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24.08.02 / Deutschland im "Klima" der Bildungskatastrophe

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. August 2002


Deutschland im "Klima" der Bildungskatastrophe
Nur eine Reform des theoretischen Überbaus korrigiert die Schieflage des Bildungssystems
von Wolfgang Thüne

Hörte man das Wort PISA, so dachte man bis vor kurzem reflexartig an die gleichnamige italienische Stadt Pisa mit dem berühmten schiefen Turm. Doch das Wort PISA hat inzwischen eine völlig andere Bedeutung und steht für eine Schieflage im bundesdeutschen Bildungssystem. Diese ist eine Folge fortgesetzter Bildungsreformen, die in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts einsetzten und dazu führen sollten, das deutsche antiquierte Bildungssystem an die Weltspitze zu katapultieren.

Exakt das Gegenteil ist eingetroffen. Die 68er Kulturrevolution hat die angebliche von Professor Picht diagnostizierte "Bildungskatastrophe" erst provoziert und unsere Schüler in die globale Mittelmäßigkeit absinken lassen. Diese werden zwar mit Informationen regelrecht "zugemüllt", aber ihnen wird nicht mehr das Wissen vermittelt, das notwendig ist, um die Informationen zu sortieren und zu bewerten, um Wissenswertes vom Informationsschrott zu trennen.

Nachdem dieser Zustand international dokumentiert und nicht mehr unter den Tisch zu kehren ist, rätselt man um die Ursachen und sucht nach den Schuldigen. Am einfachsten ist es, die Betroffenen, die Schüler, und ihr Umfeld, die Eltern, für das Bildungsdefizit verantwortlich zu machen. Die Lehrer weisen alle Schuld von sich und schieben diese der Bildungspolitik zu, die wiederum die Finanzsituation beklagt. Nur mehr Geld könne noch das Bildungssystem retten und zu neuen Höhen führen. Der "schwarze Peter" liegt beim Finanzminister und damit bei der "Gesellschaft", die zu wenig Steuern zahle und die Jugend geistig verkümmern lasse.

Doch all diese mehr oder weniger gelehrten und leeren Analysen und Diagnosen machen einen Bogen um die Wahrheit. Ursache für die "Bildungskatastrophe" ist eine "Klimakatastrophe", die unser ganzes Gesellschaftssystem revolutionieren, ihm eine völlig andere Neigung geben sollte. Wer weiß heute noch, daß das Wort "Klima" von dem griechischen Wort "klinein" abgeleitet wird, das "neigen" bedeutet? "Klima" heißt "Neigung". Im alltäglichen Sprachgebrauch wird "Klima" so verwendet. Ob wir vom Arbeits- und Börsenklima, vom Konsum- oder Wirtschaftsklima sprechen, immer beurteilen wir damit eine "Neigung". Mit dem Wetter hat "Klima" nichts zu tun. Es ist daher Unsinn, mit dem Vorhaben "Kli- maschutz" das Wetter schützen und es menschlichen Neigungen und Wünschen anpassen zu wollen.

Wer hat nun dieses Unwissen produziert? Sind es die Schüler, die Eltern oder die Lehrer? Nein, es ist die "Wissenschaft", es sind die Professoren. Sie haben sich den "Treibhauseffekt" ausgedacht und die "Klimakatastrophe" erfunden, dann, mit der venia legendi ausgestattet, die Lehrer indoktriniert und die veröffentlichte Meinung manipuliert. Man beschimpfte die herkömmliche "autoritäre" Wissenschaft und hob sich in den Stand eines "kritischen Wissenschaftlers", der allein in der Lage sei, die Wirklichkeit objektiv zu beurteilen und in eine bessere Zukunft zu führen. Geistiges Fundament war die "Kritische Theorie" der "Frankfurter Schule". Sie maßte sich an, alles kritisieren und aus den Angeln heben zu können, umgab sich mit dem Heiligenschein intellektueller Unfehlbarkeit und schaltete somit jegliche Kritik an ihrem Weltbild aus.

Man lebte in einer abstrakt-theoretischen Lebenswelt und operierte an einem abstrakten Bildungssubjekt, nicht an lebendigen Schülern unterschiedlichster Begabung. Unter dem Vorwand der "Chancengleichheit" und "Chancengerechtigkeit" betrieb man eine Nivellierung ohnegleichen und schuf die Mittelmäßigkeit, die heute so beklagt wird, insbesondere von denen, in deren Verantwortung die Lehrerbildung lag und liegt, den Professoren. Einzig die allen Bildungszentralisten so verhaßte "bildungspolitische Kleinstaaterei" verhinderte, daß die Neigung des Bildungsturmes PISA nicht noch schiefer ausfiel. PISA ist ein Argument für den Föderalismus und nicht gegen ihn. Das föderal strukturierte Bildungssystem ist die letzte Bremse gegen eine totale bundesweite Nivellierung.

Wer die Schieflage des Bildungssystems korrigieren will, muß den theoretischen Überbau reformieren, die "Weltbilder im Kopf" wieder ins Lot bringen, vom Kopf auf die Füße stellen. Die Einfachheit der Theorie muß wieder der Komplexität der Wirklichkeit angepaßt, die Bildung muß entideologisiert und den praktischen Bedürfnissen wie der Vielfalt der Bildungsträger, der Mannigfaltigkeit an Schülern und Begabungen optimal angepaßt werden. Nur dann werden wir den Herausforderungen der "Globalisierung" gerecht und können dem geistig immer größer werdenden Konkurrenzdruck standhalten.

Doch wer hat den Mut, die Reformen da anzusetzen, wo sie am dringendsten sind, an den Universitäten? Hier geht es zu wie in den 60er Jahren des 18. Jahrhundert an der Albertina zu Königsberg. Damals hieß es: "Die Professoren sind unfleißig." Statt Vorlesungen zu halten, beschäftigten sie sich mit der Abfassung von lukrativen Gutachten. Auf den Einwand, sie würden zu wenig verdienen, konterte der Staat, daß jedem, der es wolle, "frey steht, täglich um seine Demission zu bitten".

Auf ein entsprechendes Petitum des Großkanzlers von Fürst vom 5. November 1768 wurde am 31. März 1770 Immanuel Kant zum ordentlichen Professor ernannt, um die Albertina von innen heraus zu reformieren. In einem Edikt des Ministers von Zedlitz aus dem Jahre 1775 heißt es, daß "die Köpfe der Studierenden nicht mit nahrungslosen Subtilitäten verdüstert, sondern aufgeheitert und durch die Philosophie zur Annahme und Anwendung wahrhaft nützlicher Begriffe fähig gemacht werden".

Auch heute gilt es, die Lehrpläne von nutzlosem ideologischen Ballast zu befreien, statt dessen Fakten zu vermitteln und die Studenten zum Selbstdenken zu erziehen. Hierbei zu helfen sind insbesondere die Professoren aufgerufen, die es bisher vorgezogen haben, schicksalsergeben sich zu fügen und zu schweigen. Doch ohne massive Unterstützung der Politik, der das Wohl unserer Jugend absolute Priorität genießen sollte, geht es nicht. Sie hat mit der baden-württembergischen Kultusministerin Annette Schavan die wichtige Aufgabe, ein "Klima der Verantwortlichkeit" zu schaffen, das für die Reform der zahllosen "Bildungsreformen" unverzichtbar ist. Und damit landet die Verantwortung wieder beim "Volk" als Souverän, bei jedem einzelnen wahlberechtigten Bürger.