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23.11.02 / Der Landtag in Schleswig-Holstein erhöht die Diäten - der Bürger schaut in die leere Geldbörse

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 23. November 2002


Mehr Geld für die Volksvertreter
Der Landtag in Schleswig-Holstein erhöht die Diäten - der Bürger schaut in die leere Geldbörse

Am 13. November brachten die Fraktionen der SPD und der FDP im schleswig-holsteinischen Landtag den Gesetzentwurf zur Erhöhung der Diäten der Landtagsabgeordneten um insgesamt 5,7 Prozent zur ersten Lesung ein. Die erste Hälfte soll zum 1. Januar 2003 gezahlt werden, der Rest sechs Monate später. Damit wird die Grunddiät pro Abgeordnetem bei 4.150 Euro liegen. Hinzu kommen bei mehr als der Hälfte der Abgeordneten sogenannte "Funktionszulagen", die beispielsweise beim Fraktionsvorsitzenden zur Verdoppelung der Diäten führen. Allerdings hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß diese Zulagen verfassungswidrig sind. Des ungeachtet werden auch sie um insgesamt 5,7 Prozent wachsen. Nun geht das Gesetz in die Ausschüsse. Da SPD und FDP zusammen die Mehrheit haben, werden wohl die Volksvertreter in den Genuß von Bezügen kommen, von denen manche zu den Zeiten, als sie noch ihren erlernten Beruf ausübten, nur träumen konnten.

Nur zwei Tage später erklärte in demselben Landtag SPD-Finanzminister Möller offiziell die "wirtschaftliche Notlage" des Landes. Er geht, wie auch die Bundesregierung und fast alle anderen Landesregierungen, von einer "Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts" aus. Nach dieser Ausrufung des wirtschaftlichen Notstandes wird er in die Lage versetzt, neue Schulden zu machen, die über die in der Verfassung festgeschriebene Kreditobergrenze hinausgehen. Das Land ist am Rande der Pleite. Bereits jetzt ist Schleswig-Holstein mit mehr als 6.700 Euro pro Kopf das am stärksten verschuldete Flächenland der alten Bundesländer. Grund sind die enormen Ausfälle von insgesamt 430 Millionen Euro Steuern für das laufende Jahr. Im nächsten Jahr wird mit einem Minus von 282 Millionen Euro gerechnet. Eine Besserung ist nicht in Sicht. Schuld gibt man einer offenbar anonymen "schlechten Konjunktur", die wie vom Himmel gefallen ist. Verantwortlich fühlt sich niemand.

Wenigstens die CDU-Fraktion machte die peinliche Diätenregelung nicht mit. Ihr Plan: Nachdem die Abgeordneten im letzten Jahr eine Null-Runde bei der Diätenerhöhung hingenommen hatten, soll diese Enthaltung angesichts der katastrophalen Lage um ein halbes Jahr verlängert werden. Dann sei eine Diätenerhöhung fällig, die aber erst zum 1. Juli 2003 wirksam wird.

Dabei sollen alle Funktionszulagen ausgenommen werden. Gekoppelt werden soll mit der späteren Diätenerhöhung die längst fällige Diäten-Strukturreform, also die grundlegende Änderung der "Funktionszulagen", sowie die Verringerung der Zahl der Wahlkreise, damit endlich die von der Verfassung vorgeschriebene Zahl von 75 Abgeordneten eingehalten wird, statt der derzeit 89 Parteienvertreter. Die Verkleinerung des Landtages wird seit langem von der SPD verhindert, weil sie offenbar bewährten Parteigenossen lukrative Landtagssitze offenhalten will.

Zugegeben: Seit einem Jahr sind die Diäten in Kiel nicht erhöht worden. Viele halten das für recht und billig, zumal nicht jeder der im Landtag sitzenden Damen und Herren als Leistungsträger bezeichnet werden kann. Aber ist die Erhöhung gerade jetzt in der wohl tiefsten finanziellen Krise des Staates politisch und moralisch zu vertreten? Schnodderig antwortete darauf Landtagspräsident Ahrens (SPD): "Diätenerhöhungen kommen immer zur falschen Zeit", so unbewußt zugebend, daß die Bürger nicht gar so viel halten von ihren Abgeordneten.

Bemerkenswert auch die Begründung des SPD-Fraktionsvorsitzenden Lothar Hay. Nach der Devise "Die Demokratie bin ich" ermahnte er die Bürger, sie sollten mit ihrer Zustimmung zur Diäten-Erhöhung endlich beweisen, daß ihnen die Demokratie etwas wert ist.

Die Bürger können das Verhalten ihrer Abgeordneten längst nicht mehr verstehen. Die Landesregierung unter Heide Simonis hegt den Plan, die Einkommen der Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes kräftig zu beschneiden. Die Rede ist von Gehaltskürzungen von zehn Prozent, von Kürzung des Weihnachtsgeldes und Streichung des Urlaubsgeldes. Das trifft vor allem die kleineren Einkommen. Und so gingen denn einen Tag, nachdem der Antrag auf Diäten-Erhöhung von SPD und FDP im Landtag eingebracht worden war, 10.000 Demonstranten aus Polizei, Lehrerschaft, Feuerwehr, Justiz auf die Straße, um deutlich zu machen, daß sie die Finanzpolitik von Regierung und Landtag nicht länger mitmachen.

Die Sprechchöre hallten von den Mauern des Landeshauses wider: "Heide muß weg!" Eine Dampfwalze mit Transparenten "Frau Simonis macht die Polizei platt" überfuhr symbolisch eine in eine Polizeiuniform gekleidete lebensgroße Puppe. Sprecher der Gewerkschaften griffen die Landesregierung scharf an, sie behandele Beschäftigte "wie Leibeigene", und beschuldigten sie, Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes "zu verunglimpfen". Einer trug ein Schild: "Stoiber statt Simonis - für mehr Biß". "Nicht nur Politiker haben höhere Lebenshaltungskosten, sondern wir auch", äußerte einer der Demonstranten, dabei auf die Diäten-Erhöhung der Parlamentarier hinweisend.

Die Antwort der Volksvertreter im Landtag: Die Demonstration trage "totalitäre Züge", so der SPD-Abgeordnete Puls, der den Gewerkschaftsspitzen vorwarf, sie hätten sich als "Aufheizer und Einpeitscher" betätigt und die Polizei- beamten offen zum "Aufstand" aufgerufen. Man hört nichts davon, daß sich Abgeordnete wenigstens mitverantwortlich fühlen für den Niedergang der Wirtschaft und damit der Staatsfinanzen - nicht einmal aus den Reihen der die Regierung und den ihre Politik tragenden Parteien SPD und Grünen kommen nachdenkliche Stimmen zu der von ihnen getriebenen Politik. Sie alle haben mit dem Desaster nicht, zu tun, meinen sie. Und sie verlangen in allem Biedersinn die Erhöhung ihrer Einkommen, auch wenn sich dadurch das Land noch mehr verschulden muß. Offenbar trauen sie sich selbst keinerlei Einfluß auf die Entwicklung zu.

Damit stellen sie ihre politische Existenz selbst in Frage und merken es nicht einmal. Hans-J. von Leesen