23.04.2024

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04.01.03 / Spiegelbild der Kultur / Spaziergang über Berlins geschichtsträchtige Friedhöfe

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 04. Januar 2003


Spiegelbild der Kultur
Spaziergang über Berlins geschichtsträchtige Friedhöfe

Friedhöfe sind aufgeschlagene Geschichtsbücher", hat ein kluger Kopf einmal gesagt. Und in der Tat: geht man über einen geschichtsträchtigen Gottesacker, dann begegnet man Grabmalen, die an große Persönlichkeiten erinnern, aber auch an Menschen wie du und ich, die ja auch zur Historie eines Landes gehören. Das Grab bedeutet für die Hinterbliebenen die unwiderruflich verlorene Körperlichkeit eines lieben Menschen. Für andere wird es zu einem Verbindungspunkt zwischen gestern und heute. "Der Friedhof wird zu einem Aufenthaltsort für beide, die Toten und die Lebenden", schreibt Christa Dericum in dem Vorwort zu ihrem neuen Buch "Die Zeit und die Zeit danach", in dem sie sich auf Spurensuche auf den Friedhöfen Berlins begibt. "Sie, die Irdischen, die sich der Grabstätte als dem Schnittpunkt der stillstehenden und der fortlaufenden Zeit nähern, bringen dem Verstorbenen das einzige, das die Unvereinbarkeit aufhebt: Gedenken."

Gedenken ist es schließlich auch, wenn die Autorin mit der Fotografin Isolde Ohlbaum über alte Friedhöfe in der Hauptstadt geht, deren Geschichte und Entwicklung erzählt und den Leser mitnimmt auf eine Reise in die wechselvolle Geschichte unseres Landes. Wie kaum eine andere Stadt bietet Berlin mit seinen Friedhöfen ein Spiegelbild deutscher Kulturgeschichte. Da begegnet man auch den Grabmälern von Daniel Chodowiecki oder E. T. A. Hoffmann, von Karl Friedrich Schinkel oder Otto Nicolai, von Adolph v. Menzel oder Hermann Sudermann, von René Kollo oder Käthe Kollwitz. Selbstverständlich würde es den Rahmen eines solchen Buches sprengen, wenn Christa Dericum alle 264 Friedhöfe der Stadt besucht hätte, sie beschränkt sich in ihren ausführlichen Erläuterungen auf den Dorotheenstädtischen Friedhof, den Invalidenfriedhof und den Französischen Friedhof, auch untersuchte sie die Tradition der Darstellung des mittelalterlichen Totentanzes und besuchte jüdische Friedhöfe. Sie erläutert Rituale und Symbole des Totenkultes und erzählt vom unterschiedlichen Umgang der verschiedenen Epochen mit dem Tod. Entstanden ist ein literarischer Spaziergang durch "die Zeit und die Zeit danach", wie Ingeborg Bachmann in einem ihrer Gedichte sagt. SiS

Christa Dericum: "Die Zeit und die Zeit danach. Eine Spurensuche auf den Friedhöfen Berlins". Nicolai Verlag, Berlin, Abb., gebunden, 200 Seiten, 24,90 Euro