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18.01.03 / Reiche Jugend - arme Jugend?

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 18. Januar 2003


Hans-Jürgen Mahlitz:
Reiche Jugend - arme Jugend?

Mitten in die täglichen Horrormeldungen vom Teuro, von der Massenarbeitslosigkeit, von steigenden Sozial- und Steuerlasten und sinkenden Realeinkommen platzt diese Mitteilung wie eine Nachricht aus einer fernen, fremden Welt: Deutschlands Jugend wird immer reicher, gibt mehr Geld aus als je zuvor. Im Jahr 2002 verfügten die 13- bis 17jährigen insgesamt über eine Kaufkraft von sage und schreibe 7,5 Milliarden Euro, pro Kopf fast 1.500 Euro! Allein das regelmäßig von den Eltern gezahlte Taschengeld macht durchschnittlich 40 Euro im Monat, also fast 500 Euro im Jahr aus.

Annähernd dieselbe Summe kassieren die 4,7 Millionen Heranwachsenden bei besonderen Gelegenheiten wie Geburtstag oder Weihnachten von Eltern, Großeltern usw. Und jeder dritte will sich auch mit diesen 1.000 Euro im Jahr nicht bescheiden: Mit allen möglichen Jobs, vom Rasenmähen bis zum Zeitungaustragen, verdienen sich 1,5 Millionen Kinder und Jugendliche durchschnittlich 90 Euro im Monat hinzu.

Und wofür gibt unser Nachwuchs sein vieles Geld aus? 210 Millionen Euro pro Monat für Kleidung, weitere 100 Millionen für modisches Schuhwerk, 72 Millionen fürs Handy, 41 Millionen für Musik-Konserven. Erst ganz unten auf der Liste tauchen die Schulsachen auf; sie sind gerade mal 11,7 Millionen wert, ein Viertel der Aufwendungen für Kino und Konzerte.

Diese Zahlen scheinen das Bild einer verwöhnten und verhätschelten, oberflächlich und sorglos in den Tag hineinlebenden Spaß-Generation zu bestätigen. Die Älteren halten diesen jungen Leuten gern entgegen: "Wir haben damals nur zehn Pfennig in der Woche bekommen!"

Das stimmt zwar, aber es ist nur ein Teil der Wahrheit. Zu den Kindheitsprägungen der Eltern- und Großelterngeneration gehört eine Menge mehr. Zum Beispiel: Vor einem halben Jahrhundert konnte man sich für diese legendären zehn Pfennig noch manches kindliche Vergnügen leisten, das heute nicht einmal mehr für einen Euro zu haben ist - wer mit den lieben Kleinen nachmittags auf den Hamburger Dom, das Münchner Oktoberfest oder die Cannstatter Wasen geht, weiß, worum es geht. Ferner: In den Nachkriegs- und Aufbaujahren hatten die Eltern und Großeltern selber nichts - wovon hätten sie üppiges Taschengeld zahlen sollen? Und schließlich: Es gab damals noch nicht diese hemmungslose, immer aggressivere Werbung, die sich besonders intensiv an Kinder und Jugendliche wendet - die Milliardenkaufkraft in ihren Händen signalisiert letztlich, daß hier eine ganze Generation zu Opfern eines gigantischen Konsumterrors wurde.

Das Argument, man solle doch dem mittelständischen Einzelhandel nicht auch noch diese letzte Umsatz-Bastion nehmen, geht an der Sache vorbei: Der allergrößte Teil dieser 7,5 Milliarden Euro landet in den Kassen internationaler Großkonzerne und global tätiger Handelsketten.

Im Prinzip ist gegen den jugendlichen Reichtum nichts einzuwenden - solange genug Geld da ist, soll doch auch der Nachwuchs was davon haben! Nun aber wird das Geld knapper, die Eltern können nicht mehr jeden Wunsch erfüllen, noch bevor er ausgesprochen ist. Woher aber soll diese Jugend wissen, wie man auch mit etwas weniger auskommt, daß man nicht alles haben kann, ohne zu fragen, was das kostet. Wer hat ihr je vermittelt, daß der Euro erstens nicht mehr so locker sitzt und zweitens nicht automatisch zum Erwerb bleibender Werte führt.

Statt über "die" Jugend zu lamentieren, sollten wir Älteren selbstkritisch nach eigenen Versäumnissen fragen. Denn für Erziehung und Wertevermittlung im weitesten Sinne - auch wenn es um die Finanzen geht - sind nicht die Kinder, sondern die Eltern verantwortlich.