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12.10.02 / Kurswechsel: Am Ende des Marsches / Angela Merkel wendet die CDU offen nach links

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 12. Oktober 2002


Kurswechsel: Am Ende des Marsches
Angela Merkel wendet die CDU offen nach links
von Hans Heckel

Jetzt ist die Stunde der Angela Merkel. Nach der Niederlage eines Kanzlerkandidaten, den die Konservativen als einen der ihren ansahen, geht die CDU-Chefin mit Elan an die ideologische Neuorientierung ihrer Partei - nach links.

Noch zu Helmut Kohls Zeiten führten die Linksausleger - scheinbar - ein Dissidentendasein, mit Geißler und Frau Süssmuth als Galionsfiguren. Hinter den Kulissen aber, in den Gliederungen der Partei, begaben sie sich auf ihren "Marsch durch die Institutionen". Jetzt wähnen sie die Macht in ihren Händen, und sie gedenken sie zu nutzen.

Die Partei solle bunter, grüner, "zukunftsorientierter" werden, fordern, angeführt von Parteichefin Merkel, die CDU-Ministerpräsidenten im Saarland (Müller) und in Sachsen-Anhalt (Böhmer). Die Wähler, die der Union am 22. September zum Sieg fehlten, müßten die Christdemokraten in den Städten und dort insbesondere bei den Anhängern alternativer Lebensformen (heißt: alternativ zur klassischen Familie) gewinnen, die zur Zeit SPD, Grüne oder noch linker wählen, weil ihnen die Union nicht liberal genug erscheine. Das konservative Image des Kanzlerkandidaten habe den Sieg gekostet, so die General-Analyse.

Eine neue Arbeitsgruppe unter dem prononciert linken Unions-Chef von Nordrhein-Westfalen, Jürgen Rüttgers, soll den künftigen Kurs konkretisieren. Endlich scheint Wirklichkeit zu werden, wofür Heiner Geißler seit den 70er Jahren kämpfte: eine nach seinem Bilde ins gemäßigt linke Zentrum verschobene CDU.

Widerstand bleibt nicht aus, etwa vom thüringischen Minsterpräsidenten Vogel oder vom scheidenden Fraktionschef Merz. Daß letzterer aber gerade erst zurück ins Glied geschickt wurde und der Vorreiterin der neuen Linie, Merkel, Platz machen mußte, sagt viel aus über die Machtverteilung unter den beiden Lagern.

Die CSU ist in heller Aufregung, München sieht die Schwesterpartei im Nebel politischer Unkenntlichkeit versinken. Selbst Merkels taktisches Argument, in den Städten könne man nur mit den "weichen" Themen punkten, zieht nicht recht. Ein Jahr nach der Hamburger Schill-Wahl wirkt es beinahe lächerlich. Gerade weil sich die Hanseaten-Union kuschelweich gegeben hatte, blieb sie chancenlos. Erst ein Schill, der die harten, die "rechten" Themen wie innere Sicherheit auf den Tisch knallte, brachte nach 44 Jahren SPD-Herrschaft eine bürgerliche Mehrheit zusammen. Kurz darauf ging eine "weiche" Union bei der Berliner Landtagswahl sang- und klanglos unter.

Kandidat Stoiber schließlich zeigte, entgegen der Kritik der CDU-Linken, kaum noch konservatives Profil. Seine Imageberater hatten ihm "Netter-Onkel-für-alle" verschrieben und ihm zwecks Anbändelns mit den "neuen sozialen Milieus" eine unverheiratete Mutter als Familienexpertin zur Seite gestellt. Als Stoiber in der Irak-Debatte zu allem Überfluß die aus "unserer belasteten Vergangenheit" resultierende Verpflichtung (Franz Josef Strauß verspottete solcherlei Sätze als Phrasen von "Sühnedeutschen") gegenüber den USA ins Feld führte, riß manchem Konservativen endgültig der Geduldsfaden.

Einer darf sich über Frau Merkels Irrfahrt indes ungeteilt freuen: Ronald Schills Chancen werden, trotz innerparteilichem Tohuwabohu und einer verheerenden Bundestagswahl, schon bald wieder steigen.