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16.11.02 / Gute Menschen in Florenz, böse in der Tagesschau und ganz neue in Brüssel

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 16. November 2002


Grundrecht auf Randale
Gute Menschen in Florenz, böse in der Tagesschau und ganz neue in Brüssel
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Eine traurige Woche. Überall hieß es Abschied nehmen. Nicht allein von Rudolf Augstein. Adieu sagten wir auch dem Politiker Jürgen W. Möllemann, dem Hartz-Konzept, der vagen Aussicht auf eine Reform von Renten- und Sozialsystem oder auf einen bescheidenen wirtschaftlichen Aufschwung. Alles aus.

Aber die Show geht weiter: Was staatliche Schnüffler und Medienagenten bislang über die Finanzkapriolen um Jürgen W. Möllemann ans Licht gefördert haben, ist mindestens so spannend wie das Innenleben eines Mafiakartells. Konten in Liechtenstein und Monaco, windige Transfers über Panama, eigenartige Millionenzuwendungen aus den Arabischen Emiraten, Öl, Waffen - und mitten in dem Halbdunkel immer wieder der Name eines schillernden Politikers. Der Stoff wäre allemal gut für einen peppigen Politkrimi im Abendprogramm der ARD - jetzt gibt es so etwas Tolles in der Tagesschau! Für Rot-Grün gleicht das Schmierentheater einem wunderbaren Entlastungsangriff. Wer möchte angesichts solcher Szenen noch einen Gedanken verschwenden an das öde Gewürge einer impotenten Regierung, die offenkundig nichts so hart getroffen hat wie ihre eigene Wiederwahl?

Die Musikindustrie schon: Sie hat mit ihrer feinen Nase für Trendiges den schrägen Unterhaltungswert des Chaos-Kanzlers entdeckt. Am Montag brachte der bekannte Stimmenimitator Elmar Brandt eine neue Platte heraus. Star der Scheibe: Schröder - als zynischer Raffke und notorischer Lügner. Die CD "Die Gerd Show: Der Steuersong" dürfte sich blendend verkaufen. Der Text ist nicht eben lyrisch zu nennen. Mit lauen Vorgängern, über die selbst der Amtsinhaber noch lachen konnte (wie Stefan Raabs hingeworfenes "Hol mir ma ne Flasche Bier" etc.) hat der jüngste Schwank gleichwohl wenig gemein. Textprobe: "Was du heute kannst versprechen, darfst du morgen wieder brechen. Und drum hol ich mir jetzt jeden einzelnen Schein, euer Pulver, eure Kohle, euer Sparschwein...". Das schmerzt den Spaßkanzler.

Politiker fürchteten, Sensationsreporter hofften er werde ein "zweites Genua": Der Marsch der "Globalisierungsgegner" durch Florenz. Dann quollen alle über vor Begeisterung und Anerkennung, wie friedlich das Spektakel ausgegangen sei. Es ist demnach schon Lobpreisungen wert, wenn sich Linksradikale einmal nicht prügelnd und brandschatzend durch die Straße wälzen. Augenscheinlich zählt es zu den Grundrechten einer bestimmten politischen Klientel, unsere Städte zu zerstampfen. Alle müssen wir dankbar sein, wenn sie in ihrer Huld davon keinen Gebrauch macht. Keine Silbe war den Berichterstattern die Frage wert, wer genau da eigentlich demonstriert hat - und für welche Ideologie? Lauter harmlose Menschenfreunde, die für ausgebeutete Kinder und gefeuerte Industrie- oder landlose Landarbeiter streiten, so die Botschaft.

Mitgeführte Fahnen und Transparente verrieten etwas anderes: Die Flagge der kubanischen Diktatur, die Embleme diverser kommunistischer Parteien oder das Konterfei Che Guevaras deuteten weniger auf eine "neue soziale Bewegung" hin als auf die unbelehrbaren Wiedergänger einer blutroten Tyrannei, deren Weg durch die Geschichte von hundert Millionen Leichen gesäumt ist. Erstaunlich, was Medien alles übersehen können, wenn sie nur beharrlich wollen.

Israels frisch gebackener und aus früheren Rollen wohlbekannter Außenminister Benjamin Netanjahu überraschte uns zum Wochenende mit einer anregenden Idee. Auch sein Land solle nun Mitglied der Europäischen Union werden. Als Beitrag zur Lösung des Nahost-Konflikts mittels seiner Verlagerung nach Brüssel, sozusagen.

Nach der Türkei auch Israel in die EU? Das wirft grundsätzliche Fragen auf: Gehören nicht auch Argentinien oder Paraguay - in gewissem Sinne - zu Europa? Und wann kommen wir endlich in die Opec? Spanien in den Nordischen Rat? Island in die Organisation für Afrikanische Einheit? Protestanten in den Jesuitenorden? Fürwahr, es ist Zeit, die alten Barrieren niederzureißen und das rückwärtsgewandte Denken zu überwinden, das so viele Menschen diskriminiert. Am glücklichen Ende sind dann alle überall drinnen, haben zwölf belanglose Pässe aus sechzehn ruinierten Wirtschafts- und Politgemeinschaften und können der "gesellschaftlichen Wirklichkeit", die dann herrscht, nirgendwohin mehr entfliehen.

Sogar die Koalitionsmehrheit würden sie notfalls kippen, um die Rentenbeitrags-Erhöhung im Reichstag platzen zu lassen, trompeteten knallharte grüne Prinzipienträger tagelang ins Land. Am Montag ließen sie die Katze endlich aus dem Sack. Heraus kam der Kadaver ihrer geschundenen Glaubwürdigkeit.

Sie würden zustimmen, aber nur unter "Bedingungen", hieß es: Noch vor dem Parlamentsbeschluß müsse die Regierung "schriftlich" einen Arbeitsauftrag für eine neue Kommission (die wievielte?) erteilen, die bis Ende 2003 (!) Vorschläge zur Senkung der Lohnnebenkosten ausarbeiten solle. Dies biete die Perspektive, Reformschritte noch in dieser Legislaturperiode einzuleiten. Aus den schwammigen Sätzen trieft die ganze trostlose Wahrheit: "Perspektive" einer Reform statt der Reform selbst, und dann wird auch nur "eingeleitet" statt umgesetzt - ungetrübter hat uns lange keine Regierungspartei mehr mitgeteilt, was sie zu tun imstande ist: Nichts.

Plattendeckel der CD "Die Gerd Show: Der Steuersong", 6,95 Euro, zu bestellen bei Preußischer Mediendienst, Tel.: 040-414008-27