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11.01.03 / Von der Alster in die Anden

© Das Ostpreußenblatt Ausgabe / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 11. Januar 2003


Von der Alster in die Anden
Zwei Ausstellungen in der Hamburger Kunsthalle

Feuerspeiende Vulkane, tosende Meere, Eisschollen, die sich zu Bergen auftürmen, undurchdringliche Urwälder mit seltsam fremd anmutenden Pflanzen, Wolken, die über den Himmel ziehen, mächtige Felsen und Panoramabilder der Alpen, von deren Gipfeln der Blick in weite Fernen schweift - die Künstler der Romantik haben die Natur entdeckt. Angeregt von neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen sahen sie ihre Umgebung mit anderen Augen. Sie studierten die Struktur der Felsen und des Gesteins, beobachteten den Lauf der Wolken und der Wasserfälle, zeichneten Pflanzen, die einheimischen und die zunächst fremden, immer auch geleitet von den Erkentnissen der Naturwissenschaftler. Dieser Verbindung von bildender Kunst und Wissenschaft widmet sich eine Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle. Unter dem Titel "Expedition Kunst - Die Entdeckung der Natur von C. D. Fried-rich bis Humboldt" sind noch bis zum 23. Februar rund 200 Werke - Gemälde, Panoramen und Zeichnungen - zu sehen (dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, donnerstags bis 21 Uhr). Neben den Werken von Friedrich, Runge, Turner, Constable, Blechen, Carus oder Dahl sind auch historische Instrumente wie etwa ein Theodolit zum Messen von Horizontal- und Höhenwinkeln und illustrierte Bücher zu sehen. Sie zeigen auch, durch welche äußeren Einflüsse der Künstler zu seinem Werk angeregt worden sein könnte. So etwa Caspar David Friedrich durch die Expedition des Forschungsreisenden William Edward Parry auf der Suche nach der Nord-West-Passage 1819/20 zu seinem Gemälde "Das Eismeer". Parrys Bericht über die Expedition wie auch das eindrucksvolle Gemälde Fried-richs sowie die Ölstudien, die nach dem Erleben des Eisgangs auf der Elbe bei Dresden 1820/21 entstanden, sind in der Ausstellung zu sehen. Von Norwegen über die Schweiz und Italien bis in das Südamerika Alexander v. Humboldts führen die Bilder den Betrachter; oft dokumentieren sie akribisch die wissenschaftlichen Erkenntnisse jener Zeit, manches Mal sind sie aber auch künstlerische Interpretationen dieser Erkenntnisse. Alle jedoch zeigen den Einfluß der Naturwissenschaft auf die Ästhetik dieser Zeit.

Einige der ausgestellten Bilder wird Alfred Lichtwark, der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle (1886 bis zu seinem Tod 1914), in der Sammlung vorgefunden haben. - Einen Überblick über diese Sammlung gibt übrigens der bei Prestel mittlerweile in 4. überarbeiteter Auflage erschienene Museumsführer (128 Seiten, 9,95 Euro; zum gleichen Preis gibt es einen solchen Führer auch für die Galerie der Gegenwart). - Das Haus von einem Provinzmuseum zu einem international beachteten Museums-tempel gemacht zu haben, dieses Verdienst gebührt Lichtwark. Kein Wunder also, daß man den Museumsmann zu dessen 150. Geburtstag mit einer Sonderausstellung ehrt (bis 16. März). Gezeigt werden wichtige Beispiele aus der "Sammlung von Bildern aus Hamburg", die Lichtwark ins Leben rief und damit nicht nur junge Hamburger Künstler förderte, sondern auch namhafte Maler wie Max Liebermann oder Lovis Corinth an Hamburg band. Nicht immer fand er sogleich den Beifall der Hamburger, sie sprachen von der "Schreckenskammer" und meinten den Saal mit den Impressionisten. Und Liebermanns realistisches Porträt des Hamburger Bügermeisters Petersen durfte (bis 1905) gar nicht erst gezeigt werden.

Auch Lovis Corinth konnte Lichtwark gewinnen, einige typische Hamburger Motive zu malen. 1911 entstanden "Kaisertag in Hamburg", heute im Besitz des Kölner Wallraff-Richartz-Museums, "Illumination auf der Alster", heute im Besitz eines privaten Sammlers, und "Blick auf den Köhlbrand", das damals als einziges in den Besitz der Kunsthalle überging. Weiter entstanden ein Porträt des Tierparkbesitzers Carl Hagenbeck und das von Lichtwark in Auftrag gegebene Bildnis des Historikers "Professor Dr. Eduard Meyer als Dekan". Gewiß: Lichtwark hatte zu kämpfen, um diese Werke bei "seinen" Hamburgern durchzusetzen. Doch ohne solche Kämpfer wäre die Kunsthalle auch heute noch ein Provinzmuseum. SiS

Caspar David Friedrich: Das Eismeer (Öl, um 1823/24) Lovis Corinth: Blick auf den Köhlbrand (Öl, 1911)