19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.08.02 / R. G. Kerschhofer über die amerikanische Einkreisung des Irak

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 03. August 2002


Bush und der kurdische Knoten
R. G. Kerschhofer über die amerikanische Einkreisung des Irak

Manche haben gute Gründe, gegen Saddam Hussein zu sein. Präsident Bush hat wohl Gründe, aber keine guten: Saddam war doch ein braver Mann gewesen, als er Krieg gegen die Ayatollahs führte! Verbindungen zum 11. September lassen sich auch nicht konstruieren. Und zu tun, als würde man die Welt von einer Bedrohung oder die Iraker von einem Tyrannen befreien, das kauft dem Junior erst recht keiner ab, denn beides hätte Bush Senior bereits 1991 machen können. (500.000 Soldaten traten an, um 250.000 Kuweitis zu befreien - die übrigen Einwohner Kuweits sind rechtlose Fremdarbeiter. Aber es ging eben gar nicht um "Menschenrechte".)

Ziemlich mühsam, Verbündete für ein Abenteuer zu gewinnen - abgesehen von Tony Blair, dessen Vasallentum ihm bereits den Titel "Bushs Pudel" eingetragen hat. Die kontinentalen Europäer befleißigen sich zwar der politisch korrekten Phraseologie zum 11. September, doch für weitere künstlich hochstilisierte Krisenherde Soldaten abzustellen, würden nicht einmal deutsche Politiker vor ihren Wählern vertreten können. Russen und Chinesen sind natürlich für Bushs "Kampf gegen den Terror" - verbal und nur, weil es die eigene "Minderheitenpolitik" kaschieren hilft.

Besonders wichtig wären die Nachbarn des Irak. Doch Syrien und vor allem der Iran sind als "Schurkenstaaten" eher Angriffsziele denn Verbündete. Kuweit ist zu klein, um als Aufmarschgebiet für eine Groß-Offensive zu dienen. Und Jordanien hat zwar eine US-hörige Regierung, eine Beteiligung gegen den Irak würde aber zu Aufständen führen und das Land ins Chaos stürzen. Washington könnte dies allerdings in Kauf nehmen, denn Israel hätte dann endlich - wie von Zionisten seit eh und je gefordert - einen Grund, auch das Gebiet jenseits des Jordan zu besetzen.

Saudi-Arabien hat bereits klar abgewunken. Die antiamerikanische Stimmung ist auf die im Lande stationierten US-Soldaten und auf Afghanistan zurückzuführen. Wenn dann noch, wie kürzlich geschehen, ein Pentagon-Sprecher droht, Mekka und Medina in nuk-leare Krater zu verwandeln, treibt das sogar die Opposition wieder ins Lager des herrschenden Wahabbiten-Klans zurück.

Die Türkei schließlich muß, selbst wenn sie eine handlungsfähige Regierung hätte, schon allein deswegen gegen einen zweiten Irak-Feldzug sein, weil sie durch den ersten Krieg und das Irak-Embargo schwere wirtschaftliche Schäden erlitten hat, vor allem in den Kurden-Provinzen Ost-Anatoliens. Und so wie dank der US-Politik die Fundamentalisten im Iran neuen Auftrieb kriegen, könnten sie leicht auch in der Türkei die Macht ergreifen. Folgen wären ein Militärputsch, Parteienverbote und noch mehr Menschenrechtsverletzungen, was dem amerikanischen Bestreben zuwiderliefe, die Türkei samt all ihren Problemen in die EU einzuschleusen.

Ermuntert durch das (scheinbar) erfolgreiche Beispiel Afghanistan, setzt Bush daher jetzt auf die "irakische Opposition". Nur was heißt das konkret? Exil-Iraker haben im Volk keinen Rückhalt, waren sie doch zumeist Nutznießer des Regimes, die ihre Schäfchen rechtzeitig ins Trockene bringen konnten. Die Schiiten im Südirak sind gebrannte Kinder, denn sie wurden 1991 von Bush Senior zur Rebellion aufgehetzt und dann im Stich gelassen - neben Saddams Rache kriegen sie auch noch die Folgen der Uran-Munition zu spüren.

Bleiben die Kurden. Aber deren Führer, die Gaufürsten Talabani und Barzani, haben inzwischen den Nord-Irak ihren Stammesgebieten entsprechend aufgeteilt und leben so wie einst ihre Vorväter, die einen fernen Sultan formal anerkannten - und praktisch ignorierten. Wie die Schiiten wollen sie sich nicht mit Saddam anlegen, und ebenso hüten sie sich, einen Kurdenstaat auszurufen, denn darauf würde jede türkische Regierung mit einem massiven Einmarsch antworten: Ankara müßte einen neuerlichen Aufstand der brutal unterdrückten "türkischen" Kurden, der sogenannten "Bergtürken", fürchten.

Ist es nicht grotesk: Obwohl die Kurden in einem geschlossenen Siedlungsraum leben - zwölf Millionen in Ost-Anatolien, fünf Millionen im Iran, drei Millionen im Irak und eine halbe Million in Syrien -, bleibt ihnen die Eigenstaatlichkeit verweigert, denn das wurde 1919/20 in Paris so festgelegt. Es interessiert daher auch keinen, daß die PKK, die von der EU Anfang Mai pflichtschuldigst zur Terror-Organisation erklärt wurde, so wie etliche andere Befreiungsbewegungen nur deshalb ins Fahrwasser von Kommunismus und Terrorismus geraten konnte, weil die berechtigten Anliegen der Kurden sträflich ignoriert wurden und werden.

Bush wird den kurdischen Knoten ebensowenig lösen wie irgendein anderes Problem. Wenn er den Irak bombardieren läßt, werden wir außer für die Kriegskosten auch für humanitäre Hilfe und Wiederaufbau aufkommen. Alles wie gehabt.