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31.08.02 / Standbilder Bülows und Scharnhorsts wieder an der Neuen Wache: Halbe Rückkehr

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 31. August 2002


Standbilder Bülows und Scharnhorsts wieder an der Neuen Wache: Halbe Rückkehr
Heinrich Lange über die Geschichte zweier Heerführer-Denkmale

In Berlin ehrte Friedrich Wilhelm III. die großen Heerführer der Befreiungskriege (1813 -1815) Friedrich Wilhelm Graf Bülow von Dennewitz (1755- 1816) und Gerhard Johann David von Scharnhorst (1755-1813) mit Standbildern neben der neuen Wache. Nach dem endgültigen Sieg über Napoleon 1815 bei Belle Alliance, von den Briten Waterloo genannt, und dem Abschluß des Zweiten Pariser Friedens plante der König, die Straße "Unter den Linden" vom Brandenburger Tor, das 1814 seine 1807 als Kriegsbeute nach Paris überführte Quadriga zurückerhalten hatte, bis zum Berliner Schloß zu einer "via triumphalis" ausbauen zu lassen.

In diesem Zusammenhang entstand 1816 bis 1818 nach Entwürfen von Karl Friedrich Schinkel die Neue Wache. Der Hofarchitekt nutzte den Auftrag für ein neues königliches Wachgebäude zu dessen Ausgestaltung als Monument für die Befreiungskriege. Die seit 18. Juni 1822 die Wache flankierenden Marmorstatuen der Generäle Bülow und Scharnhorst schuf sein Schüler Christian Daniel Rauch, deren Sockel entwarf Schinkel.

1826 folgte gleichfalls von der Hand des Hofbildhauers das Bronzedenkmal des Generalfeldmarschalls Gebhard Leberecht Fürst Blücher von Wahlstatt (1742 -1819), des "Marschalls Vorwärts", auf der gegenüberliegenden Straßenseite zwischen Prinzessinnenpalais und Opernhaus. Als kleinere "Begleitfiguren" Blüchers wurden schließlich 1855 auf Veranlassung Friedrich Wilhelms IV. die wiederum von Rauch geschaffenen Bronzestandbilder der Generäle Hans David Ludwig Graf Yorck von Wartenburg (1759-1830) und Augus Wilhelm Anton Graf Neidhardt von Gneisenau (1760- 1831) aufgestellt.

Die Neue Wache, die fünf Generals-Standbilder und die acht marmornen, den Lebensweg eines Kriegshelden vom Knaben bis zum Tod symbolisierenden klassizistischen Figurengruppen auf der Schloßbrücke, welche die Menge der anonymen Kämpfer ehren sollte, bildeten ein inhaltliches und kompositionelles Ganzes, das dem Gedenken und dem Dank für die Taten und Opfer der Befreiungskriege gewidmet war.

Die im Zweiten Weltkrieg zum Schutz vor Luftangriffen eingemauerten Generals-Denkmäler befanden sich bis 1950 am historischen Standort. Nach dem Einsturz eines Teils der Front der kriegsbeschädigten Neuen Wache im April 1950 wurden im Zusammenhang mit den Sicherungsarbeiten vor dem Pfingsttreffen der FDJ am 30. Mai 1950 die Standbilder Bülows und Scharnhorsts bis auf die Sockel entfernt. Der Sockel des Bülow-Denkmals mit der Widmungsinschrift "FRIED-RICH WIL- HELM III / DEM GEN. GRAFEN BUELOW / VON DENNEWITZ / IM JAHR 1822" über dem preußischen Adler war mit rotem Tuch verhüllt und trug die Parole "Unser Dank dem großen Stalin ..."(!). Durch die Beseitigung der berühmten Heerführer sollte der Wache ihr militärischer, vor allem aber ihr preußischer Charakter genommen werden. Die Generals-Standbilder kamen ins unweit gelegene, als Depot der Staatlichen Museen zu Berlin Preußischer Kulturbesitz genutzte Neue Museum.

Nach den ersten Wiederaufbauarbeiten beschloß der Magistrat von Berlin die Umwidmung und Umgestaltung der Neuen Wache vom "Ehrenmal für die Gefallenen des Weltkrieges" zum "Mahnmal für die Opfer des Faschismus der beiden Weltkriege". 1960 wurde dieses anstelle des Zusatzes "und der beiden Weltkriege" mit dem "und Militarismus" eingeweiht.

1963/64 erhielt der Architekt Heinz Mehlan, der schon 1957 mit der Beseitigung von Kriegs- schäden und der fehlerhaften Aus- besserungsarbei-

ten von 1951 an dem Wachgebäude beauftragt worden war und in diesem Jahr einen Umgestaltungsentwurf für deren Innenraum vorgelegt hatte, den Auftrag, die Generals-Standbilder wieder in den Stadtraum zu bringen. Als 1964 der Platz zwischen Deutscher Staatsoper und wiedererrichtetem Prinzessinnenpalais (Opern-Café) neu eingerichtet wurde, entwickelte er den Plan, die Standbilder gegenüber der Neuen Wache im Prinzessinnengarten, dem nunmehrigen östlichen Bebelplatz, aufzustellen.

Die Statuen Blüchers, Yorcks und Gneisenaus wurden im hinteren Teil der Grünfläche aufgestellt, wo sie noch heute - von der Straße "Unter den Linden" durch den Baumbestand halb verdeckt - stehen. Vorn zur Straße hin sollten Bülow und Scharnhorst ihren Platz finden. Bülow aber kehrte nicht zurück. Die marmorne Figur des bei den DDR-Instanzen weniger beliebten "Militärs" Bülow - nach dem Heeresreformer Scharnhorst, der 1813 die allgemeine Wehrpflicht eingeführt hatte, wurde hingegen 1966 die höchste militärische Auszeichnung der DDR, der Scharnhorst-Orden, benannt - überdauerte immerhin dadurch, daß sie nicht über ein Vierteljahrhundert lang Wind, Wetter und Abgasen ausgesetzt war, nahezu unversehrt im Museumsdepot. Eine damals von der Denkmalpflege geforderte originalgetreue Wiederaufstellung der Denkmäler konnte nicht durchgesetzt werden.

Nach der Ost-Berliner Bildhauerin Christa Sammler wurden in der Schlußphase der DDR die Statue Bülows renoviert und die zerstörte Sockelinschrift des Scharnhorst-Denkmals wiederherge-

stellt. Beide Standbilder sollten 1990 an ihrem Originalstandort vor der Neuen Wache wiederaufgestellt werden. Aufgrund von Schwierigkeiten mit einer unterirdischen Fernleitung verzögerte sich die Aufstellung.

Im Zuge der Wiedervereinigung Deutschlands wurde dieser Rückführungsplan dann revidiert. Zunächst aber war das nun auf Gesamtberliner Terrain operierende West-Berliner Denkmalpflegeamt entschlossen, mit den beiden Rauchschen Marmororiginalen die alte Plazierung der Figuren zu seiten der Wache wiederherzustellen. Noch 1993 informierte das vom Presse- und Informationsamt des Landes Berlin herausgegebene "Berlin-Handbuch", das Scharnhorst-Denkmal sei "1922 zur Restaurierung wieder entfernt" worden und solle "danach seinen alten Standort zusammen mit dem zur Zeit gleichfalls re- staurierten Denkmal des Grafen Bülow von Dennewitz an der Neuen Wache wieder erhalten".

Auf Initiative von Bundeskanzler Helmut Kohl beschloß 1993 die Bundesregierung nach parteiübergreifenden Gesprächen, Teile des Bauprogramms, das Heinrich Tessenow 1931 für die Gedenkstätte entwickelt hatte, wiederherzustellen und mit einer im Maßstab 1:4 vergrößerten Replik der Skulptur "Mutter mit totem Sohn" von Käthe Kollwitz zu verbinden. In der Rede des Bundeskanzlers bei der Debatte des Deutschen Bundestages am 14. Mai 1993 zur zentralen Gedenkstätte Neue Wache heißt es dementsprechend: "Nun hat die Bundesregierung auf meinen Vorschlag hin am 27. Januar beschlossen, die ... Neue Wache im Herzen der Hauptstadt Berlin den Opfern von Krieg und Gewaltherrschaft zu widmen. Wir haben ebenfalls beschlossen, dort die Skulptur ... von Käthe Kollwitz aufzustellen."

Es gab Stimmen, die selbst diese Pietà ablehnten. So war noch im Juli 1993 in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu lesen: "Doch ist die Wiederherstellung der alten Plazierung mit dem Gedanken eines Mahnmals an die Opfer des Terrors und des Krieges nicht verträglich. ... Die beiden Generals-Statuen zu seiten des Bauwerks würden diesem, bei all ihrer historischen Entlegenheit, den Charakter eines Krieger-Ehrenmals zurückgeben. Auch die Kollwitz-Skulptur würde diesem Sinn verfallen, um so mehr, als sie ihm an sich nahesteht. Denn diese Pietà ist ein Gefallenen-Mal, und einer der sub-stantiellen Einwände, die sich gegen die Aufstellung der vergrößerten Plastik richten, geht darauf, daß dies Gedenkzeichen an einen Krieg, in dem die Mütter in der Heimat überlebten, indes die Söhne an der Front ihr Leben ließen, sich gegenüber dem von der Naziherrschaft entfesselten totalen Krieg als unzuständig erweist" (Fried- rich Dieck-mann).

Mit der Ausstattung der "Zentralen Gedenkstätte der Bundesrepublik Deutschland für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft" durch die meisterliche, weit überlebensgroße Nachschöpfung der "Mutter mit totem Sohn" (Bronze, 1937/38) von Kollwitz (1867-1945) des Berliner Bildhauers Harald Haacke (geb. 1924), gegossen in der renommierten Bildgießerei Hermann Noack in Berlin-Friedenau, im Jahr 1993 verfolgte man dann bekanntlich andere Pläne. In einem Briefwechsel zwischen Bundeskanzler Kohl und den Kollwitz-Erben wurde vereinbart, die beiden Generäle nicht wiederaufzustellen.

Dieser Vertrag (Urheberrechte der Erbengemein-schaft von Käthe Kollwitz) von 1995 soll für 20 Jahre geschlossen worden sein. Er würde damit zwar erst nach der 200. Wiederkehr der Befreiung Preußens im Jahre 2013, aber - offenbar zufälligerweise - rechtzeitig zum großen Jubiläumsjahr 2015 der Schlacht von Belle Alliance mit dem endgültigen Sieg der europäischen Koalitionsarmee über Napoleon enden.

Zunächst in den Schlachten von Luckau, Großbeeren und Dennewitz hatte Bülow 1813 als Generalleutnant die preußische Hauptstadt Berlin dreimal vor der erneuten Besetzung durch napoleonische Truppen gerettet. Nach dem Sieg der Verbündeten über Napoleon in der Schlacht bei Paris am 30. März 1814 ernannte ihn der König in Anerkennung seiner Verdienste zum General der Infanterie und erhob ihn am 3. Juni mit dem Beinamen von Dennewitz in den erblichen Grafenstand.

Seit 1993 harrten die beiden Marmorwerke Rauschs in einem Bretterverschlag auf dem Ge- lände der Senatsverwaltung für Bauen und Wohnen in Berlin-Reinickendorf besserer Tage. Da im Frühjahr 2002 bei der Umge- staltung der Grünfläche selbst der Betonkern des Sockels des Scharnhorst-Denkmals verschwunden war, überraschten die Pressemeldungen, daß die beiden Generals-Standbilder in wenigen Wochen nach "Unter den Linden" zurückkehren sollten - allerdings nicht links und rechts der Neuen Wache, sondern dieser gegenüber an den vorderen Rand des ehemaligen Prinzessinnengartens. Der Berliner SPD-PDS-Senat hat sich damit für die alte Lösung der DDR der 60er Jahre entschieden, nur daß damals das Denkmal des Generals Bülow letztlich nicht zur Aufstellung gekommen ist.

"Als Kämpfer gegen die napoleonische Fremdherrschaft seien sie der DDR-Regierung ideologisch passabel erschienen", meinte Kultursenator Thomas Flierl (PDS). Die Generäle seien für ihn "Zeichen einer gebrochenen Geschichte, die es gelte, sichtbar zu machen. ... Die beiden in einem Museum zu verbergen, wäre bedauerlich." Der jetzt gewählte Standort sei, so Der Tagesspiegel in Berlin weiter, vom Kollwitz-Nachkom-

men Arne Kollwitz, der "den künstlerischen Wert der Skulpturen" sehe, begrüßt worden.

Dennoch bleibt zu hoffen, daß eines Tages nach Überwindung ideologischer Gründe die Wiederherstellung des bedeutenden klassizistischen Denkmals-Ensembles nach der originalen Konzeption von Schinkel und Rauch mit den Statuen Bülows und Scharnhorsts zu seiten der Neuen Wache und denen Blüchers, Yorcks und Gneisenaus auf der gegenüberliegenden Seite des Boulevards verwirklicht werden kann, wie dies auch die "Gesellschaft Historisches Berlin" seit längerem fordert.

 

Denkmal des Generals Friedrich Wilhelm Graf Bülow von Dennewitz neben der Neuen Wache. Stahlstich, um 1850.

Foto: nach Originaldruck der Sammlung des Verfassers

In einem Bretterverschlag der Senatsverwaltung in Berlin-Reinickendorf harrten die beiden Marmorwerke Rauchs, Scharnhorst und Bülow, besserer Tage. Foto: Ges. Historisches Berlin e.V.