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17.08.02 / Nicht mit Hilde Steputat oder Wie man sich beim Einkauf gegen überzogene Preise wehren kann

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 17. August 2002


Nicht mit Hilde Steputat oder Wie man sich beim Einkauf gegen überzogene Preise wehren kann

Als hätte es nicht gereicht, mit ihren Eltern damals die Heimat verlassen zu müssen, wurde einige Jahre später auch noch die Mark abgewertet. Aus hundert wurden zehn. Und jetzt? Jetzt hatten "Die da oben" der Oma schon wieder das Geld weggenommen. Als sie skeptisch die ersten neuen Scheine in der Hand hielt, hatte Britta gelacht und gesagt, beim Euro würde alles nur noch die Hälfte kosten. Das hatte sie etwas beruhigt. Britta mußte es wissen, sie arbeitet bei der Bank.

Zwar erinnert sich Oma nicht mehr so genau, wie viele Einwohner Allenstein damals hatte und wie lang noch die Samlandküste war, aber rechnerisch ist sie fit im Kopf. Beim Geld sowieso ... Und mit den Preisen macht ihr niemand etwas vor. Jedenfalls nicht so leicht. Es interessiert Oma aber nicht, ob ein Euro 1,95583 D-Mark sind. Sie kann sowieso nicht nachprüfen, ob das wirklich stimmt, zumal die Taschenrechner-Zahlen - trotz Brille - vor ihren Augen immer verschwimmen. Und zwar bei allen Modellen. Aber wozu auch? Wenn ihre Enkelin doch gesagt hätte, seit Januar wären hal-bierte Preise auf dem Markt. Und ändern - hatte Britta gesagt - ändern könne man an der Geld-Umstellung sowieso nichts. Das sei schon vor Jahren beschlossene Sache gewesen. Aber seitdem das neue Geld da ist, wurde Oma bei ihren Einkäufen - weil sie noch viele D-Mark-Preise im Kopf hat - immer häufiger stutzig.

"Ein Euro 20?" fragte sie neulich die Kassiererin. "Wieso denn ein Euro 20?" Hierbei drehte sie die Ölflasche für den Salat erstaunt in der Hand. Als die Kassenfrau nur mit den Achseln zuckte, sagte Oma, das Öl hätte aber vor dem Euro 1,89 gekostet. Das wüßte sie genau. Exakt 1,89, und zwar Deutsche Mark. Und ob die Kassiererin überhaupt mitbekommen hätte, daß ein Euro 20 um die zwei Mark vierzig wären. Schließlich bekäme Oma seit Januar auch nur noch die Hälfte ihrer Rente und Britta - was ihre Enkelin wäre - hätte gesagt ...

Als die anderen Kunden mit den Füßen scharrten und zu murren anfingen, stellte Oma das Öl zurück und sagte: "So nicht! - Und mit Hildegard Steputat schon gar nicht!" Die hätte schon ganz andere Ereignisse überstanden, als eine Falsche Speiseöl nicht zu kaufen. Und ob die Leute überhaupt wüßten, was es bedeute, Haus und Heimat zu verlieren und alles, was ihre Eltern besessen hätten, worauf die Kassiererin zu einer Kundin "Zweiundzwanzig siebzig!" sagte. Von Stunde an ging Oma Steputat täglich einkaufen. Nicht direkt, sondern nur so. Oder wie soll man sagen ...? Na, eben einkaufen, ohne Geld auszugeben. Natürlich nicht stehlen. Nur Artikel aus den Regalen nehmen, lesen, wieviel Euro dafür verlangt werden und dann zurückstellen. Mal dieses, mal jenes, D-Mark-Preise im Kopf mit den Euro-Auszeichnungen zu vergleichen, wurde für Oma immer spannender. Es gab Tage, an denen sie richtig süchtig danach war. Dann dehnte sie ihre Markt-Analysen meist bis zum Kassenschluß aus und mußte - mit freundlichen Worten - etwas nachdrücklich aus dem Geschäft dirigiert werden.

Oma wurde von Tag zu Tag orientierter. Und statt zu Ärzten ging sie - seit der Euro-Einführung - lieber in Läden und Supermärkte. Waren ihre Preis-Studien auch mit Arbeit verbunden und obendrein eine elende Rechnerei, fühlte sie sich bald so gesund wie lange nicht mehr. Hierbei stellte sie fest, daß Britta zwar im Prinzip recht hatte, aber eben nur im Prinzip, woraus der Schluß zu ziehen wäre, die Euros mindestens zweimal umzudrehen, bevor man sie ausgibt.

Unlängst bekam sie von ihren Exkursionen einen solchen Hunger, daß sie einmal wieder in das Restaurant mit dem guten Mittagstisch ging, wo es gelegentlich sogar etwas Ostpreußisches gab. Als sie ihre Serviette zusammenfaltete und bezahlten wollte, mußte Oma ihre stärkere Brille aufsetzen, um den hohen Betrag gebührend anstarren zu können. Hierauf wedelte sie kurz mit der Rechnung und fragte die Bedienung, wieso denn ihre Mahlzeit plötzlich so viele Euros verschlingen würde, wo doch ein Euro so um die zwei Mark - oder genauer - 1,95 soundsoviel D-Mark wären und ihre Enkelin Britta - die bei der Bank beschäftigt sei - gesagt hätte ...

Aber nichts interessierte den Ober weniger als das, was Britta gesagt hatte. Er verzog das Gesicht und brummte, die Preise mache nicht er, sondern der Chef. Und außerdem sei das Gemüse so teuer geworden, da wären die Kosten geradezu explodiert und überhaupt ... Der Preis für dieses "überhaupt" interessierte Oma wiederum nicht. Statt dessen sagte sie, die Sache mit dem teuren Gemüse sei doch wohl schon eine Weile her und ob vielleicht - wegen des Euros - jetzt auch noch die Gemüse-Dosen explodiert wären? Das Gesicht des Obers wurde hierauf noch eine Spur länger. Er wischte mit der Hand mehrmals über die Tischdecke, rückte die Blumenvase einen Zentimeter nach links, dann einige Millimeter wieder nach rechts, strich das Geld ein und ging. Das tat Oma auch. Aber in dieses Lokal würde sie keinen ihrer Füße mehr setzen. In D-Mark hätte sie solche Unfreundlichkeit gerade noch hingenommen, aber nicht in Euro! Peter Sroka