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21.12.02 / Der König aller Welt

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. Dezember 2002


Der König aller Welt
von Wilhelm Hüffmeier

Liebe Leserin, lieber Leser, bitte nehmen Sie als erstes Ihre Bibel zur Hand und lesen Sie Matthäus 2, 1-12 und Lukas 2, 1-20. Die folgenden Zeilen wollen eine kleine Lesehilfe bieten.

Die Weihnachtsgeschichte nach Matthäus steht ein wenig im Schatten des bekannteren lukanischen Weihnachtsevangeliums. Gott sei Dank haben wir beide. Man könnte sagen, in ihnen deute sich schon etwas an von dem Unterschied zwischen dem morgenländischen und dem abendländischen Christentum.

Für die östlichen Kirchen ist Jesus - wie hier bei Matthäus - vor allem der König, der Allherrscher, der Pantokrator. Ihn suchen die klugen und betuchten Weisen, wie Luther übersetzt, sachgemäßer müßte es heißen: die Sterndeuter, aus dem Morgenland. Und sie kommen, um vor ihm niederzufallen, ihn anzubeten und ihm zu huldigen. Kirche als Anbetungsgemeinschaft. In den westlichen Kirchen hingegen steht - wie bei Lukas - das Krippenkind, der Mensch und Bruder gewordene Gottessohn im Mittelpunkt. Zu ihm kommen die kleinen Leute, um zu sehen und zu staunen und vor allem, um von ihm - gleichsam als seine ersten Missionare - fortzugehen und das Geschehene anderen weiterzusagen. Kirche als Zeugnis- und Dienstgemeinschaft. Es wäre schön, wenn beide Christentümer - das östliche und das westliche -, friedlich und sich gegenseitig befragend und bereichernd, im alten Ostpreußen und anderswo miteinander existieren könnten, so wie eben Matthäus und Lukas im Neuen Testament. Ein frommer Wunsch? Eine weihnachtliche Hoffnung!

Über die genannten Unterschiede nachzudenken, wäre schon eine feine weihnachtliche Aufgabe. Doch ebenso wichtig wie die Unterschiede sind die Gemeinsamkeiten zwischen Lukas und Matthäus. "Wo ist der neu geborene König der Juden?" fragen die Sterndeuter, aus denen die Legende später drei Könige mit den Namen Kaspar, Melchior und Balthasar gemacht hat. Diese legendäre Fortentwicklung knüpft übrigens an die Geschenke der Sterndeuter an: Gold, Weihrauch und Myrrhe (Vers 11) sind nach Psalm 72, 10 und 15 sowie Jesaja 60, 6 eben königliche Geschenke.

Also die Sterndeuter fragen: "Wo ist der neu geborene König der Juden?" Dieses "Wo ist er, der König?" hat für Matthäus wie für Lukas entscheidende Bedeutung. Die Antwort beider Weihnachtsgeschichten lautet: Geboren wurde er nicht am Ort der politischen Macht, nicht in den Chefetagen weltlichen Einflusses, nicht dort, wo man nach menschlichen Maßstäben einen König erwartet. Gott hat seine eigenen Maßstäbe: Nicht Jerusalem und der Königspalast, sondern Bethlehem und der Stall sind die Orte, wo der neu geborene König sein Leben beginnt. Das ist so etwas wie die sanfte weihnachtliche Revolution, die das Oberste nach unten und das Unterste nach oben kehrt und bringt. "Er wird ein Knecht und ich ein Herr; das mag ein Wechsel sein!"

Dabei geht es nicht um die Abwertung von Chefetagen und königlichen Palästen. Allenfalls um die Kritik der gefährlichen Exklusivität solcher Paläste und der Machtbesessenheit ihrer Bewohner. Der Stall in Bethlehem hat dagegen nichts Ausschließendes. Da hängt niemand an Privilegien und Posten. Bethlehem meint vielmehr den Ort, wo alle - die hochmögenden Sterndeuter wie die armen Hirten -, ja auch der Hinterletzte und Niedrigste hinkommen kann, wenn er sich nur durchfragt. So war es jedenfalls damals in Bethlehem. Und, ach, heute! Eine tiefe Beklommenheit befällt uns, wenn wir an das heutige Bethlehem denken.

Nach Lukas sind es die Hirten vom Felde, also die aus der Nähe, die aus dem eigenen Volk, welche sich zur Krippe aufmachen. Nach Matthäus die Sterndeuter aus der Ferne, die von anderen Völkern und Nationen. Daß die Kleinen aus Israel und die Großen aus dem fernen Morgenland ausgerechnet nach Bethlehem, dem kleinen Ort neben der Hauptstadt, kommen, zeigt nur das eine: Der neu geborene König der Juden ist kein Allerweltskönig, aber er ist der König Gottes für alle Welt.

An beiden, den Sterndeutern wie den Hirten, hat sich durch die Begegnung mit dem Kind ein Wandel vollzogen. Die Sterndeuter gehen nicht nach Jerusalem zurück, um Herodes die Aufwartung zu machen. Das wäre ihr Schaden wohl nicht gewesen. Herodes hätte sie bestimmt mit entsprechend hohen Ehren empfangen und fürstlich belohnt. Was tut man nicht gemeinhin alles für Ehre und Geld. Aber wer wirklich diesem neu geborenen König begegnet ist, der kann mit herodianischen Ansichten und Verhaltensweisen nichts mehr zu schaffen haben. Eine herrliche, neue Freiheit und Unabhängigkeit haben die Sterndeuter gewonnen, ganz ähnlich der neuen Freiheit der Hirten. Sie sehen und hören und staunen, um nun von dem zu reden und zu sagen, was sie gesehen hatten.

Und ein Letztes, das uns ganz direkt angeht. Es ist nachdenkenswert, daß in der Weihnachtserzählung des Matthäus die Sterndeuter aus der Ferne keinen Namen tragen. Namenlose Fremdlinge sind es. Aus dem Dunkel ihrer fernen Länder tauchen sie auf, folgen dem Leitstern und knien an der Krippe, um anzubeten. Und von derselben Ferne verhüllt, verschwinden sie, anonym und doch nicht gänzlich ohne Konturen. Warum das? Vielleicht weil sie deinen und meinen Namen tragen, weil sie uns darstellen sollen? Vielleicht weil wir ihr Handeln zum unsrigen machen sollen? Suchen, Fragen, Kommen, Huldigen und erfreut zurückzukehren an den Ort, wo wir wohnen.

Was soll denn Weihnachten anderes sein als unsere alljährliche Reise an die Krippe des Königs aller Welt? Unser Weihnachten 2002 wird entscheiden, liebe Leserinnen und liebe Leser, ob sich das gelohnt hat! Gesegnete Weihnachtsreise! n

Dr. D. h. c. Dr. Wilhelm Hüffmeier ist Präsident der evanglischen Kirche der Union in Berlin

 

Heiliger Abend

Von Margot Michaelis

Ich glaube

an den Tag

der schon am Morgen

Abend heißt

und am Mittag

die Sonne nicht durchläßt

ich glaube

an die Nacht

die den Stern kennt

ein Kind schenkt

zur Hoffnung einlädt.