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18.01.03 / Waldauer Künstler plant Museum / Bärbel Beutner über den russischen Ostpreußen Andrej Barinow und seine Projekte

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 18. Januar 2003


Waldauer Künstler plant Museum
Bärbel Beutner über den russischen Ostpreußen Andrej Barinow und seine Projekte

Nicht nur den Waldauern ist er schon seit Jahren bekannt, der Künstler Andrej Barinow aus Waldau. Aparte Schmuckstücke aus Holz und Bernstein waren einst ein Geheimtipp bei den bundesdeutschen Besucherinnen, die Broschen, Anhänger und Armreifen von hohem kunstgewerblichen Niveau mitbrachten. Leider sind diese begehrten Teile nicht mehr zu haben; Andrej Barinow hat diese Periode in seinem Schaffen zur Vergangenheit erklärt, ungeachtet des Gewinns, der ihm sicher wäre. "Ich brauche stets etwas Neues, eine Herausforderung!" lautet hierfür seine Begründung. "Routine ist keine künstlerische Arbeit!"

Sein Atelier hat er im oberen Teil der Waldauer Landwirtschaftsschule, dem Gebäude, das vor der Flucht und Vertreibung das Lehrerseminar beherbergt hatte. Hier stehen auch seine bisher größten Arbeiten: Holzfiguren, aus dem Baumstamm herausgemeißelt. Sie stellen vorwiegend russische Märchenmotive dar. "Bäume wohnen neben uns. Sie sind unersetzlich. Sie teilen mit uns ihre Blätter, ihre Früchte. Wie wir kennen sie den Wert des Lebens, Jugend und Alter. Und wir machen uns oft keine Gedanken, wenn wir sie ausnutzen!" Holz ist, nach diesen Worten Barinows, also kein "Mate-rial", sondern ein lebendiger Partner.

Eine ostpreußische Naturverbundenheit spricht aus diesen Überlegungen. Und Ostpreußen ist auch die Heimat Andrej Barinows. Er wurde 1950 in Rogahnen im Kirchspiel Heiligenwalde, zirka 20 Kilometer östlich von Königsberg, geboren. Vater und Mutter waren Lehrer, der Vater konnte auf 35 Jahre und die Mutter sogar auf 43 Jahre Lehrtätigkeit zurückblicken. Das muß den Sohn geprägt haben. Er besuchte die Grundschule, die es damals noch in Rogahnen gab, dann die weiterführende Schule in Tapiau, studierte in Königsberg und wurde Grundschullehrer. Als Sportlehrer arbeitete er in Heiligenwalde, später in Waldau, und dann gab es eine Zeit im Norden am Ufer des Weißen Meeres in der Nähe von Archangelsk. Doch er kehrte in seine Heimat zurück, richtete sich in Waldau ein und arbeitet heute an der landwirtschaftlichen Fachschule.

Das Kunststudium lief nebenbei, aus Interesse. Die Holzschnitzerei habe sich von selbst ergeben, erfahren die Besucher seines Ateliers, die Figuren aller Größen, Vögel, Kästchen, Kerzenleuchter und Wandteller bewundern können. Die kleinen Kunstwerke, wie beispielsweise ein Vogel-Ensemble, das wie eine große "Unruh" aussieht, kann man auch kaufen; die großen Figuren aus den Baumstämmen sind allerdings unverkäuflich. Sie wurden im Oktober 2000 in Königsberg ausgestellt und sollen in eine eigene Galerie kommen.

Mit Schnitzarbeiten fing die künstlerische Tätigkeit an, dann kam eines Tages ein Journalist mit einem Tisch aus der Zeit vor der russischen Besetzung, dem ein Bein fehlte. Andrej Barinow restaurierte das alte Stück, und sein Interesse an alten Möbeln war geweckt. Er machte sich auf die Suche, fand alte deutsche Möbel als Sperrmüll auf der Straße, annoncierte, ob jemand alte Möbel loswerden wollte, kaufte kaum etwas, sondern nahm nur Stücke in schlechtem Zustand. Er studierte Einrichtungsstile und Restaurierungstechniken.

Wenn man sein Haus betritt, fühlt man sich wie in einem kleinen Museum. Ein Eßzimmerbuffet, ein Vertiko, ein Dielenschrank sind als deutsche Möbel aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg erkennbar. Das Schlafzimmer sieht aus wie ein Kabinett in einem Schloß. Im Atelier stehen noch weitere Möbel, ganz oder teilweise restauriert, und auf den Fluren der Fachschule ebenfalls. Andrej Barinow hat nämlich große Pläne: er will ein Museum einrichten. In der ersten Abteilung soll die Geschichte des Waldauer Schlosses dargestellt werden. Er hat sich Stiche aus dem Archiv in Königberg von dem Archivar Anatolij Bachtin, der sich um die Geschichte der Kirchen im nördlichen Ostpreußen verdient gemacht hat, und aus dem Museum Königsberg in Duisburg beschafft. Die zweite Abteilung soll Peter dem Großen gewidmet sein. Dreimal besuchte Zar Peter Königsberg, 1711, 1712 und 1713, und stets war auch das Schloß in Waldau Aufenthaltsort oder sogar Übernachtungsstätte. Außerdem war es ab 1525 Residenz von Herzog Albrecht. Später waren zeitweise die Grafen Dönhoff Besitzer, so die Recherche- ergebnisse von Andrej Barinow. Er will mit Puppen und Möbeln ein Demirama einrichten, ein Zimmer, in das man durch einen Spalt hineinschaut und alles halb so groß wie in Wirklichkeit erblickt, und zwar aus der Zeit von Peter dem Großen. Die dritte Abteilung soll dem Freiheitsdichter Maximilian von Schenckendorff aus Tilsit gewidmet sein, der im Schloß von Waldau seine bei einem Duell durchschossene Hand heilte. In einer vierten Abteilung soll die Geschichte Waldaus präsentiert werden, das 2004 ein großes Jubiläum feiern wird. In einer fünften Abteilung soll der Zweite Weltkrieg dargestellt werden, die Vertreibung der Deutschen, der Zustand der Gegend danach, die Neubesiedlung durch die Russen.

Das Museum ist sein großes Etappenziel. Ohne die Hilfe der Deutschen geht es nicht, und hier fällt wieder der Name Willi Skulimma. Wieder hat Willi - so nennt ihn nun einmal jeder in der Gegend - eine ansehnliche Gruppe deutscher Touristen gebracht, wieder hat er seiner Gruppe die neuesten Renovierungen im Kinderhort in Waldau vorführen können, und auf der Terrasse eines kleinen Restaurants wurde die Reisegruppe bewirtet. Junge Leute haben dieses Restaurant aufgemacht und wollen, mit Billard-Tisch und Bar im Keller, vor allem ein jüngeres Publikum anziehen. Der Besuch der rund 40 deutschen Touristen war eine hübsche Hilfe für das junge Unternehmen.

Für Andrej Barinow übernimmt Willi Kurierdienste. Im Herbst brachte er aus Duisburg wichtige Unterlagen mit. Die Zusammenarbeit der Waldauer funktioniert bestens.

Wo soll das Museum sein? Eine berechtigte Frage, auf die Georg Artemjew, Schulleiter aus Heiligenwalde, eine gute Antwort hat. "Wozu haben wir die Kirche?" Die Kirche von Heiligenwalde, die am besten erhaltene Dorfkirche des Gebiets, ist endlich an die Schule von Heiligenwalde übergegangen. Die Restaurierungsarbeiten laufen an. Georg Artemjew, Vorsitzender des russischen Vereins zur Erhaltung der Kirche in Heiligenwalde, kann auf einen schönen Erfolg, aber auch auf ein hartes Stück Arbeit zurückblicken. Mitunter möchte er den Staffelstab weitergeben; ein zehnjähriger Kampf mit den Behörden reibt auf. Aber als Germanist und hauseigener Dolmetscher ist er für den deutschen Verein zur Erhaltung der Kirche unentbehrlich, verfügt er doch auch über die größte Sachkompetenz. In Heiligenwalde verläuft die Zusammenarbeit zwischen Deutschen und Russen genauso gut wie in Waldau; in zehn Jahren hat sich eine Freundschaft mit familiärer Prägung entwickelt.

Doch nicht nur Meister des Kunstgewerbes hat Waldau zu bieten. Als Beispiel sei hier der Schriftsteller Georg Artemjew genannt. Seine erste Novelle "Susannenthal", erschienen im "Verlag Heiligenwalde", verarbeitet eine alte deutsche Sage zu einer spannenden Liebesgeschichte um 1600. Eine weitere Erzählung, "Der große Jäger", spielt im hohen Norden, wo Georg Artemjew, der aus Sibirien stammt und seit 14 Jahren im Königsberger Gebiet lebt, eine Zeitlang als Journalist tätig war. Eine interessierte Leserschaft wartet bereits auf seine nächsten Veröffentlichungen.

Und noch eine Künstlerpersönlichkeit hat Waldau zu bieten. Va-lentina Barinowa malt, ohne es je gelernt zu haben. Ihre natürliche Begabung entdeckte sie, als das Ehepaar Barinow im Norden lebte und die langen Nächte ausgefüllt werden mußten. Nun kann sie ganze Ausstellungen mit ihren kunstvoll be- malten Dosen, Tellern und Figuren bestücken, die natürlich auch beliebte Andenken bei den Touristen sind. Auch ihre Bilder finden Anklang.

Eine besondere Kunst im Hause Barinow darf nicht unerwähnt bleiben. Es ist die Kunst der besonderen kulinarischen Genüsse, die es in dieser Region immer gab und auch heute noch gibt. Barinows haben zwei Kühe, und den Gästen werden selbstgemachte Butter und selbstgemachter Käse angeboten. Daß Butter und Käse aus der Milch von Kühen, die das Gras der Pregelwiesen gefressen haben, am besten schmecken, ist natürlich keine Frage.