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18.01.03 / »Denk ich an Deutschland …« / Erinnerungen wider die Geschichtspolitik der Gutmenschen

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 18. Januar 2003


»Denk ich an Deutschland …« / Erinnerungen wider die Geschichtspolitik der Gutmenschen
von Lienhard Schmidt

Für Mitläufer der Spaßgesellschaft ist es schon von der Thematik her ein Ärgernis, fast ein Unwort, Deutschland als Nation, als Vaterland. Sollen sich doch die ohnehin aussterbenden Patrioten an diesem Schnee von gestern ergötzen, man hat doch das globale Dorf, in dem es sich so herrlich leben läßt (solange die Kasse stimmt).

Über ein „Geschichtsgefühl“, über Nation, Patriotismus und demokratische Kultur zu reden, wie Martin Walser es am 8. Mai 2002 auf Einladung des Bundeskanzlers im Berliner Willy-Brandt-Haus tat, das ist dann für als notorische Ausgrenzer bekannte Gutmenschen eine unerhörte Provokation. Vielleicht merken diese Weltmeister des erhobenen Zeigefingers noch einmal, wie gefährlich nahe sie sich an die Bücherverbrennungspraxis eines Josef Goebbels unseligen Angedenkens heranwagen. Der Dissident Vladimir Bukowski hat solche Ausgrenzungspraktiken sehr treffend charakterisiert als den Versuch, Andersdenkende in einen intellektuellen GULag zu verbannen.

„Denk ich an Deutschland in der Nacht, so bin ich um den Schlaf gebracht“, so Heinrich Heine vor mehr als 150 Jahren. Uns heutige sollte die Tatsache um den Schlaf bringen, wie wenig die „Nachgeborenen“ aus der Geschichte gelernt haben. Wie könnten sie es auch, wenn Beschäftigung mit Geschichte aus Prinzip vernachlässigt und auf das offensichtlich für sakrosankt gehaltene Marxismusmodell (die Blutspur wird übersehen) und die mehr als berechtigte Verurteilung der Verbrechen des Nazi-Regimes beschränkt wird.

Was mich am meisten an der Rede von Martin Walser am 8. Mai 2002 beeindruckte, war der Satz: „Wozu gehört man einer bestimmten Generation an, wenn man die Erfahrung dieser Generation dann verschweigt? Das muß ja zum Geschichtsverlust führen. Um den zu vermeiden, sind Intellektuelle da.“

Wenn ich nun versuche, einige eigene Erfahrungen einzubringen, dann nicht, weil ich glaube, ein Intellektueller zu sein, sondern weil ich als Zeitzeuge aus kritischen Jahren Fakten nennen kann, die aufzeigen, daß keineswegs alle Deutschen Hitlers willige Vollstrecker oder Helfer waren. Die pauschale Verfemung von Gruppen, die Erklärung ganzer Völker oder Rassen zu Alleinschuldigen an begangenem Unrecht, entbehrt jeder sachlichen Grundlage, vergiftet das Klima zwischenmenschlicher wie auch zwischenstaatlicher Beziehungen und verletzt die Menschenwürde.

(Die üblicherweise in Presse-Kommentaren verpönte Ich-Form wird sich allerdings im nachfolgenden Bericht nicht vermeiden lassen.)

In der Deutschordensstadt Marienwerder erblickte ich im Jahre 1925 das Licht der Welt. Marienwerder war damals Hauptstadt des Regierungsbezirks Westpreußen in der nach Versailles als Insel beim Deutschen Reich verbliebenen Provinz Ostpreußen. Die Siegermächte hatten immerhin, unter britischer und italienischer Aufsicht, im Regierungsbezirk Marienwerder eine Volksabstimmung über den Verbleib bei Deutschland durchführen lassen. Dieses Privileg war den meisten der zur Abtretung an Nachbarländer vorgesehenen Gebieten nicht vergönnt. Weit über 90 Prozent votierten für den Verbleib im deutschen Reichsverband. Diese partielle Anwendung des Selbstbestimmungsrechtes überlebte, wie manches andere, die von den Siegern im Februar 1945 in Jalta beschlossene neue „Weltordnung“ nicht.

Meine Schulzeit begann 1932 in Deutsch Eylau. Weder auf der Grundschule noch später im Gymnasium konnte ich nationalsozialistische Indoktrination bemerken, mit Ausnahme einer gewissen Einseitigkeit in den beim Geschichtsunterricht verwandten Schulbüchern und mit Ausnahme eines von einer NAPOLA (politischen Sonderschulart) an unser Gymnasium versetzten Direktors löste 1942 den - wie fast die gesamte Lehrerschaft - altpreußisch agierenden Direktor ab. Sein Nachfolger forderte uns auf, HJ-Abzeichen an unseren Mützen anzubringen.

Nur wenige taten das. Im übrigen widerstanden wir den wiederholten Werbeaktionen der Waffen-SS durch vorzeitige freiwillige Meldungen zur Wehrmacht.

Doch zurück zu den Anfangsjahren der NS-Herrschaft.

Auch in unserem kleinen Deutsch Eylau (circa 12.000 Einwohner), im Südwesten Ostpreußens nahe der polnischen Grenze gelegen, lebten einige jüdische Mitbürger. Sie waren seit Generationen dort ansässig, voll integriert. Nach 1933 klebten an ihren Läden, in der Hauptstraße waren es zwei oder drei, Plakate: „Der Deutsche kauft nicht beim Juden.“

Meine Mutter ließ sich nicht abhalten, dennoch ein Schuhgeschäft zu betreten, das der jüdischen Familie Cohn gehörte. Wir hatten dort stets eingekauft. Ein SA-Posten hatte nun meine Mutter bei ihrem „Sündenfall“ fotografiert. Kurz darauf erhielt sie die Mitteilung, daß ein Verfahren gegen sie eröffnet sei. Meinem Vater gelang es unter Einschaltung höherer Reichswehroffiziere (mein Vater war schon im Ersten Weltkrieg Frontoffizier und nach 1933 Reserveoffizier in der Reichswehr) und mit Hilfe anderer Freunde, das Verfahren, wenn auch mit einiger Mühe, niederzuschlagen.

Er sandte mich wenig später zu einer älteren jüdischen Dame, die dringend einer Zahnbehandlung bedurfte, um sie nach Einbruch der Dunkelheit in seine Praxis zu bitten.

Im Winter 1934/35 stellte unser Hausarzt bei mir einen beginnenden TBC-Infekt fest. Er empfahl meinen Eltern einen jüdischen Kinderarzt und Lungenspezialisten in Ostpreußens Hauptstadt Königsberg. Meine Mutter ist mit mir sofort bei Dr. Curt Falkenheim erschienen, der mich nach sorgfältiger Untersuchung zur umgehenden Kur in ein Kinderheim mit Schulbetrieb und ärztlicher Betreuung überwies. Im Kleinen Walsertal, bei den Geschwistern Bergengrün, Kusinen des bekannten Dichters Werner Bergengrün, wurde ich kuriert. Die Nachbehandlung im Frühjahr 1936 führte Dr. Falkenheim nicht mehr durch, er war inzwischen mit seiner Familie glücklicherweise auf der „Derengarua“ (einem Ozeanriesen, der ehemaligen „Vaterland“) in die USA ausgewandert und hatte in Rochester am Ontario-See eine neue Existenz gründen können. Auch Familie Cohn konnte noch rechtzeitig nach Palästina gelangen. Was aus dem jüdischen Kollegen von Dr. Falkenheim geworden ist, der im April 1936 in Königsberg unter großen Vorsichtsmaßnahmen (herabgelassene Jalousien etc.) meine Lunge nochmals überprüfte, ist mir nicht bekannt. Ich erinnere nur, daß auch er seine Auswanderung plante.

Ein Onkel von mir, Hanns Jänke, war Ministerialdirigent im preußischen Finanzministerium in Berlin, das der später in Verbindung mit dem 20. Juli 1944 hingerichtete Minister Popitz leitete. Als Personalchef des Ministeriums war es meinem Onkel immer wieder gelungen, bis zum Ende des Krieges zwei halbjüdische Amtsräte vor dem Zugriff der Gestapo zu retten. Vielleicht half ihm dabei auch der Umstand, daß er Parteimitglied war. Im Sommer 1945 wurde ihm das, vielleicht auch nur sein hohes Amt, zum Verhängnis. Sowjetische Soldaten holten ihn in Berlin-Dahlem aus seiner Wohnung. Nach Jahren konnte die Familie in Erfahrung bringen, daß er im Konzentrationslager Buchenwald einen schlimmen Tod gestorben ist.

Die in der NS-Zeit vor dem KZ geretteten Amtsräte schrieben der Witwe meines Onkels, einen mitmenschlicheren Vorgesetzten als ihn könnten sie sich nicht vorstellen.

Ich will es bei diesen Beispielen bewenden lassen, bin aber überzeugt, daß es in vielen Familien eine große Zahl ähnlicher Vorfälle gibt. Sie werden kaum bekannt, weil noch lebende Zeitzeugen sich scheuen, von gelebter Menschlichkeit in der NS-Zeit zu sprechen. Auch ich habe lange gezögert.

Aber die anhaltende Sucht lange nach dem furchtbarsten und folgenreichsten aller Kriege geborener Gutmenschen, den Deutschen Selbstgeißelung als Dauerkonzept der Vergangenheits- bewältigung zu empfehlen, läßt längeres Schweigen nicht mehr zu.

Als warnendes Beispiel für die Folgen von zu langem Schweigen und von der Verweigerung, die Wirklichkeit zur Kenntnis zu nehmen, steht mir der Verlauf der Französischen Revolution vor Augen, die schließlich ihre eigenen Kinder fraß. Ein gerade für diesen Aspekt besonders aufschlußreicher Film lief kürzlich unter dem Titel „Die Französische Revolution - Jahre der Hoffnung“ über den Fernsehschirm. Als ich diesen 1989 entstandenen Film 1990 in Paris als Video-Kassette erwarb, hieß der Titel: „Les Années terribles“. Historische Tatsache ist, daß die Hoffnung sehr rasch abgelöst wurde durch den Terror als Mittel der Tugend-erzwingung. Wobei unter Tugend in der abstrusen Definition eines Robespierre letztlich die Akzeptanz dessen zu verstehen war, was der „unfehlbare“ Wohlfahrtsausschuß zwecks eigenen Machterhalts für richtig hielt.

Die Frage der spätgeborenen Gutmenschen an die Deutschen im braunen Reich, warum sie denn nichts gegen die NS-Herrschaft unternommen hätten, wage ich mit der Gegenfrage zu beantworten: Was wohl hinderte die Menschenmassen auf der Place de la Concorde in Paris, wo die öffentlichen Hinrichtungen stattfanden, die Abschlachtung Dantons zu sabotieren, schließlich war er der Liebling des Volkes, gleiches gilt für die Enthauptung von Camille Desmoulin, dem Publizisten der (inzwischen verratenen) Ideale der Revolution und seiner Frau?

Viele Tausende wurden Opfer dieser viehischen Schlachtfeste vor aller Augen, als Urteilsbegründung reichte in der Regel die Zugehörigkeit zu einem (von den Menschenrechten ausgegrenzten) Stand oder irrwitzigste Verleumdung. Da kommen schon Vergleiche hoch mit den rassistischen Ausmerzungskriterien und Praktiken der Himmler, Heydrich und Genossen, nur fanden die schlimmsten Exzesse vor den Augen der Öffentlichkeit verborgen statt. Man war sich der Zustimmung der breiten Massen wohl nicht so sicher!

Auf der Place de la Concorde waren die Wachsoldaten und Schergen der Machthaber in verschwindender Minderheit gegenüber den versammelten Volksmassen. Deren Mehrheit dürfte sehr wohl begriffen haben, was da geschah. Aber vermutlich hielt sie die Furcht vor der Brutalität der Diktatoren zurück, auch wohl die Angst vor der Unberechenbarkeit einer Clique, der es schon längst nicht mehr um das Gemeinwohl ging, sondern nur um den Erhalt ihrer Macht.

Wo fängt nun die Mitverantwortung an den Untaten eines Regimes an, wo hört sie auf, wer käme auf die Idee, etwa alle Franzosen für die Verbrechen des „Terreur“ verantwortlich zu halten?

Was die da oben machen, wird nur zu oft, überall in der Welt, als Schicksal, als unabwendbar in dumpfem Fatalismus hingenommen. Aufbegehren wird leicht empfohlen, doch vom sicheren Port der Nachgeborenen läßt sich’s gemächlich raten.

Ich denke an den Abend des 20. Juli 1944 zurück. Ich war damals zur Grundausbildung auf dem Truppenübungsplatz Zeithain bei Riesa in Sachsen. Plötzlich wurde Alarm gegeben. In einen Saal zusammengeführt hörten sich dann etwa 800 Soldaten die Ansprache des Ortskommandanten an.

In markigen, wenn auch etwas gekünstelten Worten teilte er uns mit, daß eine Gruppe von Verrätern versucht hätte, den Führer umzubringen. Dieser hätte aber überlebt. Die Schuldigen, sofern nicht schon exekutiert, würden einer gerechten Strafe zugeführt. Einige Namen wurden dann genannt. Mir als Ostpreußen wurde schnell bewußt, daß hier die Blüte des preußischen Adels sehr stark involviert war, was meine ohnehin vorhandenen Zweifel am NS-Regime noch verstärkte Begeisterung über Hitlers Überleben war nicht zu spüren. Allen im Saal war wohl die Hoffnungslosigkeit der Lage, in der sich Deutschland befand, stärker Augen, als je zuvor. Wenn wir als einfache Landser auch nicht viel mitbekamen, von dem, was draußen in der Welt geschah, die Nachricht von der bedingungslosen Kapitulation, welche die Alliierten als Voraussetzung für eine Beendigung des Schießkrieges beschlossen hatten, war auch zu uns vorgedrungen. In Zeithain hatte ich Kontakt mit Soldaten, die einer Strafeinheit angehörten. Es waren meist „Intellektuelle“, die durch kritische Bemerkungen aufgefallen waren.

Sie waren daher einer „Sonderbehandlung“ zugeführt worden. Im Kriegsjahr 1944 war man rasch ein Wehrkraftzersetzer, wenn man Dinge ansprach, die in weniger kritischen Zeiten als Stoßseufzer eines Landsers kaum Aufsehen erregt hätten.

Nicht nur die nationalsozialistischen Führungsoffiziere, die nach dem Attentat vom 20. Juli ihr Unwesen in der Wehrmacht trieben, Feldgendarmerie und SD waren bis in die letzten Kriegstage nahezu allgegenwärtig. Auch so mancher kleine Mitläufer hoffte auf Promotion, wenn er Kameraden verpfiff, die regimekritische oder am Endsieg zweifelnde Äußerungen machten.

Wie „verklemmt“ damals alles lief, wird auch daran deutlich, daß ich nach meiner Verwundung an der schlesischen Front bei Hirschberg zu drei Tagen Arrest verurteilt wurde, weil meine kleine Gruppe von zehn Mann den anbefohlenen Bunker (sprich: Grube mit Holzplanken und Erdabdeckung) noch immer nicht fertiggestellt hatte. Mir war der in einem verlassenen, recht stabilen Ziegelhaus von uns als Unterkunft benutzte Gewölbekeller als besserer Schutz gegen russisches Granatwerfer und Artilleriefeuer erschienen. Mit etwas Pech hätte ich damals durchaus wegen Befehlsverweigerung an die Wand gestellt werden können. Die notwendig werdende Behandlung meiner Kopfverwundung ersparte mir dann nicht nur die Strafe, sondern auch Tod oder Gefangennahme durch die rote Armee.

Über verschiedene Lazarette gelangte ich nach Pilsen. Der Marschbefehl nach Budweis wurde Anfang Mai 1945 dann durch tschechische Freischärler in eine Ausweisung in Richtung Bayern umfunktioniert. Mein kleines Häuflein gehfähiger Verwundeter wurde wenig später von US-Soldaten der Armee Pattion gefangen genommen und versorgt.

Ohne meine Verwundung hätte ich, wie meine zurückgebliebenen Kameraden an der schlesischen Front, bis zur letzten Patrone gekämpft, um den Vormarsch der zu allen denkbaren Exzessen aufgeputschten roten Armee zu verlangsamen und der Zivilbevölkerung mehr Zeit zur Flucht nach Westen zu verschaffen. Das hat überhaupt nichts mit einem Einsatz für den wahnsinnigen „Führer“ zu tun, sondern war einfach die Pflicht deutscher Soldaten, unsere Landsleute vor Mord, Verschleppung und Vergewaltigung im Rahmen des noch möglichen zu schützen. So, wie die Marine es auch in der Ostsee beim Abtransport unzähliger Vertriebener aus den Brückenköpfen in Ost- und Westpreußen und in Pommern getan hat.

Heute klug daher schwätzende Friedensfreunde und Antifaschisten scheinen eine Massendesertation für die besser Lösung des Problems zu halten.

Möge ihnen in ihrem Leben die Situation erspart bleiben, in der sich deutsche Soldaten und Vertriebene im Winter und Frühjahr 1945befanden.

Wer damals dabei war, wird für die Kaltschnäuzigkeit und Arroganz keim Verständnis aufbringen, die sich in der Wiener Demonstration gegen die Gefallenen-Ehrung am Heldenplatz offenbarte. Die Schizophrenie der Gralshüter von Menschenrechten gibt zu denken. Menschenrechte und Menschenwürde sind keine Güter, die von marxistisch infizierten Tribunalen zugeteilt oder verweigert werden. Sie gelten für jeden.

Prinz Eugen von Savoyen schrieb im Jahre 1704: „Sie schreien nach uns (den Soldaten) um Hilfe, wenn ihnen das Wasser ins Maul rinnt, und wünschen uns vom Hals, kaum als einen Augenblick dasselbige verschwunden.“

Da bleibt eigentlich nur noch die Frage, wer wird in Zukunft noch Leib und Leben riskieren, wenn das Gemeinwohl es verlangt? Vielleicht treten die Edelmenschen dann einmal vor?