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21.12.02 / Lampenfieber

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. Dezember 2002


Lampenfieber
von Christa Schulz-Jedamski

Langsam trotteten wir vom Schulunterricht nach Hause. Am Himmel zogen langsam dicke Schneewolken dahin - gleich würde es anfangen zu schneien. Wir drei Freundinnen hatten den gleichen Heimweg, und das, seitdem unsere Lehrerin, Fräulein Raddatz, uns acht Kinder bei sich in der Wohnung unterrichtete, denn die Schule war kurzerhand in ein Lazarett umgewandelt worden. Und da wir mal später, wenn der ganze unselige Spuk vorbei wäre, doch die Oberschule besuchen sollten, so brachte sie uns den Lehrstoff bei sich zu Hause nahe. Es war sehr ungewohnt, doch dieser Unterricht gestaltete sich vielseitiger, konzentrierter und auch viel lustiger, weil unsere Lehrerin auch mehr Zeit für jede Schülerin hatte.

Nun auf dem Nachhauseweg sprachen wir über die Verlosung der Winterhilfe, denn überall auf den Straßen und Geschäften konnten wir Lose kaufen. Ach, was träumten wir kleinen Marjellchen von den vielen schönen Gewinnen, die wir erringen konnten, wenn - ja wenn jeder genügend Lose kaufen durfte, um den großen Haupttreffer zu gewinnen, aber die Auslese war nicht sehr groß! Es waren zu viele Nieten darunter, und unsere Hoffnungen schwanden dahin, nur Lorchen hatte als einzige bis jetzt ein Los mit einer Nummer gezogen. Welcher Gewinn wohl dahinter versteckt war?

Wir alle seufzten tief auf, es mußte zu Hause nochmals um ein paar Dittchen gebettelt werden, vielleicht hätten wir dann auch mal Glück, so eine tolle gewinnbringende Losnummer in diesen großen Körben zu erwischen.

Nun waren alle Gewinne bei den Kaufleuten rings um den Markt ausgestellt, und wir Kinder drückten uns an den Schaufenstern die Nasen platt, wollten alles sehen und begutachten, solange bis unser Atem die Scheiben beschlagen hatte und unsere Füße vom langen Stehen kalt waren.

Wunschträume lagen in diesen Fenstern, da gab es eine kleine holzgeschnitzte Eisenbahn, deren Räder waren so groß wie eine frische Johannisbeere, an die hatte ich mein Herz verloren, die kleinen Waggons waren auch zu niedlich. Auch gestrickte Wollmützen, passende Handschuhe dazu und Wollsocken, dann Schürzen, Hausschuhe, Deckchen für den Haushalt, Blumenvasen, umhäkelte Spitzentaschentücher aus zartem Batist, aus Bindegarnresten gehäkelte Umhängetaschen, einige waren mit Holzperlen bestickt, andere wieder mit bunten Blumen aus glänzendem Bast, und da drüben lag ein Norwegerpullover, blau wie der ostpreußische Himmel im Sommer, mit einer weißen eingestrickten Bordüre. Und in dieser Bordüre tummelten sich zwei blaue Rentiere mit vielen, vielen Sternchen. Was waren das für unsere Kinderaugen doch für wunderschöne Geschenke.

Aber da drüben in der Ecke, jawohl links in der Ecke, etwas erhöht, da stand etwas ganz Besonderes! Eine Tischlampe!? Nicht so eine, wie jeder sie kaufen konnte, nein, sie war ungewöhnlich schön und einmalig, einfach phänomenal, wie wir Kinder uns damals auszudrücken pflegten. Eine Laubsägearbeit, so bekamen wir es erklärt, außen schwarz lackiert und innen mit cremefarbener Seide ausgeschlagen. Wie sie so dastand und vor sich hin leuchtete in der zunehmenden Dunkelheit, da kamen die Märchenmotive so richtig zur Geltung. Sie wurde jeden Tag ein Stückchen weitergedreht, damit man immer wieder ein neues Bild betrachten konnte.

Wir liefen immer wieder und jeden Tag zum Marktplatz, um ja nichts zu versäumen und um in das bestimmte Fenster zu sehen. Das reine Lampenfieber war ausgebrochen, aber viel wichtiger war: Wer wird dieses Märchenlampenwunder nach Hause tragen, wer wird wohl die richtige Losnummer dazu ziehen? Auch die Erwachsenen waren schon angesteckt worden, und so bekamen wir immer wieder ein paar Dittchen zugesteckt, um uns die begehrten Lose zu kaufen.

So verging die Voradventszeit wie im Fluge, und der große Tag der Gewinnziehung kam immer näher, alle waren bis zum Platzen gespannt. Anfang Dezember waren alle Ausstellungsstücke aus den Schaufenstern verschwunden. Es hieß, die Tombola finde in der Kaserne statt, und alle jungen Mädchen und Buben aus der Gemeinde sollten für die Soldaten das Weihnachtsfest gestalten, mit Plätzchen, Kuchen und Kaffee, Theaterspielen und Weihnachtsliedersingen unter dem geschmückten Tannenbaum. Der Ehrgeiz war groß, und viele, auch von den Erwachsenen, beteiligten sich an diesem Vorhaben. Da wurden Päckchen geschnürt, Liebesgaben eingewickelt, Stroh- und Papiersterne ausgeschnitten, Tannengirlanden geflochten und mit weißem und rotem Kreppapier umwickelt, ganz Mohrungen war in Vorbereitungsstimmung.

Und dann wurden unter der Jugend noch eine Maria und ein Josef gesucht. Maria mußte aber lange blonde Haare haben, und Josef, na ja, der lief so nebenher, das konnte jeder werden. Aber die Heiligen Drei Könige, das war schon schwieriger. Wer wollte sich schon schwarz färben lassen? Denn einer von den dreien mußte das schon sein, das gehörte einfach dazu, zu den Drei Heiligen aus dem Morgenland.

Endlich war es soweit! Der große Abend der vielen versprochenen Überraschungen, so sehnlichst erwartet, war nun endlich gekommen. Auf dem Marktplatz standen schon viele Menschen und harrten der Dinge, die da kommen sollten.

Es wurde dunkel, es wurde kälter, die Füße standen tief im hohen Schnee, am Himmel funkelten und blinkten kalt die Sterne, und die Finger in den Handschuhen wurden klamm. Die Nase wurde besser in den dicken Schal eingepackt, die Mütze tiefer über die eisigkalte Stirn gezogen, und man verkroch sich wärmesuchend im wollenen Wintermantel. Nun wurde es aber langsam Zeit, man wurde ja schon zum Eiszapfen! Aber da hörte man plötzlich die Kapelle spielen: "Sie kommen, sie kommen", raunte und rief dann lauter die wartende Menschenmenge sich zu. Schnell wurden die mitgebrachten Kerzen in den Lampions angezündet. Da, da kam der Umzug um die Ecke! Vorneweg die Kapelle, die Weih-nachtslieder spielte und gleich dahinter Maria und Josef, jeder auf einem geführten Pferd sitzend.

Maria umhüllt von einem langen blauen Stoffumhang, darauf viele glänzende goldfarbene Papiersterne aufgenäht waren, die langen blonden Haare fielen über ihre Schultern, und in den Armen wiegte sie das Jesuspuppenkind. Josef habe ich so gar nicht richtig gesehen, denn Maria war überirdisch schön und stahl allen die Schau. Dann kamen langsam und sehr feierlich und ihrer ganzen Würde bewußt die Heiligen Drei Könige vorbeigezogen, prächtig waren sie anzusehen. Und es war tatsächlich einer dabei, der sein Gesicht schwarz gefärbt hatte und den Kaspar verkörperte. Da waren wir alle baff! Zwischen ihren stolpernden Beinen aber liefen aufgeregt und unruhig die Schafe umher, und eine Welle der Heiterkeit unterbrach die hoheitsvolle Stimmung. Wir Kinder staunten begeistert, und mit strahlenden Augen liefen wir mit unseren Laternen dem Umzug hinterher. Auf dem Kasernenhof angekommen, wurde begeistert Beifall geklatscht, und dann verzogen sich alle, fast alle, in die warmen und wunderbar ausgeschmückten Räume der Kaserne - und dann schlossen sich die Türen.

Wir Draußengebliebenen gingen nachdenklich, dann aber doch noch singend, mit unseren langsam verlöschenden Laternen nach Hause, denn da erwartete uns Kinder auch eine warme Stube.

Ja, und ein paar Tage später wurden die Gewinne mit den gezogenen Losnummern bekanntgegeben; aber wer die wunderschöne Tischlampe gewonnen hatte - das kam nie ans Tageslicht! Ob der Soldat aus dem Lazarett, der sie so künstlerisch gestaltet hatte, sie als Eigentum zurückbekam oder doch einer von den Honoratioren als "gewonnen" bekam ... niemand wußte es. Bekannt ist nur, das diesmal der Erlös von den Gewinnen für die Winterhilfe enorm hoch gewesen sein soll.

Was doch so ein Lockmittel alles bewirken kann. Und ich werde den Verdacht bis heute nicht los - es war im wahrsten Sinne - eine Märchenwunderlampe!

 

Lieselotte Plangger-Popp: Weihnacht am Kurischen Haff (Federzeichnung 1944/88)

 

Gangelleed to Wiehnachte
von Erminia v. Olfers-Batocki

Schloap en, mien Kind,

de Stoow is warm.

Doa bute danzt

de Flockeschwarm.

Loot suse de Flocke!

So rasch jeit de Wocke!

Du schläpst - ek spenn -

de Oawend jeit henn.

Schloap en, mien Kind,

ek wach bi di.

De Wiehnachtsschemmel

joagt värbi.

Loot larme dem Schemmel!

Gott's Licht steit am Hemmel.

Du schläppst - ek spenn -

de Oawend jeit henn.

Schloap en, mien Kind,

bunt is dien Droom.

Rood' Äppel

wasst am Wiehnachtsboom.

Singt bute de Wind,

ek sing far mien Kind.

Du schläppst - ek spenn -

de Oawend jeit henn.

Schloap en, mien Kind,

't is hillje Nacht.

Gott's Engelke di

stell bewacht.

Dat glucht met sien Lichtke

di groods im Jesichtke.

Du schläppst - ek spenn -

de Wiehnacht jeit henn.

 

 

Weihnachtsfahrt
von Gert O. E. Sattler

Ein Pferdeschlitten bimmelt

durch tiefverschneitenTann,

die Schar der Kinder himmelt

den Großen Bären an.

Ob Lorbaß, ob Marjellchen,

sie sitzen weich und warm,

in Decken und in Fellchen.

und singen, Arm in Arm.

Es sind die Weihnachtslieder,

die schon die Mutter sang,

man hört sie immer wieder,

umrahmt von Glöckchenklang.

Ein Pferdeschlitten läutet

den Heilig' Abend ein,

und der Gesang bedeutet:

Wir fahr'n zum Christkindlein.