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07.12.02 / Mit den Augen der Sieger / Englischer Bestseller über das Ende des Zweiten Weltkrieges erzählt nichtsNeues

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 07. Dezember 2002


Mit den Augen der Sieger
Englischer Bestseller über das Ende des Zweiten Weltkrieges erzählt nichtsNeues

Bereits im Vorfeld wurden große Erwartungen geweckt: Antony Beevors Buch "Berlin 1945 - Das Ende 1945", das in England ein Bestseller geworden ist, werde in Deutschland "verdrängte Geschehnisse ins Bewußtsein heben", nämlich die Ereignisse an der Ostfront am Ende des Zweiten Weltkrieges, vom Überschreiten der deutschen Grenze durch Einheiten der Sowjetarmee bis zur Eroberung Berlins. Vor allem hob man in den Vorankündigungen hervor, daß sich wie ein roter Faden durch das militärische Geschehen das Unmaß an Greueln zöge, derer sich die Rote Armee schuldig gemacht habe, die Massenvergewaltigungen, die Morde an Zivilisten und Kriegsgefangenen.

Nun ist die deutsche Fassung auf dem Markt, und die Enttäuschung ist groß. Beevor mag für die Briten Neues berichten und auch für jene Deutschen, die sich bisher jahrzehntelang davor gedrückt haben, die damaligen fürchterlichen Ereignisse zur Kenntnis zu nehmen. Es geht ähnlich wie mit Günter Grass' Buch über den Untergang der "Wilhelm Gustloff" "Im Krebsgang". Neu waren die von ihm geschilderten Ereignisse nur für jene, die die Not der Deutschen in den letzten Kriegsmonaten verdrängt hatten.

Beevor, von Haus aus britischer Offizier, dann Romancier, hat sich mit dem Zweiten Weltkrieg bereits in einem umfangreichen Buch über Stalingrad befaßt. Dann nahm er sich den Fall Berlins vor und schlug die Brücke zu seinem Stalingrad-Buch mit der Anekdote, nach dem Untergang der deutschen 6. Armee habe ein sowjetischer Oberst eine Gruppe erschöpfter Kriegsgefangener durch die Trümmer der Stadt getrieben und gebrüllt: "So wird euer Berlin auch einmal aussehen!" Der Autor schildert die militärischen Ereignisse wie schon viele andere vor ihm. Und er guckt nicht weg, wenn es um die Verbrechen der Roten Armee geht. Er schildert sie in ihrer ganzen unvorstellbaren Grausamkeit, entlastet aber die Verbündeten seiner britischen Majestät gleichzeitig, indem er immer wieder erklärt, daß die Sowjets in Deutschland hausen konnten, habe allein Hitler verursacht.

Er sieht die Ereignisse, wie man es von einem Briten nicht anders erwarten kann, durch die Brille der Sieger. So hat er für die Deutschen meist auch nur Herablassung und Häme übrig, weil sie sich bis zuletzt verteidigt haben und sich partout nicht befreien lassen wollten.

Der Bertelsmann-Verlag verfügt offenbar nicht über einen Lektor, der sich mit Militärgeschichte auskennt. Man findet in der deutschen Fassung zahlreiche Fehler, die ohne Mühe hätten vermieden werden können. So hat der Rezensent noch nie die Bezeichnung "Kaiserschlacht" für die letzte deutsche Offensive im Ersten Weltkrieg gehört. Hierzulande nennt man sie die "Große Schlacht in Frankreich". Ähnlich geht es mit der Behauptung, der Chef des OKW, Generalfeldmarschall Keitel habe den Spitznamen "Reichsgaragenmann" ge- tragen, was immer das bedeuten sollte. Den Namen deutscher Generäle stellt Beevor gern das "von" voraus, vermutlich in der fixen Idee der Briten, daß Deutschland von den "Junkern" geführt wurde. Den Begriff "Gardearmee", den er dem Panzer-Korps "Großdeutschland" zuschreibt, gab es nur in der Sowjetunion. Deutsche Soldaten hätten in Rußland "Fußbrand" erlitten - eine rätselhafte Bezeichnung. Kein Deutscher kann mit dem Begriff "Kessel von Korsun" etwas anfangen; hier spricht man vom "Kessel von Tscherkassy". Und so geht es weiter.

Es mag für Briten wie für deutsche Vergangenheitsbewältiger schmerzlich sein, durch Beevor von den Massenverbrechen der Roten Armee zu erfahren, doch hat Beevor für sie einen Trost. Im Stile des Jan Philipp Reemtsma bemerkt er immer wieder, daß die Sowjets sich lediglich gerächt hätten für die noch schlimmeren Verbrechen der Wehrmacht in der UdSSR.

Antony Beevors Buch ist ein weiterer Schritt auf dem Wege, die Deutschen zu lehren, ihre Geschichte mit den Augen der Sieger zu sehen. Hans-Joachim von Leesen

Antony Beevor: "Berlin 1945 - Das Ende", C. Bertelsmann Verlag, 2002, gebunden, zahlreiche Abb., 544 Seiten, 26 Euro