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24.08.02 / Reiseskizzen: Gefühle wie ein Voyeur

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. August 2002


Reiseskizzen: Gefühle wie ein Voyeur
Landschaften und Städte am Donaulauf
von Rudolf A. Scobel

Nachfolgende Aufzeichnungen sind einem längeren Bericht über die diesjährige Fahrt der "Gesellschaft der Donaufreunde e. V." entnommen, die vom 29. Juni bis 8. Juli auf einer nachgebauten Ulmer Schachtel von Wien nach Belgrad führte.

Die Beobachtungen entstammen der Feder Rudolf A. Scobels, des Ehrenvorstandes der Donaufreunde, der auch für Planung und Organisation der Fahrt verantwortlich zeichnete:

- 4. Tag: Von Bugdamm (Dunabogdány) nach Ráckeve:

"Es ist die wohl schönste Landschaftsszenerie entlang der ungarischen Donau, die wir durchfahren. Bald zeichnet sich im Morgendunst die Silhouette von Budapest ab.

Wir lassen uns vom Glanz der ‚Königin der Donau' blenden und geben uns ganz ihrer strahlenden Schönheit hin.

Die Ráckeve-Donau bildet mit dem Hauptstrom die knapp 50 Kilometer lange Insel Csepel. Wir biegen in diesen östlichen Seitenarm ein und durchfahren bei heftigem Südwind eine Flußidylle, in der die Zeit stehengeblieben scheint.

Allerhand Wasservögel flüchten in die dichten Schilfgürtel, Fische springen übermütig aus dem Wasser, ein Storch gleitet über den Strom und verschwindet hinter den Auwäldern aus Pappeln, Weiden und Erlen. Gemütliche Häuser kauern am Ufer. Auf archaisch wirkenden Bootsstegen hocken Angler in stoischer Gelassenheit und warten auf einen Fang."

- 7. Tag: Von Mohács nach Vukovar:

"Nach 13 Jahren wollen wir also mit der Ulmer Schachtel wieder einmal nach Kroatien und Serbien einreisen. (...)

Wir sind sehr gespannt auf den Empfang dort, leisten doch die Städte Ulm und Neu-Ulm erhebliche Hilfe beim Wiederaufbau der vom Krieg fast vollständig zerstörten kroatischen Stadt, insbesondere bei der Wasserversorgung, der Sanierung einer Mülldeponie, dem Aufbau einer ökologischen Abfallentsorgung sowie der Einrichtung eines Kindergartens und eines Gemeindezentrums.

Zunächst jedoch schlägt uns die Donau in ihren Bann. Urstrom. Kein Zeichen menschlicher Besiedlung. Hier flache Sandstrände breit hingelagert, dort Lößwände wie Festungsmauern aufgesteilt.

Niederholz wechselt mit ausgedehnten Auwäldern. Da eine Kolonie Kormorane, drüben ein Graureiher. (...) Ein bizarres Gebilde aus Treibholz erinnert an das Gerippe eines Nomadenzeltes."

- 8. Tag: Von Vukovar nach Neusatz (Novi Sad):

"Am folgenden Morgen haben wir Zeit für einen Gang durch die Stadt. Fassaden, durch unzählige Einschußlöcher wie von Pockennarben entstellt. Ein zerschossener Palast aus der Habsburgerzeit - Reste von Terrakotta am Boden und Fresken an den Wänden erinnern ein wenig an Bilder aus Pompeji.

Wie eine Mure quillt Bauschutt aus einer Haustür, im Inneren das zusammengebrochene Dachgebälk - ein Haufen Mikadostäbchen. Frei stehende Brandschutzmauern mit Resten von Sanitärinstallationen, Tapetenfetzen. (...) Gebüsch und wuchernde Blattranken, Vogelgezwitscher geben mancher Ruine den makabren Anstrich einer romantischen Verklärung.

Manches wurde schon getan, vieles ist noch zu tun... Ich fühle mich wie ein Voyeur und stehle mich davon, zurück zum Hotel.

(...) Wir vertrauen uns wieder dem großen Strom an, genießen die Ruhe und lassen uns hinuntertragen nach Novi Sad. Wenige hundert Meter stromab der von der NATO am 4.4.99 zerstörten Autobahnbrücke legen wir an."