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26.10.02 / Es ist jedes Jahr dasselbe

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 26. Oktober 2002


Es ist jedes Jahr dasselbe
von Willi Wegner

Sie saß auf einer Bank im Park und las ein Buch. Es mußten allerlei unerfreuliche Dinge in diesem Buch stehen. Das Mädchen schüttelte wiederholt den Kopf und machte ein Gesicht, als ärgere es sich.

Die Kinder, die nebenan auf dem Spielplatz herumtollten, kannten dieses lesende Mädchen bereits recht gut, sie hatten sich schon richtig an seine Nähe gewöhnt. Bis vor kurzem hatte es sogar noch oft mit den Kindern gespielt. Ringelreihen, Drittenabschlagen und dergleichen. Aber seit geraumer Zeit war nichts mehr mit dem Mädchen anzufangen. Immer nur saß es ganz nachdenklich da und las.

Das Mädchen wollte gerade eine neue Seite umschlagen, als es einen Mann auf dem Parkweg daherkommen sah. Der Mann ging geradewegs auf das Mädchen zu, lüftete seinen Allwetterhut und sagte: "Gestatten Sie - darf ich hier auf der Bank neben Ihnen mit Platz nehmen?"

"Bitte sehr", sagte das Mädchen, "es ist ja ein öffentlicher Park."

Also setzte sich der nicht mehr ganz junge, aber doch noch sehr rüstige Mann neben das Mädchen auf die Bank. Er nahm eine Zeitung aus der Tasche, faltete sie auseinander und sagte: "Haben Sie schon die Wettervorhersage gelesen? Alle Achtung, gar nicht so übel! Ein Tief von Skandinavien!"

"Ja, ja", sagte das Mädchen, "das Wetter wird von Woche zu Woche schlechter. Es ist ein Jammer!" Der Mann wechselte das Thema: "Ich beobachte Sie übrigens schon seit Tagen ... Letzten Sonntag hatte ich bereits vor, Sie anzusprechen. Aber dann tat ich es doch nicht. Wie das so ist ... Ein trauriges Buch, in dem Sie da lesen?"

"Lustig ist es nicht", erwiderte das Mädchen, "aber daran läßt sich wohl nichts ändern. Man muß es nehmen, wie es kommt. Es ist die alte Geschichte ..."

"Von der Liebe?" fragte der Banknachbar. "Vom Abschiednehmen", sagte das Mädchen. "Ist das nicht dasselbe?"

"Vielleicht." Der Mann nahm einen Apfel aus der Tasche und biß hinein. "Borsdorfer Renette", sagte er kauend. "Die sind sehr gut geraten in diesem Jahr."

Das Mädchen klappte das Buch zu und meinte: "Es ist ja wohl nicht Ihr Verdienst, daß die Borsdorfer Renetten dieses Jahr so gut geraten sind."

"Wie man's nimmt", sagte der Mann und kaute weiter. "Natürlich - Bescheidenheit ist ganz und gar nicht meine Art. Aber auf die Apfelernte habe ich schon einen gewissen Einfluß. Nennen Sie es Angeberei, meinetwegen. Doch jedes Kind weiß, daß ich gewohnt bin, mächtig auf die Pauke zu hauen. Wo ich hinblase, da wächst kein Gras mehr!" Mit diesen Worten spuckte er das Gehäuse des Apfels in einem hohen Bogen auf den Parkweg. Dabei lachte er so laut, daß die Kinder auf dem Spielplatz aufmerksam wurden und erstaunt herübersahen.

"Sie sind wirklich ein arroganter Kerl!" sagte das Mädchen. "Sie sind mir höchst unsympathisch."

"Wenn Ihnen meine Gegenwart unangenehm ist", meinte der Mann, "dann können Sie ja gehen. Ich werde Sie nicht aufhalten."

"Ich war zuerst hier", sagte das Mädchen. "Ich saß schon hier, als Sie kamen."

"Sie sind mir ebenfalls unsympathisch", sagte der Mann. "Meinetwegen scheren Sie sich da hin, wo der Pfeffer wächst!"

"Höchstwahrscheinlich werde ich das auch tun", sagte das Mädchen. Langsam stand es auf. "Sie aufgeblasener Typ, Sie", sagte es. "Aber ich komme wieder, verlassen Sie sich darauf!"

Grinsend blickte der Mann dem davongehenden Mädchen nach und brach dann plötzlich in ein so lautes Lachen aus, daß die Blätter von den Bäumen wehten. -

Über ihm im Geäst eines Baumes hockten zwei alte Raben mit schon angegrauten Schläfen. Krächzte der eine: "Es ist jedes Jahr dasselbe mit den beiden! Wenn er kommt - dann geht sie! Die beiden können sich einfach nicht riechen. Sie sind zu verschieden."

"Ich schätze", krächzte der andere Rabe, "es wird nie ein Paar werden aus diesem Fräulein Sommer und dem Herrn Herbst!"

 

Herbst
von Konstantin Haase

Der See lehnt

an den Hängen des Nebels.

Das Wasser ist kaum sichtbar,

nur das Schreien der Krähen

dringt noch vor

bis zu unserem Ohr.

Die Verdunklung des Sommers,

sie kam so plötzlich.

Ich bin gekommen

über diesen Tag

wie eine Nacht.

 

Herbstlich
von Ingrid Würtenberger

Unsere Sommerweggenossen

verlassen nun das müde Land,

der weite Bogen

ist geschlossen,

wo sich Beginn und Ende fand.

Dem Krokus

gleichen Herbstzeitlosen,

buntfarben welken sie dahin,

Oktoberlicht

schenkt letzten Rosen

den trügerischen Glanz:

ich bin.

Vergessen bringt

ein letzter Traum,

die Aster wiegt ihn noch

im Garten,

ein Vogel singt ihn

tief im Baum:

Ein neues Glück

wird dich erwarten.