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21.12.02 / Eine Stiftung des "Soldatenkönigs" / Vor 280 Jahren erhob Friedrich Wilhelm I. Stallupönen, das heutige Ebenrode, zur Stadt

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 21. Dezember 2002


Eine Stiftung des "Soldatenkönigs"
Vor 280 Jahren erhob Friedrich Wilhelm I. Stallupönen, das heutige Ebenrode, zur Stadt
von Hans-Joachim Mohr

Die ältesten Nachweise einer Besiedlung des Gebietes um das heutige Ebenrode stammen von Moorfunden aus dem Ende der Altsteinzeit. Fundbergungen von Ausgrabungen des 19. Jahrhunderts aus der römischen Kaiserzeit in der Gemarkung Ebenrode sind kulturgeschichtlich dokumentiert. Die als Pruzzen bezeichnete Urbevölkerung wird erst in späteren Quellen aus den Jahren 866 und 960 n. Chr. erwähnt, als das altpreußische Nadrauen zur großen Wildnis gehörte. Die litauischen Wegeberichte, die als Quellen der Beurkundung aus dem Ende des 14. und Beginn des 15. Jahrhunderts gelten, geben auf Stallupenn noch keinen Hinweis.

Einen ersten verläßlichen Nachweis über den Ort Stallupenn erhalten wir über Steuerlisten aus den Jahren 1539 und 1542. Dort sind 1539 neun Wirtschaften und ein Bender verzeichnet. Außer Bauern und Krügern waren damals noch 19 Handwerker und "Loßgänger" im Dorf ansässig. Einer Beschreibung des Stanischen Schulzenamtes der Jahre 1681/82 ist zu entnehmen, daß das Dorf selbst sich etwa an der Stelle befand, wo heute die Altstadt steht. Der Alte Markt, die Kasseler und die Goldaper Straße gehören demnach zu den ältesten Bestandteilen.

Der Topografie/Geografie des Ortes können wir uns auch über die Namensdeutung nähern. Die Übertragung aus dem Litauischen lautet: tischebene Fläche am Fluß (Tischflußortschaft), was vor allem den topografischen Gegebenheiten voll gerecht wird, denn auch der Verlauf eines Flüßchens würde sich hinter dem Cabalzarschen Hotelgarten nachweisen lassen.

Eine planmäßige Besiedlung wurde offensichtlich erst 1525 nach der Umwandlung des Ordensstaates in ein weltliches Herzogtum durch sogenannte Lokatoren in Gang gesetzt. Ausgangspunkt der Kolonisation war Insterburg mit dem Amthauptmann Pein. Die Inangriffnahme der Rodung der Wildnis hatte offenbar einen politischen Hintergrund. Es ging darum, für die nach dem Zweiten Thorner Frieden 1466 verlorenen Gebiete einen Ausgleich zu schaffen. Besonders zahlreich strömten litauische Siedler herbei, die durch die Teilnahme am Rodungswerk seßhaft wurden.

In der Abfolge der lokalhistorischen Daten ist nun der Bau der Kirche zu nennen, deren Errichtung auf das Jahr 1589 datiert wird. Das Kirchspiel Stallupenn muß jedoch schon einige Jahre davor existiert haben. Fast gleichzeitig erhielt das Dorf Stallupenn die erste Kruggerechtigkeit nach Kölmischem Recht verliehen. Auf dem noch weiten Weg bis zur Stadtgründung 1722 waren dies bedeutende Marksteine. Erst ein Dreivierteljahrhundert später folgte ein weiterer mit der Verleihung des Jahrmarktrechtes, dem Dorf wird 1665 das Recht zur Abhaltung von Wochenmärkten zugesprochen.

Bemerkenswert an dieser Jahrmarktrechtsverleihung ist, daß sie mehr oder weniger unmittelbar nach den das Land erschütternden Tatareneinfällen stattfand. Nach dem Sieg der Schweden und Brandenburger in der Schlacht bei Warschau am 30. Juli 1656 im Schwedisch-Polnischen Krieg (1655-1660) stellten die Polen ein 20.000 Mann starkes Heer auf, das vor allem aus Tataren bestand. Das Heer fiel in Ostpreußen ein und brandschatzte insbesondere im Insterburger Amt. Die Gesamtbilanz der Tatareneinfälle 1656 und 1657 wird mit 13 in Asche gelegten Städten, 249 zerstörten Dörfern und Höfen, 37 niedergebrannten Kirchen sowie 23.000 erschlagenen Menschen angegeben. 34.000 Einwohner wurden in die Tatarei verschleppt. Der 1660 zu Oliva geschlossene Frieden brachte dem Land die nötige Ruhe. Der brandenburgische Kurfürst erhielt die Souveränität über das Herzogtum Preußen und damit die Befreiung von der polnischen Ober- herrschaft. Als direkte Folge kann die Verleihung des Jahrmarktrechtes an das Dorf Stallupenn verstanden werden.

Ein halbes Jahrhundert nach den Tatareneinfällen sollte aber wieder neues Unheil über das Land hereinbrechen. Die Notstandsjahre 1706 bis 1708 begünstigten das rasche Umsichgreifen der Pest, die nach dem Bericht des Geistlichen aus Pillupönen, dem heutigen Schloßbach, am 4. Januar 1709 auftrat. Sie raffte bis 1711 mit rund 160.000 Menschen ein Drittel der Bevölkerung dahin. Allein in Stallupenn kostete sie 1.600 Menschenleben.

1719 wurde Stallupenn noch einmal von einem Unglück heimgesucht. Viele Privatgebäude und die Kirche fielen einer Feuersbrunst zum Opfer.

Die durch Krieg und Pestilenz verursachten Nöte verlangten nach staatlicher Hilfe zur Entwicklung des Landes - so würden wir es heute ausdrücken. Pläne, der Entvölkerung durch eine Kolonisation entgegenzuwirken, gab es bereits in der Regierungszeit Friedrichs III. beziehungsweise I., doch erst unter seinem Sohn Friedrich Wilhelm I. lief das Kolonisationswerk in großem Umfang an. Nachdem ihm auf einer Bereisung des Landes die geringe Zahl an Städten im Osten aufgefallen war, nannte er in einem Kabinettschreiben vom 24. Juli 1721 an den Oberpräsidenten Truchseß von Waldenburg eine Reihe von Orten, um sie "zu Städten zu machen". Hierzu gehörte Stallupenn aber zunächst nicht. Erst eine vom König angeordnete Bereisung der für eine Stadtgründung in Frage kommenden Orte am 9. November 1721 führte zu der Entscheidung für Stallupönen und Gumbinnen, nachdem zuvor Taplauken und Georgenburg auf der Kandidatenliste standen. Die Stiftungsurkunde ist vom darauffolgenden Jahr 1722 datiert. Ihr zentraler Inhalt sind die Vergünstigungen der "Immunitäten und Freiheiten derer, so sich in Stallupönen, Ragnit, Tapiau ... ansässig machen wollen". "Diejenigen nun," so heißt es dort, die "in mehrgedachte neue Städte sich anzubauen und anzusetzen Belieben tragen, haben sich bei unserm Preußischen Commissariat in Königsberg oder bey dem Steuer-Rath, oder auch bey dem neu zu bestellenden Bürgermeister des Orts zu melden, da ihnen dann sofort nach befundenen Umständen die Baustelle und der Platz zum Garten durch den Steuer-Rath und den Commissarium loci angewiesen, auch durch denselben die obversprochenen Bau-Freyheits-Gelder, wenn die erforderte Sicherheit wegen des Anbaues gestellet, ausgezahlt werden sollen."

Ebenrode: Der Altstädtische Markt gehört zu den ältesten Bestandteilen der ostpreußischen Stadt Foto: Archiv

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