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10.08.02 / Kraftfahrzeugverkehr: Königsbergs Anbindung

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 10. August 2002


Kraftfahrzeugverkehr: Königsbergs Anbindung
Gerhard Mannke berichtet über die Landstraßen von und zu der ostpreußischen Hauptstadt

In ihrer Art die typischste der Landstraßen in der Umgebung Königsbergs war die Festungsringstraße, gewöhnlich Ringchaussee genannt, die sich im Abstand von etwa einer Preußischen Meile vom Zentrum fast um die ganze Stadt zog, nämlich ab der Chaussee nach Pillau bei Spittelhof nördlich herum bis an die Reichsstraße 1 bei Lauth. Ihre Fortsetzung fand sie südlich des Pregels bei Neuendorf ab der nach Gerdauen führenden Reichsstraße 131, um dann mit einem weiten Bogen an der Reichsstraße 1 bei Kalgen zu enden. Was hatte es mit dieser Straße, deren Linienführung sich als die eines (heute teilweise verwirklichten) Autostraßenringes angeboten hätte, für eine Bewandtnis? Als die 1843 bis 1860 errichteten Wallanlagen, die allen Königsbergern noch heute bekannt sind, nach den Erfahrungen des Krieges 1870/71 als nicht mehr mehr ausreichend empfunden wurden, bagann man ab 1872 15 vorgeschobene größere Außenstützpunkte zu schaffen, die sogenannten Forts, die einige hundert Meter vor der Straße lagen. Diese Schotterstraße war nicht sehr breit und wegen der Geheimhaltung für den allgemeinen Verkehr größtenteils gesperrt. Beim Landerwerb hatten vermutlich direkt nicht benötigte Flächen miterworben werden müssen, zu schließen aus umfangreichen Munitionslagerungen in diesem Bereich 1939.

Zwischen den Forts gab es noch unterschiedlich große nachrangige massive Stützpunkte und zwar auch dort, wo die Straße nicht hinreichte, so beispielsweise zwischen der Reichsstraße 1 und dem Pregel bei Palmburg sowie in Haffstrom. Eine direkte städtebauliche Vorläuferin hatte diese Ringstraße innerhalb der Stadtumwallung selber nicht. Der Straßenring innerhalb der Wallanlagen Deutsch-Ordensring - Waldburgstraße - Wrangelstraße - Litauer Wall/Hansaring im Norden und Horst-Wesselstraße - Reichsstraße im Süden wurde außer dem Straßenzug des Litauer Walls (seit 1803) erst nach der Entfestigung bemerkenswert.

Die sternförmig auf die Stadt zu und auch von ihr wegführenden wichtigen Landstraßen, meist eingestuft als Reichsstraßen, hatten ihre besonderen Merkmale aufzuweisen, selbst wenn man von der jeweils etwas unterschiedlichen Anlage absieht.

Die "Rennstrecke" zur Ostsee mag subjektiv als die wichtigste Landstraße empfunden worden sein, führte sie doch vorbei am Quednauer Berg ohne schwierige Ortsdurchfahrten als Reichsstraße 128 recht bequem in den größten Badeort, Cranz, an der vielgeliebten Ostsee. Sie entstand, als ihre Vorgänger nicht mehr ausreichten, in ihren Grundzügen bereits 1823 bis 1853 und markierte zugleich die "Grenze" zwischen den beiden Hälften des Samlands, auch aufgezeigt durch eine von dem General Colmar Freiherr von der Goltz, unserem berühmten Landsmann, als Kommandierenden General angeregte und auch ausgeführte Verlängerung der Königsberger Festungsanlagen in Richtung Cranz, deren Berechtigung schließlich 1945 bewiesen wurde. Aber auch diese zügig und in ausreichender Breite angelegte Straße, neben der noch bei Trutenau einige der alten, kleinen Bunker zu sehen sind, hatte im Zeichen zunehmenden Autoverkehrs bereits die Grenze ihrer Leistungsfähigkeit erreicht. So berichteten die Bewohner von Rothenstein und Quednau, daß sie die Straße an Sommersonntagen zu späterer Tageszeit wegen des starken Rückreiseverkehrs aus Cranz kaum überqueren konnten. Hohe Unfallzahlen, besonders in der berüchtigten Nesselbeker Kurve, die eines Sonntags vier Todesopfer forderte, waren die unausbleibliche Folge. Zur Abhilfe wurde zunächst auf der ganzen Länge ein breiter Radweg angelegt (von dem 1995 nichts mehr zu sehen war).

Der Zeit entsprechend "drohte" dieser Landstraße ein ähnliches "Schicksal" wie der Reichs-straße 1 nach Elbing, es wurde nämlich parallel eine Autobahn geplant (wie es damals hieß), und bei Kriegsbeginn war bei Königsberg-Ballieth dafür eine Brücke im Bau, und heute noch führt eine solche über die Landstraße von Rudau nach Pobethen. Für die Arbeiter entstanden Baulager in Quednau und Rudau, nach Kriegsbeginn bald für andere Zwecke genutzt.

In Königsberg sollte die neue, auch nur zweispurige Straße - also im heutigen Sprachgebrauch eine Autostraße - zentraler als die die Cranzer Allee verlängernde Reichsstraße 128 über die Samitter Allee erreicht werden, und etwa zwischen Grünhoff und Michelau bei Weischkitten enden. Damit wären nicht nur der meistbesuchte Badeort Cranz, sondern auch das stark wachsende Neukuhren bedient und weitere bequeme Strände auf etwa 15 Kilometer zwischen beiden Bädern erschlossen sowie die geplante Trabanten- und Universitätsstadt in der Gegend des Fritzener Forsts verkehrsmäßig gut angebunden worden. An eine östliche Umgehung der Stadt zwischen der neuen Palmburger Pregelbrücke und Ballieth hatte man damals auch bereits gedacht, jedoch bestand bis 1939 hierfür noch kein Bedarf, da die Samlandküste mit dem Auto hauptsächlich von Königsbergern aufgesucht wurde. Heute ist dieser Teil der ehemaligen Ringchaussee in den recht unterschiedlichen "Autobahnring" einbezogen.

Ganz anders als die Cranzer Chaussee nahm sich die aus dem Straßenzug Hufenallee - Lawsker Allee - Juditter Allee hinausführende wichtige und sehr alte, aber Mitte des 19. Jahrhunderts ausgebaute Reichsstraße 131 nach Pillau aus. Zwar hinderten auch hier kaum Ortsdurchfahrten, wohl aber führte sie zu mehr als der Hälfte durch alten Wald, zunächst die Kaporner Heide, dann den Pilzenwald zwischen Lochstädt und Neuhäuser. Dies und die dadurch geringe Besiedlung mögen der Grund für den zögerlichen, in vielen Abschnitten erfolgten Ausbau gewesen sein. Der Gesamtstraßenzug war um 1700 Poststraße zur Frischen Nehrung, 1812 Napoleons Militärstraße und wurde seit den zwanziger Jahren kontinuierlich ausgebaut, so daß er 1939, gewissermaßen als Verlängerung des seeseitigen Eingangstores Pillau, zwecks angemessener Begrüßung der durch den Seedienst Ostpreußen nebst dem eigenen Auto herangebrachten Gäste, überwiegend breit und modern, teilweise mit leicht überhöhten Kurven ausgebaut war. Das historische Spittelhof, Moditten mit seinen riesigen Kiesgruben, der originelle Wurzelkrug, der legendäre Ausflugsort Vierbrüderkrug, das bedeutende Fischerdorf Großheidekrug und das alte Kreisstädtchen Fischhausen mit allein nennenswerter Ortsdurchfahrt und schließlich der etwas abseits gelegene angenehme Badeort Neuhäuser waren die Orte an der Straße in Richtung Pillau, die fast doppelt so lang war wie die nach Cranz. Alles sah man dabei freilich nicht, nämlich umfangreiche, im Wald versteckte neuere Militäranlagen; ebenfalls nicht zu sehen, leider aber deutlich wahrnehmbar dagegen der "würzige Duft" des Königsberger Abwasserkanals (bis knapp vor Vierbrüderkrug).

Zeitweise, je nach Ausbauzustand, konkurrierte nachrangig hierzu die zunächst als Reichsstraße 143, dann ab Drugehnen als Landstraße bis Fischhausen durch eine freundliche Landschaft führende Route, die etwas länger war und zu Zeiten starken Verkehrs bis Drugehnen vielleicht auch schwieriger zu befahren war. Von der Abzweigung bei diesem Ort an hatte die Straße eine schmale Fahrbahn. Sie auszuwählen, mag etwas mit der Muße eines Liebhabers für eine harmonische und je nach Gemütslage auch als malerisch empfundene Gegend zu tun gehabt haben. Vorbei am Hegeberg, wo es vor Jahrzehnten einen nicht aufgeklärten Mord gegeben hatte, mit dem Ausblick auf den sagenumwobenen Galtgarben und durch das Kirchdorf Kumehnen boten sich willkommene Abwechslungen. Bis heute hat sich an der Landschaft nicht allzu viel verändert. Leider fehlen außer Kumehnen, dessen einst stattliche Ordenskirche dahinsiecht, die Dörfer.

Die heute sehr breit wirkende Fahrbahn der ehemaligen Reichsstraße 143, sozusagen die Verlängerung der General-Litzmann-Straße, nach Rauschen, dürfte damals auch um den Sommerweg schmäler gewesen sein. Aber wer wußte schon, daß kurz hinter Tannenwalde westlich der Straße eben vor dem Krieg der Militärflugplatz Prowehren eingerichtet worden war, der über die längste Startbahn in Ostpreußen verfügte (auf dem heutigen Flughafen Tschkalowsk stehen riesige Maschinen und werden die Staatsgäste empfangen)? Etwas weiter auf der anderen Seite passierte man die eindrucksvolle Kulisse der zur Gemeinde Goldschmiede gehörigen Ortschaft Fuchsberg, der das Prädikat "Berg" nach ostpreußischem Maßstab durchaus zukam. Durch eine abwechslungsreiche Landschaft, vorbei an dem Bahnhof Drugehnen, Ausgangspunkt für Wanderer und Skifahrer im "Alkgebirge", und Marienhof, wo die Samlandbahn die Nebenbahn nach Fischhausen entließ, war der nächste markantere Punkt die Abzweigung nach Pobethen/Neukuhren in ostwärtiger Richtung, um dann etwas schmäler durch ein sehr kuppiges Gelände Rauschen zu erreichen. Das Teilstück Fuchsberg bis Drugehnen (und weiter bis Kumehnen) befand sich 1846 im Bau. Die Verlängerung an die Küste scheint viel später durch den zunehmenden Verkehr veranlaßt worden zu sein. Die Reichsstraße endete zwar in Rauschen, deren Fortsetzung durch Georgenswalde nach Westen erschloß aber wie noch heute den schönsten Teil der Samlandküste bis Brüsterort mit seinem berühmten Leuchtturm. Heute eher reizlos, ermöglicht sie wie früher hinter dem Bahnhof auf der rechten Seite und unmittelbar rechts vor dem Gebäude einer früheren Gastwirtschaft den Zugang zur eindrucksvollen Wolfsschlucht, in die 1993 Müll gekippt wurde. Weiter in westlicher Richtung gelangte man nach Großkuhren und Kleinkuhren, das heute den Wachtbudenberg, einst die höchste Stelle der Küste, entbehrt. Ostwärts Kleinkuhrens ist ein Teil der Küste eingeebnet worden

Wer die Umgebung kannte, denkt gewiß noch an die 1853 entstandene Reichsstraße 126, die die Königstraße über Kalthof, Neudamm, Mandeln und Neuhausen in Richtung Labiau - Tilsit verlängerte und in der Stadt auch das Gleis der Kleinbahnstrecke enthielt. Das aus einer bischöflichen Burg entstandene Jagdschloß Neuhausen, eine alte Ordenskirche (heute restauriert) und der Ortsteil Tiergarten waren beliebte Ausflugsziele mittels der Königsberger Kleinbahn in einer Gegend, die nach 1933 durch den Bau des Militärflugplatzes Neuhausen bedeutende Veränderungen erfahren hatte. 

 

Königsberg: Die Luftaufnahme der Metropole am Pregel läßt die Dichte des Straßennetzes zumindest erahnen. Fotos (3): Archiv

Cranz: Hierhin führte die Reichsstraße 128.

Pillau: Dorthin führte die Reichsstraße 131.