19.04.2024

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23.11.02 / Alles hat seine begrenzte Zeit

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 23. November 2002


Alles hat seine begrenzte Zeit
von Günter Schiwy

Vor wenigen Wochen rief mich ein guter Bekannter aus meinem Heimatdorf an. Er hatte verschiedentlich Kreuzofen besucht. Da ich wußte, daß er ein guter Fotograf ist, vereinbarten wir, unsere besten Fotos auszutauschen. Deshalb wollte er mich besuchen. Außerdem wollten wir einige Erinnerungen auffrischen!

Vor wenigen Tagen erhielt ich nun die traurige Nachricht, daß mein Dorfnachbar plötzlich an Herzinfarkt verstorben ist. Es gibt mit ihm keinen Foto- und keinen Jugenderinnerungsaustausch mehr. Plötzlich verstorben! Auf einmal werden andere Dinge, die eben noch so groß und wichtig waren, klein und schlagartig unwichtig!

Wenige Tage vor Weihnachten führte ich mit ihm noch ein längeres Gespräch. Er traf Vorbereitungen für den nächsten Urlaub. Dabei fragte er mich, ob ich nicht ein gutes Quartier für ihn in Kreuzofen wüßte. Ich habe ihm zwei Anschriften genannt. Nun wird er diesen Heimaturlaub nie mehr antreten. Aus und vorbei! Es wird auch keine weiteren Dialoge mit ihm geben!

Das Gespräch mit dem Bekannten habe ich an dem Abend abbrechen müssen, weil der Pflegedienst klingelte, um meine bettlägerige und gelähmte Frau zu versorgen. Doch ich sagte zu ihm: "Ich rufe zurück!" Nachdem der Pflegedienst fort war, rief ich den Dorfnachbarn an. Heute stimmt es mich froh, daß wir dieses Gespräch hatten. Es gibt nämlich Dinge im Leben, die lassen sich nicht nachholen.

Das plötzliche und unverhoffte Ableben eines lieben Menschen zeigt mir, wie wichtig es ist, Zeit für den anderen zu erübrigen, wenn er mit uns reden will, wenn er uns braucht. Doch sein Tod zeigt mir erneut, was ich bereits längst weiß: Wir haben keinen Anspruch auf das Leben! Es ist uns nur leihweise überlassen. Wir stehen täglich auf Abruf! Folglich ist es ein begrenztes Leben!

Da streiten wir uns oft um belanglose Dinge und vertun damit einen Teil unseres begrenzten Lebens, unserer wertvollen Zeit! Wir sollten sie mehr nutzen, und zwar positiv und in gutem Sinne. Je älter ich werde, um so mehr wird es mir bewußt, daß wir hier auf Erden nur eine begrenzte Zeit zur Verfügung haben. Wir leben eben nur eine kurze Zeitspanne! Es ist nicht selbstverständlich, daß wir den nächsten Tag erleben. Daran einmal zu denken und erinnert zu werden ist gut, wenn wir Wochen, Monate und Jahre unnütz verplanen. Wir kommen dann der Erkenntnis näher, uns in Dankbarkeit zu üben, wenn wir uns bewußt werden, daß wir sterben müssen. Ein dankbarer Mensch ist jemand, der nichts für selbstverständlich hält. Wenn man nämlich weiß, wie wenig selbstverständlich eine Freundschaft ist, ist man eher zur Dankbarkeit bereit.

Der Wert der Zeit darf nicht immer nur an der Zukunft, an der Ewigkeit gemessen werden. Es geht meistens um die Zeit jetzt im Augenblick, in der Gegenwart! Zeit haben, hieße dann: Zu einer bestimmten Zeit, wo ich unbedingt gebraucht werde, da zu sein! So wie der barmherzige Samariter Zeit hatte, um sie sinnvoll zu nutzen! Zeit für den anderen haben heißt: Die Chance der Gelegenheit hier und heute nutzen: in Worten und in Taten!

Die Zeit besitzt nach meinen Erfahrungen die allergrößte Macht über den Menschen! Neben ihr sind es vor allem noch die Landschaft und das Klima, die schick-salhaft die Wesensart des Menschen prägen. Zeit und Ort sowie die äußeren Umstände sind Ordnungssysteme des Lebens, denen sich der einzelne von uns nicht zu entziehen vermag. Diese Wirkungskraft bestimmt unser Schick-sal entscheidend: die höhere Macht oder Gottes Hand!