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16.11.02 / Tierische Lösung

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 16. November 2002


Tierische Lösung
von Kurt Baltinowitz

Vom Küchenfenster aus beobachtete Paul schon seit einigen Minuten seine Emma, wie sie gestikulierend am Gartenzaun mit der Meierschen irgend ein Problem bekakelte. Wahrscheinlich ging es wieder einmal um ein Seminar, das sie gemeinsam besuchen wollten. Erst neulich hatte Emma diesbezüglich Andeutungen gemacht. Paul sah es überhaupt nicht gern, wenn sein Puttchen sich immer von der fetten Tonne einlullen ließ, aber was sollte er dagegen machen, denn Emma hielt nun mal fest zu ihrer Freundin, mit der sie schon manches gegen seinen Willen durchgesetzt hatte. Und ganz mit der Meierschen sich zu erzürnen, wollte er schon gar nicht, denn nach wie vor stöberte sie auf Flohmärkten für ihn alte Spielzeug-Eisenbahnen auf, die nun mal zu seinem Hobby zählten.

Endlich trennten sich die beiden Frauen am Gartenzaun. "Na, habt ihr beide einen Kompromiß gefunden?" empfing Paul seine Emma. "Ach was, wir haben nur über allgemeine Dinge gesprochen." "Das sah aber gar nich danach aus, eher nach einem kleinen Streit, als wenn die Meiersche dir was einreden wollte", konterte Paul. "Nä, nä, eß nuscht ... Se hätt bloß e Värschloag gemoakt." "Un watt for eenen?"

Emma lächelte geheimnisvoll und sagte: "Also, wie du ja bereits auch mitgekriegt hast, wird mittlerweile alles teurer, und da ist es doch gar nicht so absurd, wenn man an einen Nebenverdienst denkt." "Wollt ihr eine Vertretung annehmen?" wollte Paul grinsend wissen. "Nich doch, Mannche", entgegnete Emma. "Kuck mal, wir haben so einen großen Rasen, nich wahr? Un du krakeelst jedesmal, wenn du ihn mähen mußt. Wir wollen dir doch bloß helfen."

"Ich versteh' nur Bahnhof", sagte Paul. "Habt ihr vor, mir zum Geburtstag einen elektrischen Rasenmäher zu schenken?" "Nein, kein Gedanke daran", erklärte Emma. "Wenn meine Freundin und ich unser Vorhaben durchsetzen können, dann geht das ziemlich schnell über die Bühne. Zuerst müssen wir noch mit dem Händler verhandeln, wann und zu welchem Preis er liefern kann. Vor allem müssen wir uns noch über die Menge einigen."

"Du blubberst doch schon wieder dummes Zeug zusammen, Emmchen", bemerkte Paul kopfschüttelnd. "Offensichtlich hat dich die Meiersche zu etwas überredet, was wieder total in die Hose geht. Und dann ..." "Du wirst uns dankbar sein, wenn wir unseren Plan verwirklicht haben. Ich darf dich bitten, möglichst in den nächsten Tagen, den Geräteschuppen auszuräumen. Den Krempel kannst ja im Keller unterbringen." "Also krieg' ich wohl doch einen Rasenmäher von euch zum Geburtstag geschenkt. So einen großen, auf vier Rädern mit Schneeschieber vorne dran", lästerte Paul, nahm sein Puttchen in den Arm und meinte: "Weißt du, Emma, sei mir nicht böse, aber ich hab' keine Lust mehr, mich auf die Folter spannen zu lassen. Wenn ihr beide tatsächlich ein so weltbewegendes Vorhaben ins Auge faßt, dann bin ich gern bereit, mich überraschen zu lassen, aber jetzt mach deine köstliche Erbsensuppe von gestern warm. Ich bin schon bald am Verhungern."

Emmas Wunsch nachkommend, räumte Paul den Geräteschuppen aus. Was das bedeuten sollte, wollte ihm nicht in den Sinn. Sein Blick fiel auf den ausgedehnten Rasen. In der Tat graulte es ihm jedesmal, die große Fläche mit dem Handmäher, den er meistens schimpfend vor sich herschob, zu bearbeiten. Insgeheim hoffte er nun doch, daß ihm die beiden Frauen einen modernen, motorgetriebenen Rasenmäher schenken würden. Doch irgendwie ahnte er, daß die ganze Angelegenheit einen Haken haben würde.

Einige Wochen waren vergangen. Das Gras auf dem Rasen wurde immer höher. Paul plante fest ein, es in den nächsten Tagen zu mähen. Es war an einem Samstag. Schon frühmorgens war Paul zu einem Kollegen im Nachbarort gefahren, um ihm beim Ausheben einer Sickergrube zu helfen. Nach getaner Arbeit nahm man sich noch einen zur Brust. So wurde es natürlich etwas später, als eingeplant, daß Paul zu Hause ankam, freudestrahlend von seiner Emma empfangen, die ihn schnurstracks in den Garten, zum Geräteschuppen, führte. Die Sonne war gerade untergegangen. Emma öffnete die Tür. Sofort begann es zu blöken und zu meckern. Penetranter Gestank kroch in Pauls Nase. Ein paarmal rieb er sich die Augen. Sah er eine Fata Morgana? Er hatte doch nur drei Flaschen Bier getrunken.

"Na, Lorbaß, watt sächst nu?" fragte Emma mit gewissem Stolz in der Stimme. "Nu brukst du nich mehr ..." "Wie bist du bloß auf die blöde Idee gekommen?" fragte Paul fassungslos. "Und dann der fürchterliche Gestank!" "Das ist nur der Ziegenbock", meinte Emma lächelnd. "Aber du wirst doch wohl zugeben müssen, Mannche, daß unsere Idee Hand und Fuß hat. Ökologisch und ökonomisch gedacht: Die Schafe garantieren, daß der Rasen immer gemäht ist, und wir haben Wolle-Lieferanten. Ja, und die Ziegen geben Milch. Außerdem läßt sich der Nachwuchs gut verkaufen. Du brauchst keine Angst zu haben, wir behalten nur die Hälfte der Tiere. Die andere holt sich die Meiersche, wenn sie ihren Stall fertig hat. Das Dach ist noch nicht ganz fertig."

Schon wieder einmal hatte Emma ihren Mann vor vollendete Tatsachen gestellt. Am liebsten hätte er die Ziegen und Schafe zum Teufel gejagt, doch als er in Emmas treue und bittende Augen sah, gab er sich geschlagen und nickte zustimmend, bemerkte jedoch: "Aber das Stinktier bleibt mir nicht hier!" "Bereits alles geklärt", verkündete Emma. "Der Ziegenbock wird bei der Meierschen Logis beziehen. Hat viel Intelligenz gekostet." "Nanu?" stutzte Paul. "Wir haben geknobelt", verkündete Emma stolz. "Du kannst doch gar nicht knobeln!" "Dä Meiersche oak nicht!" "Und du hast einfach gewonnen?" "Selbstverständlich! Einer mußte doch gewinnen ..." "Hab' ich doch schon immer gesagt", murmelte Paul vor sich hin. "Was denn?", forschte Emma. "Daß du ein ganz, ganz schlaues Marjellchen bist!"