25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
18.01.03 / Münchner Kammerspiele beschäftigen umstrittenen Macher der Wehrmachtsausstellung

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 18. Januar 2003


Selbst Reemtsma distanziert sich
Münchner Kammerspiele beschäftigen umstrittenen Macher der Wehrmachtsausstellung
von Meinrad von Ow

Im Januar 1946 fand in Minsk ein Schauprozeß gegen 18 deutsche Kriegsgefangene - neun Wehrmachtsangehörige, sieben Angehörige der SS, des SD und der Polizei sowie zwei Sonderführer - statt. Wyschinski, der berüchtigte Ankläger der Moskauer Schauprozesse von 1937, leitete die Kommission, welche Ende 1945 die Voruntersuchungen durchführte und die Urteile vor Prozeßbeginn festsetzte. Nichts im Prozeß war dem Zufall überlassen. Die angewandten Foltermethoden sind längst aktenkundig, die Aussagen russischer Zeugen als vorgefertigt nachgewiesen.

Hannes Heer ließ als Leiter der ersten Ausstellung „Verbrechen der Wehrmacht“ die Minsker Prozeßakten übersetzen und kündigte sie als Buch mit 950 Seiten an. Jan Philipp Reemtsma legte jedoch sein Veto gegen die Veröffentlichung ein, weil „das Zustandekommen der Aussagen zumindest unklar, wahrscheinlich in vielen Fällen durch Folter erpreßt war“. Trotzdem ließ er zu, daß Hannes Heer im Katalog der Ausstellung auf zwölf Seiten 16 Aussagen und „Geständnisse“ deutscher Soldaten und SS-Führer über Kriegsverbrechen aus den Prozeßakten veröffentlichte. Ergänzend beschei- nigte Professor Dr. Messerschmidt, Protektor und später Gutachter der Ausstellung, dem Prozeß „verfahrensrechtliche Qualität“.

Reemtsma verkündete am 4. November 1999 die „vorübergehende Schließung“ mit Überprüfung der Ausstellung. Dann entließ er Hannes Heer und seine Mannschaft. Ein Jahr später dankte Reemtsma den acht von ihm ausgewählten Gutachtern für ihren Abschlußbericht, in dem sie die Kernthesen der Ausstellung bestätigten und sie von Fälschungen und Manipulationen freisprachen. Er folgte jedoch nicht ihrem Rat, die Ausstellung in überarbeiteter Form weiter zu zeigen, und trennte sich vom Förderverein der Ausstellung, der erklärt hatte, die Gründe für eine Nichtbeteiligung Heers an einer Überarbeitung seien hinfällig. Reemtsma kündigte statt dessen eine „wasserdichte“, neu konzipierte Ausstellung an. Nach zweijähriger Vorarbeit wurde sie im November 2001 in Berlin eröffnet. Der Minsker Prozeß erscheint darin nicht mehr. Schon die Gutachter hatten von den Prozeßzitaten Heers nur eine Aussage behandelt und als „erscheint zweifelhaft“ bezeichnet.

In München wurde die neue Ausstellung vom 11. Oktober bis 24. November 2002 gezeigt. Wie schon 1997 wurde das Begleitprogamm in Zusammenarbeit mit dem Reemtsma-Institut durch Dr. Angelika Baumann vom Kulturreferat, Gründungsmitglied des Fördervereins, aufgestellt. Sie betonte ihre Absicht, nur neue Veröffentlichungen zum Thema Wehrmacht einzubeziehen. Das hinderte die „Münchner Kammerspiele“ nicht daran, die Inszenierung eines „Textkörpers Minsker Prozeß“ von Hannes Heer anzukündigen. Der Autor des Textes hat daraufhin dem Theater seine Bedenken mitgeteilt und die Ergebnisse seiner Ermittlungen zur Verifikation des Textes angeboten.

Der Chefdramaturg stellte demgegenüber fest, die Überprüfung der ersten Ausstellung hätte „unmißverständlich die Seriosität der Heerschen Quellenarbeit bestätigt, Fälschungen hätte die Ausstellung nicht enthalten“. Das Thema sei bereits seit langem mit Angelika Baumann abgesprochen. Dieselbe längst widerlegte Ansicht vertrat auch der Intendant Frank Baumbauer, der bereits 1995 am Hamburger Schauspielhaus „in enger Zusammenarbeit mit den Herren Reemtsma und Heer an den begleitenden Programmen der Ausstellung beteiligt war.

So begeben sich also zehn irregeführte Schauspieler, darunter Daphne Wagner, die Urenkelin Richard Wagners, nicht in die angekündigten „Archive des Krieges“, sondern in die Archive des NKWD und tragen am 17. November die entsetzlichen Beschuldigungen des sowjetischen Staatsanwaltes, die erfolterten Geständnisse der Angeklagten und die präparierten Aussagen russischer Zeugen vor. Immer neue Fälle vom Wüten der Wehrmacht, von Erschießungen und Massenmorden an russischen Zivilisten und Kriegsgefangenen, vom Niederbrennen friedlicher Dörfer und Hütten, oft samt Frauen und Kindern, wurden mit irrwitzigen Opferzahlen verknüpft. Die längst aus deutschen Justizakten bekannte Wahrheit wird nicht mit einem einzigen Wort erwähnt.

Die zehn Schauspieler verabschieden sich, 200 ahnungslose junge Zuhörer reagieren nicht mit betroffenem Schweigen - sie klatschen Beifall. Beifall war auch bei den 100.000 Zuschauern in der Minsker Trabrennbahn aufgekommen, als das Todesurteil am 30. Januar 1946 durch Erhängen an 14 Deutschen vollstreckt wurde.

Der Verfasser dieses Textes hat anschließend Jan Philipp Reemtsma über diese Veranstaltung informiert und ihm vorgeschlagen: „Es wäre hilfreich, wenn Sie noch vor Ablauf der Ausstellung am 24. November den Handlungsspielraum nutzen würden, um eine Klärung vor der getäuschten Öffentlichkeit herbeizuführen.“ In der Antwort, die nach einer Rückfrage am 24. Dezember eintraf, heißt es:

„Verantwortlich für das Beiprogramm zur Ausstellung ist nicht das Institut. Als Heer noch Mitarbeiter des Hauses war, hatte er die Publikation der Minsker Prozeßakten vorgeschlagen. Ich habe dies damals abgelehnt, und zwar auch aus dem von Ihnen angeführten Grund, daß das Zustandekommen der Aussagen zumindest unklar, wahrscheinlich in vielen Fällen durch Folter, erpreßt war. Was aber ein ehemaliger Mitarbeiter mit den Prozeßakten tut, ist seine Sache bzw. die des Veranstalters. Verantwortlich für Konzeption und Durchführung des Beiprogramms ist aber nicht das Institut, sondern die Stadt München. Wir haben uns an keinem Ausstellungsort in die Gestaltung des Beiprogramms eingemischt, ob es uns gefiel oder - aus welchen Gründen auch immer - nicht. Jan Philipp Reemtsma.“

Auch Prof. Hans Mommsen, der Vorsitzende seines wissenschaftlichen Beirats, Vertreter der Stadt München, des Rundfunks, Redakteure eines Wochenmagazins und einer überörtlichen Zeitung waren in den Tagen nach Heers fragwürdiger Inszenierung informiert. Statt ihren Handlungsspielraum zu nutzen, haben sie lieber geschwiegen.