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14.12.02 / Das Leben der deutschen Prinzessin Liselotte von der Pfalz zur Zeit Ludwigs XIV.

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 14. Dezember 2002


Am Hofe des Königs
Das Leben der deutschen Prinzessin Liselotte von der Pfalz zur Zeit Ludwigs XIV.

Der belgische Historiker und Literaturwissenschaftler Dirk Van der Cruysse hat eine detailreiche Biographie der kurpfälzischen Fürstentochter Elisabeth-Charlotte geschrieben, die 1652 als Tochter des Kurfürsten der rheinischen Pfalz Karl Ludwig in Heidelberg geboren wurde und 1722 als Witwe des Herzogs Phi-lipp von Orleans, des Bruders des französischen Königs Ludwig XIV., am französischen Hof starb. Liselotte, die selbst so gut wie keinen politischen Einfluß hatte, war die Mutter des französischen Regenten der Jahre 1715 bis 1723 während der Minderjährigkeit des Königs Ludwig XV. und Großmutter des Kaisers Franz-Stephan von Lothringen, Gemahl der Kaiserin Maria Theresia. Liselotte war eine leidenschaftliche Briefschreiberin und korrespondierte mit den Königshöfen von Preußen, England, Schweden, Dänemark, Spanien und Sizilien sowie mit den meisten Fürstenhöfen in Deutschland und den angrenzenden Gebieten. In ihren etwa 60.000 Briefen, von denen kaum ein Zehntel erhalten ist, hielt sie ihre Erlebnisse und Beobachtungen fest. Diese urwüchsige und oft auch derbe Korrespondenz, davon etwa zwei Drittel auf deutsch, der Rest auf französisch, ist die Grundlage der vorliegenden ebenso aufschlußreichen wie unterhaltsamen Biographie.

Beispiel für die amüsanten und pittoresken Details der Biographie ist der Bericht zum Besuch des russischen Zaren Peter des Großen im Jahr 1717 in Paris und Berlin: "Während der zehn Wochen ihres Aufenthalts in Paris verblüfften der Zar und die wackeren Leute seines Gefolges Tag für Tag aufs neue ihre Gastgeber damit, was für einen unvorstellbaren Dreck sie überall hinterließen, sowie mit den unwahrscheinlichen Mengen von Eßbarem, die sie verschlangen, und der beeindruckenden Anzahl von Flaschen, mit denen sie ihre Festmähler hinunterspülten. ... (in Berlin) waren die (königlichen) Gastgeber erleichtert, als die Gäste wieder abreisten, denn die schöne Residenz Charlottenburg, in der sie vier Tage lang gewohnt hatten, sah aus wie ein Schweinestall; was die Parkanlagen betraf, ... so waren sie völlig verwüstet."

Die besondere Mentalität der damaligen französischen Monarchie verrät sich in der Beschreibung der Vorkommnisse 1688/89 in der rheinischen Pfalz: "Die systematische Zerstörung Heidelbergs wurde am 13. Januar beschlossen. Drei Tage nachdem die Stadt zum Untergang verdammt worden war, trafen die ersten Sappeure ein; Ende Januar waren es zweihundert, die systematisch die Türme und Mauern des Schlosses verminten. Selbst die Stützmauern des berühmten hortus palatinus, die gemauerten Pfeiler der überdachten Neckarbrücke und die Türme der Kirchen wurden mit Sprengsätzen bestückt. Graf de Tessé war für dies Unternehmen verantwortlich; mit der Ausführung war der Feldmarschall Ezéchiel de Mélac beauftragt worden. Dieser zeichnete sich dadurch aus, daß es ihm ein sadistisches Vergnügen bereitete, die Dörfer auf beiden Ufern des Neckars in Brand zu stecken und Einwohner, die sich zu widersetzen wagten, zu verstümmeln. Während Heidelberg vermint wurde, brannte man Rohrbach, Leimen, Wiesloch, Kirchheim, Wieblingen, Handschuhsheim, Dossenheim, Ladenburg, Schriesheim und Neuenheim nieder, meist ohne Vorwarnung und mitten in der Nacht."

Die Bibliographie berichtet auch von dem kollektiven Wahn, den das System des angeblichen Finanzgenies John Law in den Jahren 1719-1721 in Frankreich auslöste, und legt den Vergleich zur in der heutigen Zeit besonders großen Gier nach Reichtum. Das von dem Schotten John Law in Frankreich erreichte Handelsmonopol seiner Mississippi-Gesellschaft mit Nordamerika ließ den Kurs der Aktien vom Ausgabetag im Januar 1719 bis Dezember desselben Jahres von 500 Livres auf 10.000 Livres, das heißt um das Zwanzigfache, ansteigen. Die Markterwartungen waren so verführerisch, daß selbst Geringverdiener ihr Erspartes in diese Aktien investierten. Die Blase der "Mississippi-Company-Aktien" platzte al-lerdings, als erste Gewinnmitnahmen, damals der Rücktausch der Aktien in Gold und Silber, erfolgten. Im September 1721 war der Aktienwert wieder beim Ausgabekurs von 500 Livres angekommen.

Liselotte schreibt an ihre Halbschwester: "Es ist etwas unbegreiffliches, wie erschrecklich Reichtum jetzt in Frankreich ist; man hört von nichts, als millionen, sprechen. Ich begreife nichts in der welt von der sach." L. L. L.

Dirk Van der Cruysse: "Madame sein ist ein ellendes Handwerck' - Liselotte von der Pfalz - eine deutsche Prinzessin am Hof des Sonnenkönigs", Piper Verlag, München 2001, 751 Seiten, 14,90 Euro