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23.11.02 / Gottes Atem ist nicht vergänglich

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 23. November 2002


Gottes Atem ist nicht vergänglich
von Dietrich Sandern, Pfarrer i. R.

Jedes Leben, das entsteht, hat schon den Keim des Todes in sich. Der Ewigkeitssonntag regt uns an, ja fordert uns gleichsam auf, wesentlichen Fragen ein wenig mehr als sonst nachzugehen: Was ist Leben, was ist Tod? Woher kommt das Leben, wohin geht es? Was ist der Sinn all dessen, was zwischen Entstehen und Vergehen liegt? Diese Fragen stellen sich alle Menschen, bewußt oder nicht so bewußt. Die Antworten fallen aber ganz unterschiedlich aus, je nachdem welches Menschenbild, welches Weltbild, welches Gottesbild der einzelne hat, ob er in einer religiösen Bindung lebt und in welcher Religion, in welchem Glauben er aufgewachsen ist, der sein Leben geprägt hat.

Leben - ja, was ist Leben? Die Bibel sagt: "Da formte Gott, der Herr, den Menschen aus Erde vom Ackerboden und blies in seine Nase den Lebensatem. So wurde der Mensch zu einem lebendigen Wesen." (Gen 2,7). Der Mensch ist also Geschöpf Gottes, von der Erde genommen, vergänglich. An jedem Aschermittwoch werden wir daran erinnert: "Bedenke Mensch, daß du Staub bist und wieder zum Staub zurückkehren wirst." Der Keim des Todes steckt in uns. Aber es ist noch etwas anderes: Der Lebens-atem, den Gott uns bei der Erschaffung eingeblasen, eingehaucht, eingegeben hat. Und dieser Atem Gottes ist nicht vergänglich. Er ist die unsterbliche Seele, die einmal zu Gott "zurück-kehrt".

Hier wird deutlich, daß der Mensch nicht auf die Erde, auf die Vergänglichkeit ausgerichtet ist, sondern auf eine Zukunft, die Raum und Zeit übersteigt; auf eine Zukunft, in der der Mensch durch den Atem Gottes alle Begrenztheit übersteigt, also ewig lebt. Das, was durch die Erdverhaftetheit unvollkommen ist, findet seine Erfüllung und Vollendung in der Ewigkeit. Der Tod ist diese Grenzlinie, die jeder Mensch überschreiten muß, um die Erfüllung des Lebens zu finden.

Der Tod ist für uns mit Schrecken behaftet, mit Leiden, mit Leid und Trauer. So wie wir von Anfang an mit dem Leben den Keim des Todes in uns tragen, so wehren wir uns naturgemäß gegen die Aufhebung des Lebens. Denn damit werden auch alle Erwartungen und Hoffnungen, alle Pläne für dieses Leben auf der Erde zunichte gemacht. Dieser Teil unseres Menschseins ist eben sehr stark. Gott hatte dem Menschen einen Auftrag gegeben: "... bevölkert die Erde, unterwerft sie euch und herrscht über ...." (Gen. 1,28), sowie "Gott, der Herr, nahm also den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte" (Gen. 2,15). Arbeiten, Schaffen gehört zu unserem Menschsein dazu, ist ein Stück unseres Wesens, unserer Natur. Deshalb auch die Ausrichtung auf die Erde. Und es ist richtig: wir sollen die Erde, die Welt mit all unseren Kräften und Fähigkeiten, die Gott uns gegeben hat, formen und gestalten. Aber das ist nicht das eigentliche Ziel unseres Lebens. Je mehr wir uns aber darauf ausrichten und versteifen, desto mehr taucht die Frage nach dem Sinn all dessen auf, wenn im Tod doch alles zu Ende ist, aus und vorbei, das war's dann. Was für einen Sinn hat mein Arbeiten, mein Leiden, mein Versagen und meine Freude - "nur", daß eine neue Generation weitermacht? Wofür? Oder daß ich mein Leben genossen habe, vielleicht in vollen Zügen? Ich halte den Satz in manchen Todesanzeigen für schlimm: "Sein Leben war nur Arbeit." Mehr war es nicht?

"In dir leben wir, in dir bewegen wir uns und sind wir." Das sollten, das dürfen wir uns immer wieder bewußt machen: Wir sind nicht nur von Gott ins Dasein gesetzt, sondern er lebt mit uns; wir leben in seiner Nähe und Gegenwart. In ihm erfüllen wir unseren Lebensauftrag. Unser Leben ist in ihm aufgehoben und geborgen. Seine Liebe umgibt uns wie die Luft, die wir atmen, wie das Wasser, in dem der Fisch leben kann. Das ist gut so, denn dann brauchen wir nicht alles selbst zu leisten, wir können, wir dürfen, ja wir sollten auch loslassen, letztlich sogar uns selbst.

Seien wir uns dessen bewußt: "Wir sind nur Gast auf Erden und wandern ohne Ruh mit mancherlei Beschwerden der ewigen Heimat zu." Manchmal machen wir auch die leidvolle Erfahrung: "Die Wege sind verlassen, und oft sind wir allein. In diesen grauen Gassen will niemand bei uns sein." Aber dann dürfen wir auch die andere Erfahrung machen: "Nur einer gibt Geleite, das ist der Herre Christ; er wandert treu zur Seite, wenn alles uns vergißt." Durch den allzu starken Blick auf die Erde verstellen wir uns mitunter selbst den Weg zum Vaterhaus. Aber Gott gibt uns immer wieder Zeichen - die wir allerdings manchmal nicht verstehen oder auch nicht verstehen wollen! -; und stellt ein Licht auf, daß wir doch noch das Ziel erreichen, "nach Hause finden".

"In ihm - in Jesus Christus - erstrahlt uns die Hoffnung, daß wir zur Seligkeit auferstehen. Bedrückt uns auch das Los des sicheren Todes, so tröstet uns doch die Verheißung der künftigen Unsterblichkeit. Denn deinen Gläubigen, o Herr, wird das Leben gewandelt, nicht genommen. Und wenn die Herberge der irdischen Pilgerschaft zerfällt, ist uns im Himmel eine ewige Wohnung bereitet." (Toten-Präfation). Wir können beherzt unser Leben leben und ebenso getrost in die Zukunft schauen. Der Ewigkeitssonntag zeigt uns den Weg zur Ewigkeit, zum ewigen Leben.

 

Adalbert Jaschinski: Heiligelinde (Öl, 1970) 

Gottes Stimme
von Gertrud Arnold

Deine Stimme kann ich hören

trotz des Lärmens dieser Zeit,

sie will führen,

will mich lehren,

was ich brauch zur Ewigkeit.

Laß die Quelle nie versiegen,

sie bedeutet Leben, Licht,

ohne sie wir unterliegen,

und der Glaube

schnell zerbricht.