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19.10.02 / Gedenken an den Bildhauer Stanislaus Cauer

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 19. Oktober 2002


Belebte Form
Gedenken an den Bildhauer Stanislaus Cauer
von Silke Osman

Gut 100 Jahre sind vergangen, da ein Mann dem Ruf Ludwig Dettmanns an die Königsberger Akademie folgte, der das kulturelle Leben am Pregel zu Beginn des 20. Jahrhunderts entscheidend mit geprägt hat: der Bildhauer Stanislaus Cauer. Er brachte "eine neue verinnerlichte, psychologisch betonte Kunstrichtung mit", lehnte aber eine impressionistisch-expressionistische Kunst eines Rodin oder Barlach nicht ab, sondern ließ das Neue auf sein eigenes Kunstschaffen wirken, so Herbert Meinhard Mühlpfort in einem Beitrag zum 100. Geburtstag des Künstlers im Ostpreußenblatt.

Stanislaus Cauer wurde am 18. Oktober 1867 als Sohn des Bildhauers und Malers Professor Robert Cauer d.Ä. und seiner Frau Auguste, geb. Schmidt, in Bad Kreuznach geboren. Er entstammt einer weitverzweigten Künstlerfamilie, die nicht weniger als elf Bildhauer hervorgebracht hat und gern mit dem Phänomen der Musikerfamilie Bach verglichen wird. Über seine künstlerische Begabung urteilte Cauer im Alter: "Von meinem Vater habe ich durch Vererbung die lyrisch romantische Begabung, die dann durch das Leben und Schaffen in Rom und die Bekanntschaft namhafter deutscher Künstler wie Louis Tuaillon, August Gaul, Artur Volkmann, August Kraus, Ludwig von Hofmann, Otto Greiner, Robert Wellmann und andere sich mehr zu einer klassischen plastischen Auffassung steigerte."

Schon im Alter von 15 Jahren kam der junge Stanislaus mit seiner Familie nach Rom, wo er im Atelier seines Vaters die Bildhauerei erlernte. Naturgemäß war der Schüler streng an die Tradition der Familie gebunden, seine ersten Aufgaben bestanden denn auch in der Bearbeitung des Marmors. Mit Erfolg offensichtlich, denn bereits mit 17 Jahren erhielt der junge Künstler einen Auftrag für eine Marmorfigur. Und seine lebensgroße "Psyche", ebenfalls in Marmor, wurde auf der Großen Berliner Kunstausstellung sofort verkauft.

Der Aufenthalt in Rom war für Stanislaus Cauer sehr fruchtbar. "Es waren nicht nur die Wunder des klassischen Rom, der unvergänglichen Schönheit seiner gewaltigen Ruinen, die Kirchen vieler Jahrhunderte, sowie die ungeheuren Sammlungen, die ihn aufs tiefste beeindruckten, er kam auch mit der kleinen deutschen Künstlerkolonie, dem Nachtrag der Zeit eines Josef Anton Koch, Thorvaldsen und der Nazarener, in Berührung und lernte italienische Künstler und Geistesführer kennen", so Mühlpfordt. Selbst hat der Künstler einmal über diese Zeit gesagt: "Es war und bleibt meine Kunstheimat, der ich meine Entwicklung als Mensch und Bildhauer verdanke."

Nach Studienreisen ins Ausland (unter anderem nach Holland und nach Paris) kehrte Cauer - er hatte 1897 in Rom geheiratet - im Jahr 1905 nach Deutschland zurück. Zwei Jahre lang lebte und arbeitete er in Berlin, doch "die Jagd nach Aufträgen" mißfiel ihm so sehr, daß er 1907 dem Ruf Dettmanns an die Kunstakademie in Königsberg als Nachfolger Reuschs gern folgte. Bis 1933 wirkte Cauer als Lehrer in der Stadt am Pregel und bis zu seinem Tod am 8. März 1943 schuf er dort sein "Lebenswerk für die Öffentlichkeit". - Mühlpfordt nennt in seinem Standardwerk "Königsberger Skulpturen und ihre Meister 1255-1945", Würzburg, 1970, allein für Königsberg 96 Arbeiten Cauers. Darunter auch drei Werke, die wie durch ein Wunder den Zweiten Weltkrieg und die nachfolgenden Wirrnisse überstanden haben: das Schillerdenkmal, das jetzt vor dem Schauspielhaus steht (urspürnglich 1910 bis 1936 am Stadttheater) und dessen Inschrift "Schiller" durch kyrillische Buchstaben ersetzt wurde und durch die Lebensdaten ergänzt wurde, den Puttenbunnen, über dessen Erhalt wir gerade berichtet haben und die Marmorfigur "Nach dem Bade". Über diese 1905/06 entstandende Arbeit schrieb Dr. Ulrich Baltzer in Westermanns Monatsheften: "... diese reife und schöne Frauengestalt, die - eben dem Wasser entstiegen - sich auf einer Stufe niedergelassen hat und Fuß und Knöchel abtrocknet, zeigt schon etwas Neues. Man spürt die wohlige Atmosphäre des Bades, der ganze Frauenkörper hat gelöste Weichheit. Die aus dem Marmorblock herausgehauene überlebensgroße Figur ist völlig plastisch, obwohl wie in früherer Zeit das Gefühl spricht. Nun der Künstler der Form und des Maßes sicher ist, kann er dem Gefühl freie Hand lassen, die Form mehr und mehr beleben ..."

In Königsberg, in ganz Ostpreußen fand man Arbeiten von Cauer, aber auch in Berlin, Dresden und Kassel. Es waren freie Arbeiten, aber auch Aufträge wie Kriegerehrenmale und Bildnisbüsten, Skulpturen ebenso wie Reliefs. Wie humorvoll der Künstler war, zeigt eine Begebenheit, die Mühlpfordt schilderte. Bei einer Führung von Studenten durch die alte Kunstakademie 1913 sagte Cauer schmunzelnd: "Ja manch einer kommt dann voller Begeisterung zu mir, um sich aushauen zu lassen - es ist dann oftmals nicht ohne Reiz, sein Gesicht zu betrachten, wenn ich ihm den Preis der Büste nenne - die Menschen haben von der Arbeit eines Künstlers doch recht sagenhafte Begrif-fe ..."

Und doch hat gerade der Aufenthalt in Ostpreußen, das Cauer als seine Wahlheimat betrachtete, entscheidend das Schaffen dieses Mannes beeinflußt. "Die Eigenart der Landschaft unterstützt ihn bei seinem Vorwärtsdringen ...", so Baltzer. "Die Form ist jetzt keine Schranke mehr, denn er erfüllt sie bis ins Letzte mit Leben und Bewegung. Alles wird gelockerter, freier ... weil Cauer von sich das Einsetzen der eigenen Persönlichkeit und das Bekennen ohne Phrase verlangt, hat ihm der Expressionismus einen mächtigen Impuls gegeben. Er fängt in seiner Künstlerschaft bei der Beziehung ,Ich und die Natur' an, mehr und mehr die erste Hälfte zu betonen."

Als Professor und Leiter der Bildhauerklasse gab Stanislaus Cauer auch vielen jungen Menschen Impulse mit auf den Weg. Zu seinen Schülern gehörten Otto Drengwitz, Christiane Gerstel-Naubereit, Hilde Leest und Paul Koralus, um nur wenige, auch heute noch bekannte zu nennen. Der Kunsthistoriker Dr. Günter Krüger, ein profunder Kenner der Geschichte der Königsberger Kunstakademie schrieb einmal über Cauer in unserer Wochenzeitung: "Cauer ... konnte ... anderthalb Jahre lang die revolutionären Unruhen der Akademie als stellvertretender Direktor in Schach halten, die nach seiner Ablösung wieder neu ausbrachen. Er hat also nicht nur in künstlerischer Hinsicht der Akademie zum Aufstieg verholfen, über die er schrieb: ,Das Leben an der Akademie war sehr unbürokratisch und frei, es wurde aber in den Ateliers der Lehrer und Schüler fleißig und erfolgreich gearbeitet.'" So mag er, der ein Jahr vor seinem Tod noch mit der Goldmedaille der Stadt Königsberg ausgezeichnet wurde, seiner eigenen Maxime im Leben und als Künstler gerecht geworden sein, als er sagte: "Das Ziel jedes wirklichen Künstlers wird es immer sein, über seine Zeit hinaus geschätzt zu werden."

Es war eine sehr fruchtbare und glückliche Zeit, die der Künstler im rauhen Norden seines Vaterlandes verbrachte. Und ein gnädiges Geschick bewahrte ihn davor, daß er den Untergang der alten Krönungsstadt der preußischen Könige erleben und aus seiner Wahlheimat Ostpreußen fliehen mußte. Auf dem Friedhof unterhalb der kleinen Juditter Kirche fand er seine letzte Ruhestätte.

 

Stanislaus Cauer: Der Meister in seinem Atelier ...

... und um 1928 mit Schülern der Königsberger Kunstakademie
Anmutig: "Nach dem Bade". Die kauernde Frauengestalt aus Marmor (1905/06) stand zuerst an der Mauer der Kunstakademie in Königsberg, wurde 1922 von der Stadt erworben und vor dem Schauspielhaus aufgestellt, Fotos: Archiv, privat