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24.08.02 / Glühende Vaterlandsliebe

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 24. August 2002


Glühende Vaterlandsliebe
Der Fernsehjournalist Wolfgang Venohr erinnert sich unvoreingenommen

Wenn der Historiker und Journalist Wolfgang Venohr sich zu Wort meldet, sollte man hinhören - nicht weil jemand aus der "politischen Klasse", und zu der kann man ihn, der Chefredakteur der Fernseh-Produktion "stern-TV" war, wohl rechnen, in gewohnter Weise schreibt, sondern weil Venohr sich fernab von der politischen Korrektheit zu äußern pflegt. 1982 gab er den Band "Die deutsche Einheit kommt bestimmt" heraus, in dem er Linke wie Rechte zusammengeführt hatte, die im Widerspruch zur öffentlichen Meinung mit stichhaltigen Argumenten nun erst recht die deutsche Wiedervereinigung forderten. Das Buch wurde schnell zur Bibel aller, die für die Einheit eintraten.

Er hat dann einige Bücher verfaßt, in denen er den preußischen Geist, sei es unter dem Soldatenkönig, sei es in den Kreisen um Stauffenberg, beschwor. Und dann legte er den ersten Band seiner "Erinnerung an eine Jugend" vor, derentwegen er von der FAZ als angeblich "betagter Herr", angerempelt wurde, der nichts anderes im Sinne habe, als von seiner "Jugend im Jungvolk zu schwärmen", womit das Blatt der klugen Köpfe zeigte, daß man dort nichts begriffen hatte.

Jetzt folgt der umfangreichere zweite Teil dieser Jugenderinnerungen, den der Autor unter den Titel "Die Abwehrschlacht - Jugenderinnerungen 1940 bis 1955" gestellt hat.

Es sind eigentlich zwei Bücher, die hier in einem Band zusammengefaßt sind: zum einen die beklemmend intensiv dargestellte Zeit des Fronteinsatzes von Anfang 1943 bis zu Venohrs schwerer Verwundung in den letzten Kriegswochen samt der Zeit im britischen Internierungslager Neuengamme und dann seine politische Orientierungssuche in den ersten Jahren der jungen Bundesrepublik.

Der Jungvolkführer Wolfgang Venohr meldete sich 17jährig zur Leibstandarte SS Adolf Hitler. Er sah in ihr eine Jugendtruppe, Teil der kämpfenden Wehrmacht, keineswegs eine Parteitruppe. So stellte er fest, daß mit der Meldung zur Waffen-SS in der Praxis keinerlei politisches Bekenntnis verbunden war, außer daß man natürlich dem Führer und obersten Befehlshaber der Wehrmacht in Loyalität ergeben war. Die Qualitätskriterien waren ausschließlich soldatische. Das motorisierte Regiment, später die Panzer-Division war ein Eliteverband wie die Division "Großdeutschland" oder wie die Fallschirmspringer.

Als Venohr sich meldete, war der deutsche Angriff erlahmt. "Es geht um die Rettung Deutschlands ... und um sonst nichts", beruft er sich auf den Ausspruch von Claus Schenk Graf von Stauffenberg.

Die Ausbildung in der Leibstandarte war überaus hart. Das Essen war erbärmlich. Es gab Roheiten von Unterführern, die die Auffassung vertraten, man müßte die jungen Soldaten durch Brutalität zur Härte erziehen - was allerdings beendet wurde, als der Rekrut Venohr seinem Vorgesetzten gegenüber androhte, er werde sich nicht noch einmal schlagen lassen, sondern eher die Rohlinge und dann sich selbst erschießen.

In dem in den ersten Wochen nach der Niederlage niedergeschriebenen Teil des Buches findet man erstaunliche Einzelheiten, so etwa den Bericht über die Vergewaltigung einer ukrainischen Dorfärztin durch fünf Angehörige der Waffen-SS. Die Ärztin erstattete umgehend beim SS-Panzerkorps in Charkow Anzeige. Die Täter wurden festgenommen und aus der Waffen-SS wie aus der Wehrmacht ausgestoßen. Die Auszeichnungen wurden ihnen aberkannt. Sie wurden zum Tode verurteilt. Nach der Begnadigung wurden sie in die Strafkompanie überstellt, wo sie alle innerhalb weniger Monate bei Sondereinsätzen fielen.

Nur einmal, so Venohr, gab es eine politische Belehrung, nämlich über die bekannt gewordenen Kriegsziele der Alliierten. Der Unterricht entsprach den Tatsachen und führte dazu, daß der Verteidigungswille der Soldaten noch entschiedener wurde.

Die Überlegenheit des sowjetischen Gegners wurde dank der amerikanischen Hilfslieferungen immer drückender. Nach der Panzerschlacht bei Kursk hatte die Leibstandarte nur noch 30 Prozent ihrer vorherigen Gefechtsstärke.

1944 wurde die Einheit in die Abwehrkämpfe gegen Amerikaner und Briten im Westen geworfen. Die Soldaten erlebten erschüttert, daß sie sich getäuscht hatten, als sie glaubten, in den Anglo-Amerikanern im Gegensatz zu den Sowjets ritterliche Gegner gefunden zu haben.

Im verzweifelten Endkampf um Berlin wird Venohr mit seinen Kameraden an die Oderfront geworfen. Er berichtet von dem unerschütterlichen Mut und der Einsatzbereitschaft junger Freiwilliger. Bei Zülkendorf wird er schwer verwundet und erlebt das Kriegsende in einem Lazarett in Schleswig-Holstein. Kaum ausgeheilt, kommt er mit seinen Kameraden ins Internierungslager Neuengamme. Die Brutalitäten der Bewacher, überwiegend Belgier, und der niedrige Bildungsstand der britischen Offiziere und Soldaten tragen nicht zur politischen Bekehrung bei. Die Aufarbeitung setzt bei ihm erst ein, als er aus dem Internierungslager geflohen ist und in Berlin Hitlers Schriften studiert. Er erkennt, daß Hitlers Nationalismus in Wahrheit nicht etwa Völker befreien, sondern sie erobern wollte und daß er darauf aus war, ein Kolonialsystem ähnlich dem britischen und dem sowjetischen ins Leben zu rufen. Die Deutschen hatten sich jahrelang täuschen lassen, die da meinten, es ginge lediglich um die Revision des Versailler Diktates.

An der Nahtstelle der Teilung Deutschlands, in Berlin, kommt er zu der Erkenntnis, daß beide Teile Deutschlands nur Pfänder in den Händen der sich nun entzweit habenden Siegermächte sind. Er fürchtet, daß bei einem Zusammenstoß der beiden Deutschland geopfert wird, und tritt ein für Neutralität und gegen die Remilitarisierung, die nur eine Wehrhaftmachung für fremde Interessen sein kann. Er wendet sich gegen die Kollektivbeschuldigung der Deutschen und kennt nur ein Ziel: den deutschen Nationalstaat mit Klauen und Zähnen zu verteidigen. Den Antifaschismus bejaht er unter der Voraussetzung, daß er sein Fundament im Bekenntnis zur Nation hat. Das aber sieht er weit und breit nicht. Ohne Nationalbewußtsein aber, so Venohr, gibt es keinen aussichtsreichen Kampf gegen Imperialismus und Rassismus.

Mit einer Gruppe von Freunden kommt er zu der Ansicht, ein neutrales wiedervereinigtes Deutschland müsse Freund des Westens wie des Ostens sein, vor allem aber Fürsprecher und Förderer der Dritten Welt, der aufstrebenden ehemaligen Kolonialvölker. Er schließt sich der in Hamburg tätigen Gruppe um Wolf Schenke an und macht jenen Vorwürfe, die Schenkes Neutralismus und seine Anlehnung an den Osten ablehnen.

Der Rezensent, nur wenige Jahre jünger als Venohr, hat diese Auseinandersetzung innerhalb des nationalen Lagers in lebhafter Erinnerung. Venohr ist ungerecht; er vergißt, daß die Erinnerung an die Wirklichkeit des Kommunismus in Deutschland noch frisch war, und er berück- sichtigt auch nicht, daß die Flucht vor der auf Expansion gerichteten Sowjetunion allen Deutschen in den Knochen steckte. Schenke und seine Freunde waren für viele politisch undurchsichtig. Jene Nationalen, die der UdSSR nicht trauten, waren damit noch keine Vasallen der USA. Sie waren sich aber im klaren, daß ein neutralisiertes Deutschland, das sich an die östliche Großmacht anlehnte, vom Westen, speziell von den USA, nie geduldet worden wäre.

Insofern waren die Bestrebungen von Venohr und seinen Freunden ehrenwert, aber nicht realistisch.

Das Buch endet 1955, als sein Freundeskreis den Abschluß des Staatsvertrages mit Österreich feierte, der unserem südlichen Nachbarn die Befreiung von den Besatzungstruppen brachte. Die deutsche Befreiung erfolgte 40 Jahre später. H.-J. von Leesen

Wolfgang Venohr: "Die Abwehrschlacht. Jugenderinnerungen 1940-1955", Junge Freiheit Verlag, Berlin 2002, gebunden, 360 Seiten, mehrere Abb., 24,80 Euro