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23.11.02 / Polnische Archivpolitik: Unliebsame Besucher

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 23. November 2002


Polnische Archivpolitik: Unliebsame Besucher
Umgang mit vermeintlichen "Beutedeutschen" hat sich normalisiert

Es gibt zahlreiche Personen, die sich bei der Suche nach Dokumenten, die ihre deutsche Herkunft bestätigen sollen, an die polnischen Staatsarchive wenden. Meist geht es ihnen um die sogenannte Deutsche Volksliste (DVL) der Kriegszeit oder um Deklarationen bezüglich einer zwischen 1940 und 1945 erfolgten Annahme der deutschen Nationalität.

Schätzungen zufolge haben damals in den besetzten polnischen Gebieten sowie im früheren Freistaat Danzig über eine Million Menschen eine derartige Erklärung abgegeben. Allein in Pommerellen waren es einige hunderttausend Menschen, in der Hauptsache Kaschuben.

Noch bis vor nicht allzu langer Zeit erhielt jede in dieser Angelegenheit an die Archive herantretende Person die gleiche monotone Antwort, wonach "die Bitte um Einsicht in die Dokumente sowie die Herausgabe von diesbezüglichen Kopien abgelehnt wird, da dies die rechtlich geschützten Interessen des polnischen Staates und seiner Bürger verletzt".

In Polen galt und gilt die Ansicht, daß diese Annahmen der deutschen Nationalität unter Zwang sowie unter der Drohung von Freiheitsstrafen erfolgte und eine Verweigerung mitunter auch mit dem Leben bezahlt werden mußte.

Vor diesem Hintergrund stellen die genannten Archivbesucher ein Problem dar. Denn die Kinder und Enkel vermeintlicher "Beutedeutscher" wollen mit den entsprechenden Kopien beim Bundesverwaltungsamt in Köln Anträge auf Bestätigungen stellen, aus denen hervorgeht, daß auch sie - erblich übernommen von ihren Vorfahren - die deutsche Nationalität und Staatsangehörigkeit besitzen. Sie untergraben damit natürlich die polnische These von der zwangsweisen "Germanisierung".

Um das Einreichen derartiger Anträge zu verhindern oder zumindest zu erschweren, wurde eine politische Entscheidung gefällt, die schon die Einsicht in die betreffenden Dokumente verhinderte. Das bedeutete eine bewußte Verletzung der Bürgerrechte. Nachdem Mitglieder des "Bundes der Deutschen Minderheit in Danzig" deshalb interveniert hatten und eine Klageschrift für den Europäischen Gerichtshof vorbereiteten, erhielten sie am 31. Mai 2001 ein Antwortschreiben, das wichtige Änderungen der Archivpraxis einleitete.

Der Direktor der Staatlichen Archive in Warschau, der zugleich allen polnischen Archiven vorsteht, ließ darin die Auffassung bestätigen, daß die Verwehrung von Einsicht oder die Herausgabe einer Kopie an die unmittelbar Betroffenen deren Bürgerrechte verletze. Dann gab er bekannt, er habe Anweisung gegeben, die Benachteiligungen sofort einzustellen.

Zugleich betonte der Direktor, daß eine Beglaubigung der entsprechenden Kopien durch die Archive nicht möglich sei, da den Schriftstücken damit der Rang eines von Polen anerkannten Dokuments eingeräumt würde. In einigen Archiven werden seither die Kopien sogar mit einem eigenen Informationsstempel versehen, der das Papier als "nicht-dokumentarisch" ausweist und somit dessen Authentizität in Frage stelllt.

Darüber hinaus ist jegliche genealogisch ausgerichtete Dokumentensuche in polnischen Archiven gebührenpflichtig, und die Gebühren für die einzelnen Leistungen sind insbesondere für Ausländer recht hoch.

Immerhin benötigen nicht-polnische Bürger heute keine Genehmigung des Direktors der Staatlichen Archive in Warschau mehr, um zu den Beständen Zugang zu erhalten. Ein Antrag vor Ort reicht aus, was dem Nutzer eine Menge Zeit und Nerven spart. Gerhard Olter