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18.01.03 / Deutsche mit Fallbeil ermordet / Ein Augenzeuge berichtet über die Greueltaten an der deutschen Bevölkerung in Ostpreußen

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 18. Januar 2003


Deutsche mit Fallbeil ermordet
Ein Augenzeuge berichtet über die Greueltaten an der deutschen Bevölkerung in Ostpreußen
Dies ist der Bericht des deutschen Kommunisten

Hermann Matkowski, der unmittelbar nach dem Weltkrieg in Königsberg-Ponarth als "Bürgermeister" eingesetzt wurde und die Greueltaten an den Deutschen, die Ungerechtigkeiten und Massenhinrichtungen durch das Fallbeil mit eigenen Augen gesehen hat. Der Bericht wurde im Mai 1946 verfaßt und ist jetzt auf dem Dachboden eines Hauses in Ansbach von dessen Eigentümer gefunden worden.

Ich, Hermann Matzkowski, geb. 5. November in Creuzburg, Sägearbeiter in Königsberg bei der Firma Richard Anders, Schönfliesserallee, habe (ich) das letzte Jahr unter russischer Herrschaft in Königsberg, Preußen, verbracht und will, nachdem ich die Schrecken in der Stadt und die zahllosen Verbrechen der Sowjets gegen die einfachsten Grundsätze der Menschlichkeit erlebt habe, hierüber folgende Angaben machen, wobei ich die Wahrheit eidesstattlich versichere.

Ich selbst war bis zu meinem Erleben in Königsberg Kommunist. Ich wurde im Oktober 1942 wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz zu drei Jahren Gefängnis verurteilt. Ich hatte unter anderem gesagt, daß, wenn die Russen kämen, alle Nazis totgeschlagen würden usw. Meine Gefängnisstrafe verbüßte ich in Rhein/Ostpreußen. Beim Einbruch der Russen in Ostpreußen wurde das Gefängnis im Januar 1945 aufgelöst. Ich kam nach Königsberg, wo ich jedoch meine Familie nicht mehr antraf. Dort arbeitete ich zunächst noch kurze Zeit bei meiner alten Firma Richard Anders, wurde dann für einige Tage zum Volkssturm einberufen, wo ich aber wegen Wehrunwürdigkeit entlassen wurde. Am 4. April nahm der Russe den Stadtteil Königsberg-Ponarth, wo ich meine Wohnung hatte, ein. Der Stadtteil wurde von der gesamten Zivilbevölkerung freigemacht, die nach Löwenhaben transportiert wurde. Von dort wurde ich aber bald entlassen, als ich die Anklageschrift und den Gefängnisentlassungsschein in meiner Strafsache vorlegte. Ich ging nach Ponarth zurück, meldete mich bei der Kommandantur 5 und wurde sofort als Bürgermeister (Bezirksbürgermeister oder Bezirksvorsteher) für den Stadtteil Ponarth, Brandenburger Straße, eingesetzt. Nach einer Zählung der Bevölkerung durch die russische Kommandantur befanden sich am 1. Mai 1945 90.000 Einwohner in der Stadt, deren Bevölkerungszahl sich um den 15. Mai auf etwa 100.000 erhöhte, nachdem eine Anzahl Soldaten in vorgerücktem Alter entlassen war. Sogleich nach der Einnahme der Stadt wurden die Angehörigen der Partei und solche Personen, die möglicherweise dem Nationalsozialismus nahestanden, verhaftet und in besondere Lager in Metgethen, Labiau und Insterburg gebracht. Im Gerichtsgefängnis in Königsberg wurden die politischen Gefangenen festgesetzt, und zwar immer in eine für einen Mann bestimmte Zelle acht Mann. Wir, die Bürgermeister der Stadt, mußten häufig an Besichtigungen teilnehmen und uns die Unterbringung der Hälftlinge ansehen. Im Mai 1945 starben und verschwanden dort im Gefängnis an den Folgen von Typhus und Genickschuß mehr als 1.500 Mann. Am 20. Juni etwa mußten wir, die zwölf Bürgermeister, darunter auch der neuernannte Oberbürgermeister Lau, als Zeugen einer Massenhinrichtung von über 1.000 Menschen auf dem Erich-Koch-Platz beiwohnen, die durch Fallbeil an politischen Gefangenen vorgenommen wurden. Nur zwei Mann wurden dabei im letzten Augenblick, und zwar zu zehn Jahren Zwangsarbeit, begnadigt, darunter auch der mir bekannte Prokurist der Firma Anders, Flach. Da die Ernährungslage schon im April katastrophal war, erbaten wir Bürgermeister von der russischen Kommandantur für die Bevölkerung die Genehmigung zum Aussetzen von Kartoffeln und zum Anbau von Gemüse in den Schrebergärten. Diese wurde auch erteilt, worauf die übriggebliebene Bevölkerung mit den gärtnerischen Arbeiten begann. Ende Mai beschlagnahmte die russische Kommandantur jedoch alles, einschließlich des eingebrachten Saatgutes und bewachte durch Posten Land und Schrebergärten. Nur wir Bürgermeister, die wir durch weiße Armbinden kenntlich gemacht waren, durften etwas Gemüse und Kartoffeln ernten.

Ende Mai wurde von Labiau der Hungertyphus, dort allgemein die Pest genannt, nach Königsberg eingeschleppt. Diese Krankheit forderte seit dieser Zeit täglich rund 300, seit dem rapiden Abnehmen der Einwohnerzahl jetzt ungefähr 200 Opfer. Diese Zahl sank im Oktober vorübergehend auf täglich etwa 50 Opfer, was wohl auf die etwas bessere Ernährung (Kartoffeln) in diesem Monat zurückzuführen ist. Seit dem Sommer vorigen Jahres herrscht unter der zurückgebliebenen Bevölkerung schwerste Hungersnot, zu deren Linderung von russischer Seite nichts getan wird. Es gibt seit dieser Zeit täglich nur 200 Gramm Brot je Kopf und keine anderen Nahrungsmittel auf Karten. Viele können sich das Brot nicht kaufen, da schon die Brotkarten selbst mit 10 Rubel, bei Erwerbstätigen mit 20 Rubel bezahlt werden müssen. Die Reichsmark ist nicht mehr im Kurs. Reichsmarkscheine liegen auf der Straße. 200 Gramm Brot kosten einen Rubel, das zu bezahlen ist nicht einmal dem Arbeiter möglich, der arbeitet. Es werden ihm zwar täglich Rubel versprochen, meistens bekommt er aber nichts. Nur wir Bürgermeister bekamen monatlich 360 Rubel. Es gibt in Königsberg keine weiteren Lebensmittel zu kaufen, es gibt auch keine Geschäfte und Handwerker mehr. Die Bevölkerung holt sich Pferdefleisch aus dem Pferdelazarett. Dieses ist aber durch die Willkür und Grausamkeit der Russen mit großen Gefahren verbunden. Von den Frauen, die dort Fleisch holen wollen, kommt oft nur die Hälfte zurück, während die anderen vergewaltigt oder ermordet wurden. Ich selbst habe das persönlich mit angesehen. Da die Bevölkerung nicht von 200 Gramm Brot leben kann, vertauscht sie ihre letzte Habe an die Russen, um dafür etwas Lebensmittel zu bekommen. Wer nichts mehr hat, geht stehlen. Die Pfarrer Beckmann und Müller, beide wegen antinationalsozialistischer Betätigung früher bestraft, haben sich von der Kommandantur erbeten, Kartoffelschalen von den russischen Kasernen einzusammeln.

Diese Kartoffelschalen werden rationiert und dann in kleineren Mengen an die Bevölkerung ausgegeben. Kinder unter vier Jahren und alte Leute gibt es in Königsberg nicht mehr. Die einzigen Menschen, die gut genährt werden, sind die Frauen, die von den russischen Soldaten schwanger sind. Infolge des großen Sterbens in Königsberg beträgt die Einwohnerzahl, die im Herbst auf 50.000 gefallen war, jetzt nur noch 32.000. Von der Richtigkeit dieser Zahlen habe ich mich überzeugen können, da ich als Bürgermeister die Brotkarten ausgeben mußte. Am 6./7. November 1945, dem Tag der Roten Armee, erhielten die russischen Soldaten das Recht zur vollkommenen Willkür. Die Männer wurden geprügelt, die Frauen vergewaltigt, so auch meine alte Mutter von 71 Jahren, die zu Weihnachten starb. Weihnachten wurden die meisten Arbeiter einige Tage eingesperrt, auch die Bürgermeister. Kurz vor meinem Fortgang aus Königsberg im Februar des Jahres besuchte ich mit Pfarrer Beckmann und Müller ein Kinderheim in Königsberg. Die Kinder sahen aus wie die Hungerkinder in der Wochenschau. Pfarrer Müller bat mich dringend, von den Zuständen im Reich zu berichten. Vom 1. bis 15. Januar des Jahres gab es kein Brot. Da ich das Hungerleben nicht mehr aushalten konnte, versuchte ich, wegzukommen. Dies gelang mir durch die Hilfe eines Eisenbahners, dem ich 150 alliierte Mark gab und der mich zunächst bis Allenstein mitnahm. Dort wurde ich von den Polen völlig ausgeplündert und fuhr dann mit dem Zug auf den Puffern stehend bis nach Berlin.

Ich suche zur Zeit meine Familie, die sich zuletzt in Braunschweig aufgehalten haben soll. Diese Angaben, die im vollen Umfange der Wahrheit entsprechen, mache ich aus eigenem Antrieb und ohne hierzu veranlaßt zu sein, da ich der Meinung bin, daß wenigstens etwas von den Qualen und Leiden, die die Bevölkerung im Osten geduldet hat und noch erduldet und von den Grausamkeiten der Sowjets in die Öffentlichkeit dringen muß. In Flensburg und Lübeck habe ich auch Gelegenheit gehabt, den Flüchtlingen aus Ostpreußen über die Zustände in Königsberg zu berichten.

Da ich meine Familie weiter suche, habe ich noch keine feste Wohnung, bin aber stets zu erreichen über die Anschrift meiner Kusine, der Ehefrau des Herrn Willi Lettau, Kirchweyhe b. Bremen (23) Ledigenheim. Oldenburg, den 2. Mai 1946, gez. Hermann Matzkowski