28.03.2024

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10.08.02 / Ein weißer Flügel

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. August 2002


Ein weißer Flügel
von Hannelore Patzelt-Hennig

Es gibt Bilder, die, wie jeder weiß, sich so einprägen, daß man sie lebenslang nicht vergißt. Ein solches ersteht vor meinen Augen immer, wenn ich irgendwo ungewohnt viele Glasscherben sehe. Denn in kaum nennbar vielen davon stand ich im Frühjahr 1945 einmal, und zwar im Wohngebäude eines Rittergutes in Ostpreußen. Wir waren auf unserem Fluchtweg bei Danzig von den Russen überrascht worden. Aller Habe beraubt, wie auch der Pferde und des Fluchtwagens, machten wir uns zu Fuß auf den Weg zurück nach Hause, zum großelterlichen Hof in einem Dorf an der Memel. In den leerstehenden Gehöften, an denen wir vorbeikamen, sahen wir uns hier und da nach Eßbarem um. In dieser Absicht gelangten wir eines Tages auch in ein Gutshaus. In einer sehr geräumigen Empfangshalle führten rechts und links Treppen zu einer Empore hinaus, in deren Mitte, von unten her gut sichtbar, gleich hinter der Balustrade ein weißer Flügel stand.

Den unteren Bereich, auf dem ich mich noch befand, bedeckte bis in die Ecken des Raumes hinein ein nahezu gleichmäßiger Glasscherbenteppich. Und als ich die Stufen hinaufstieg, stellte ich fest, daß es auf der Treppe genauso war. Ebenso sah es auf der Empore aus. Der Flügel stand dort, als würde er gar nicht da hin gehören. Unversehrt und wunderschön anzusehen. Ich trat dicht an ihn heran und blieb wie gebannt davor stehen. Es gab sonst nichts in diesem Raum, nur Glasscherben und diesen weißen Flügel. Und vor ihm stand ich, als könne ich mich nicht von der Stelle rühren. Ich stand da und staunte.

Mutter hatte von unten mittlerweile schon dreimal nach mir gerufen, ohne daß ich darauf reagiert hätte. Erst die streng ausgesprochene Ermahnung: "Nun komm endlich! Wir müssen weiter!" ließ mich folgen. Auf der Straße fragte ich Mutter dann nach einer Weile: "Weißt du, bei wem wir da eben waren?" Die knappe Antwort, die ich bekam, lautete: "Wir waren auf einem Rittergut!" Ich merkte, daß Mutter mit ihren Gedanken ganz woanders war und fragte deshalb nicht weiter.

Ein kurz darauf verübter Überfall von russischen Soldaten verdrängte auch in mir das, was mich so nachhaltig beschäftigte. Der Eindruck, den der wunderschöne weiße Flügel inmitten jenes Scherbenmeeres auf mich gemacht hatte, blieb aber dennoch als unauslöschbares Bild in meiner Erinnerung. Ich weiß jedoch bis heute nicht, zu welchem Rittergut er gehört hat. Es lag irgendwo auf dem Weg zwischen Danzig und Ragnit. Dann und wann, das muß ich gestehen, frage ich mich doch, bei welcher Familie ich damals, knapp achtjährig, zu "Besuch" gewesen bin.

 

Wärme
von Gertrud Arnold

 

Wenn die bunten Blumen blühen,

zieht ins Herz die Freude ein,

und die dunklen Schatten fliehen

vor dem hellen Sonnenschein.

 

Wärme will ins Herze weben

ungetrübte Heiterkeit

und dem ganzen Leben geben

tröstliche Gelassenheit.