26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
07.09.02 / Nach dem Hochwasser: Hilfe, Helden, Schlampereien

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 07. September 2002


Nach dem Hochwasser: Hilfe, Helden, Schlampereien
Auch in Tschechien fällt die Bilanz katastrophal aus
von Martin Schmidt

Während sich die problematischen Elbfluten in die Nordsee ergießen und das Hochwasser der Donau dem Schwarzen Meer zustrebt, ist die Zeit für eine mitteleuropäische Überschwemmungsbilanz da.

Die Hauptlasten der Wetterkatastrophe haben die Bundesrepublik Deutschland, Österreich und Tschechien zu tragen. Aber auch Ungarn, Rumänien und Serbien sind betroffen.

Nachdem ihre Fluten Bayern sowie Ober- und Niederösterreich verheert hatten, erreichte die Donau vom 19. auf den 20. August auch in Budapest mit einem Pegel von 8,48 Metern einen für diese Stadt historischen Höchststand. Die Theiß verzeichnete in der Nacht zum 28. August den Pegelrekord von 9,28 Metern, und am Zusammenfluß von Bodrog und Theiß im nordöstlich Ungarn standen einige Dörfer völlig unter Wasser. Dennoch fallen die Folgen des Hochwassers in Ungarn und Rumänien relativ harmlos aus. Bis auf wenige Ausnahmen hielten alle ungarischen Dämme; die rumänischen Behörden kalkulieren die Schäden der dort Anfang August begonnenen Überschwemmungen mit vergleichsweise lächerlichen 75 Millionen Euro.

In sämtlichen betroffenen Ländern - die besonders stark geschädigte russische Schwarzmeerküste eingeschlossen - kamen insgesamt mehr als 100 Menschen ums Leben (allein in der Bundesrepublik über 20). Das sind in etwa so viele wie beim berüchtigten Oderhochwasser von 1997.

Der Chefvolkswirt des Allianz-Konzerns, Klaus Friedrich, beziffert die hierzulande durch die Katastrophe verursachten Kosten auf bis zu 15 Milliarden Euro. In Tschechien sollen es Schätzungen zufolge zwischen 60 und 90 Milliarden Kronen (100 Kronen = 3,24 Euro) sein, also etwa ein Sechstel oder Siebtel der deutschen Schadenssumme.

Eingedenk der deutlich geringeren Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft des Landes kann man ermessen, welch ungeheure Belastungen auf den tschechischen Staat zukommen. Eine aktuelle Studie der deutschen DeKa-Bank geht von katastrophenbedingten Mehrbelastungen des Haushalts in Höhe von 29 bis 43,5 Milliarden Kronen aus. Das wären zwischen 1,3 und 2,0 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Neben den Zerstörungen an Gebäuden und Infrastruktur schmerzen besonders die Produktions- und Ernetausfälle sowie der rapide Rückgang der Zahl der ausländischen Touristen.

Die Regierung Spidla hat angesichts der bislang größten Naturkatastrophe in der Geschichte der Tschechischen Republik umgehend den Kauf teurer Überschalljäger für die Armee ausgesetzt und eine geplante Gehaltserhöhung für Staatsdiener verschoben. Außerdem wird erwogen, hohe Jahreseinkommen von über 900 000 Kronen (29 160 Euro) mit einer 37-prozentigen Sondersteuer zu belegen. Den Geschädigten verspricht man Hilfen in einer Gesamthöhe von 533 Millionen Euro und zinsgünstige Kredite mit langen Laufzeiten. Die deutschen Fernsehzuschauer wurden in der heißesten Phase zwischen dem 12. und 17. August mit erschütternden Bilder aus Böhmen konfrontiert. Fast immer zeigten sie das von der Moldau überflutete Prag.

Aus einzelnen vom Notstand betroffenen Teilen der Hauptstadt mußten zeitweilig 70 000 Menschen evakuiert werden; im ganzen Land waren es mehr als 200 000 der insgesamt zehn Millionen Einwohner. Jeder zehnte tschechische Bürger war direkt von der Flut betroffen.

Während der Prager Altstadtkern weitgehend verschont blieb, soff die Kleinseite regelrecht ab. Auch die Börse wurde evakuiert, und die Karlsbrücke mußte zwei Wochen gesperrt werden. Statische Schäden soll das 1357 errichtete UNESCO-Weltkulturerbe allerdings nicht davongetragen haben.

Ebenso wie die deutsche reagierte auch die tschechische Bevölkerung auf das Hochwasser mit einer Welle der Hilfsbereitschaft. Präsident Havel lobte die enorme Solidarität und verlieh zugleich der Hoffnung Ausdruck, daß diese "auch in Augenblicken sichtbar wird, in denen wir nicht einer Katastrophe ausgesetzt sind".

Spontane Unterstützung kam nicht zuletzt aus Deutschland: Freiwillige des Technischen Hilfswerks (THW) aus dem Rhein-Main-Gebiet pumpten am 19. August das Nationaltheater aus. Das Wasser stand dort bis zu vier Metern hoch, ein Flügel wurde völlig zerstört.

Auch die Prager U-Bahn ging in der braunen Brühe unter; 17 Metrostationen wurden überflutet, ein schließlich zweier kompletter Züge, die aus Schlampigkeit nicht rechtzeitig entfernt worden waren. Da sich die örtliche Feuerwehr technisch außerstande sah, mit den Wassermassen in der U-Bahn fertig zu werden, sprangen deutsche Berufsfeuerwehrleute aus der Partnerstadt Frankfurt am Main in die Bresche. Bis zum 26. August waren ihre Pumpen eine Woche lang pausenlos im Einsatz.

Während sich das Katastrophenszenario in Prag oder im überschwemmten Chemiewerk Spolana bei Aussig durchaus auf deutschen Fernsehschirmen bzw. in den Zeitungen widerspiegelte, ging die nicht minder zerstörerische Kraft der Elbe bzw. Moldau in Aussig, Leitmeritz, Budweis oder dem böhmischen Rothenburg Krummau weitgehend "unter". Allein im nordböhmischen Raum um Leitmeritz wurden 31 Dörfer überschwemmt. Etliche Angehörige der deutschen Minderheit gehören zu den Leidtragenden.

Die Sudetendeutsche Landsmannschaft versucht nach Kräften, die Aufmerksamkeit auf diese Gebiete zu lenken. Ihr Vorsitzender Bernd Posselt rief bereits am 19. August nach einer Reise durch die zerstörten Orte und Landschaften "zu mitteleuropäischer Solidarität mit allen Hochwasser-Opfern" auf, und die Landsmannschaft ini-tiierte eine Spendenaktion.

Vielleicht bewirkt das Hochwasser so auch Positives: Es könnte vielen Tschechen zeigen, daß es auf der Grundlage der gemeinsamem Geschichte eine fortwirkende Schicksalsgemeinschaft zwischen ihnen und den (Sudeten-) Deutschen in Böhmen gibt.

Präsident Havel machte am 27. August einen weiteren Punkt aus, der nicht nur traurig stimmt: Die Fluten hätten besonders viele der schlecht gebauten Wohnblöcke aus kommunistischer Zeit beschädigt. Das eröffne die Möglichkeit, diese abzutragen und durch schönere zu ersetzen. - Das tschechische Staatsoberhaupt bestätigt damit die alte Weisheit, daß aus etwas Schlechtem oft auch Gutes erwächst.eleuropa