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03.08.02 / Patriarchen

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. August 2002


Patriarchen

Die alten Männer kommen zurück. Ganz augenscheinlich bei der Telekom und jetzt auch bei Bertelsmann, zwei "global player" ganz unterschiedlicher Prägung. Der eine ein Börsenunternehmen, was Ron Sommer auch das Genick brach, der andere ein Familienunternehmen, was bisher Stabilität garantierte. Bei aller Unterschiedlichkeit der beiden Unternehmen und der Gründe für den Wechsel an der Spitze, gemeinsam ist die Nachfolge. Bild titelte flapsig im Fall Telekom: Ein Rentner soll es nun machen. Auch bei Bertelsmann stand der Neue kurz vor dem "Altenteil Aufsichtsrat". Aber daß zwei erfahrene Männer das Steuer übernehmen ist ein Leuchtsignal, das weit über die Unternehmen hinausstrahlt.

Nicht nur bei diesen Unternehmen wurden jüngere, durchaus auch erfolgreiche Manager durch erfahrene Fahrensleute ersetzt. Man kann es auch in der Politik beobachten. Erfolg ist eben keine Zukunftsgarantie, erst recht nicht, wenn er im stürmischen Meer der Börse ersteigert wurde. Was größere Unternehmen in diesen Zeiten des Umbruchs mehr brauchen als dynamische Antreiber, sind die ruhigen, aber sicheren Hände von Patriarchen. Nicht viel hantieren und im Portfolio fingern, sondern wenige Griffe, die sitzen. Dazu gehört sicher viel Wissen, mehr noch menschliche Fähigkeiten.

Vor fast vierzig Jahren schrieb der amerikanische Ökonom John K. Galbraith seinen Weltbestseller über die "Überflußgesellschaft". Darin analysierte er die Antriebskräfte der modernen Wirtschaft und das Konsumverhalten des Massenmenschen. Seine wichtigsten Kapitel behandeln die Begriffe Motivation und Identifikation. Es sind die tragenden Säulen jedes Unternehmens. Es sind Begriffe, die in die Tiefe des menschlichen Daseins hinabreichen. Dorthin muß der Blick des Patriarchen oder Firmenchefs vordringen. Wer die Mitarbeiter nur als Instrumente oder reine Produktionsfaktoren sieht, der baut ein goldenes Kalb und wird über kurz oder lang scheitern. Das ist auch der Irrtum der Shareholder-value-Apostel vom Schlage Sommer oder Middelhoff. Sie vertrauen auf die Kräfte des Marktes und vergessen, daß schon Adam Smith diese Kräfte - er nannte sie die unsichtbare Hand - den menschlichen Eigenschaften zuordnete. Auch der Erfinder des Begriffs shareholder value, Alfred Rappaport, meinte damit nicht das rein kapitalistische Profitstreben, sondern die aktive Teilhabe aller Beteiligten am Gesamtprodukt. Nicht das Ergebnis zählt, sondern der Weg. Er bestimmt den Kurs und damit auch die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens.

Auf diesem Weg nehmen Patriarchengestalten ihre Mitarbeiter an die Hand. Sie zeigen Verständnis und erklären den Kurs. Sie sind ausdauernd, geduldig und zugänglich. Sie sind in gewissem Sinne selbstlos. Das ist es, was den jungen Dynamikern fehlt. Sie haben das Boot nicht im Griff, weil die Mannschaft nicht voll hinter ihnen steht. Das ist nicht unbedingt eine Frage des Alters. Aber das ist wie sonst im Leben: Ältere haben, oft auch durch persönliches Leid, ihr Herz geöffnet für die wirklich entscheidenden Fragen des Lebens. Das bringt nicht immer Erfolg, aber Erfüllung. Mit den Worten der Wirtschaft: Es motiviert und identifiziert, und so gibt man wirklich sein Bestes. Wir werden Wechsel wie bei Telekom oder Bertelsmann noch öfter erleben, wenn auch nicht so spektakulär. Denn wirklich solide und konsolidierend auf Dauer sind nur die menschlichen Unternehmer. lim