die an Bord stationierten Kampfjets erforderten aber zusätzliche Ausgaben von neun Milliarden Euro.

Zudem sollte ein zweiter Flugzeugträger vorwiegend mit Kampfjets des Musters "Rafale" der Firma Dassault ausgerüstet werden. Bislang läuft das Programm "Rafale" aber nicht so erfolgreich wie erwartet. Nach Angaben der Pressestelle der Firma Dassault wurden bislang nur 61 "Rafale" fest verkauft statt der 294, die ursprünglich in der Planung standen. Dieser Kampfjet steht in offener Konkurrenz zum europäischen "Eurofighter" und dem amerikanischen "Joint Strike Fighter". Die gaullistischen Politiker, darunter Chirac, werden sicherlich viel Mühe haben, die Politik der nationalen Unabhängigkeit Frankreichs im Bereich der Militärindustrie fortzuführen.

Die offiziösen Stellen der französischen Politik sowohl in der Presse als auch in den amtlichen Kreisen verbergen nicht ihre Ängste, die Militärmacht Frankreich und seine Rüstungsindustrie könnten enorm an Bedeutung verlieren. Zum Beispiel warnte gerade nach dem Wahlsieg der Bürgerlichen der Leiter des "Institut Diplomatie et Défense", François Géré, vor "einer echten Desintegration der Armee". Seit langem, das heißt, seit dem Beginn der Präsidentschaft von François Mitterand, waren ähnliche Stimmen aus den Fachausschüssen des konservativen Senats zu hören.

Das Staatsoberhaupt und seine Verteidigungsministerin - die in Fachkreisen als nicht besonders überzeugungsfähig gilt - werden bald die Möglichkeit haben, die Parlamentarier zu beruhigen. Bis 2015 soll die Umstrukturierung der französischen Streitkräfte zu einem glücklichen Ende gebracht werden. Das ist schon eine recht lange Zeit, während der die französische Strategie zwischen Europa und Übersee unentschieden bleiben dürfte.