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25.01.03 / Künasts grüne Schnäppchen-Jagd

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 25. Januar 2003


Hans-Jürgen Mahlitz:
Künasts grüne Schnäppchen-Jagd

Ganz schön kühn, die Frau Ministerin: Renate Künast will die Verbraucher schützen - nicht vor zu hohen, sondern vor zu niedrigen Preisen. Für ihre Forderung, mit neuen, verschärften Wettbewerbs- und kartellrechtlichen Regelungen Lock-

angebote und Preisdumping zu bekämpfen, bekam sie Gegenwind von fast allen Seiten. Ihr eigener Kabinetts-Chef Gerhard Schröder meldete Zweifel an, Oppositions-Vize Friedrich Merz schimpfte über die "durchgeknallte" Verbraucherschutzministerin, Bild titelte kurz und bündig "Unsinn", und der Präsident des Bundeskartellamtes, Ulf Böge, befand kühl, die bestehenden Regelungen seien durchaus "ausreichend".

Dabei hatte die grüne Ministerin es doch so gut gemeint! In Wirklichkeit will sie die Verbraucher nämlich nicht vor Schnäppchen im Supermarkt schützen, sondern vor einem Verfall der Qualität landwirtschaftlicher Produkte. Und da hat sie eigentlich recht.

Man muß nicht unbedingt ein ideologisch Fixierter des extremen Öko-Landbaus sein, um zu wissen, daß hohe Qualität ihren - nicht nur sprichwörtlichen - Preis hat. Das gilt bereits für pflanzliche Produkte: Der Verzicht auf umweltbelastende und gesundheitsschädigende Düngemittel und Pestizide ist nicht zum Nulltarif zu haben. Und bei tierischen Produkten muß man erst recht tiefer ins Portemonnaie greifen, wenn man Wohlschmeckendes von artgerecht und natürlich gehaltenen Kreaturen verspeisen will.

Ein Beispiel aus der Pflanzenwelt: Holländische Treibhaus-Tomaten sind zwar billig, schmecken aber im besten Falle nach gar nichts; allenfalls finden sie Anerkennung unter PR-Fachleuten als erfolgreiche Methode, in rote Haut verpacktes Wasser zu verkaufen. Noch schlimmer geht es im Tierreich zu: Die Haltung in Legebatterien und Mastkäfigen wird nicht nur - völlig zu Recht - als Tierquälerei und übelste Geschäftemacherei geahndet, auch qualitativ liegen wahre Welten zwischen einem tiefgefrorenen "Fabrik"-Hähnchen und einem Poulet de Bresse - die Hühnchen aus der Schlemmerregion um Lyon werden als weltweit wohlschmeckendstes Federvieh gerühmt; freilich sind sie auch die mit Abstand teuersten.

Es gibt eben eine Preisschwelle, unterhalb der Qualität überhaupt nicht mehr machbar ist. Es ehrt die grüne Ministerin, daß sie die Verbraucher vor den damit verbundenen Gefahren schützen will. Und ihrem Vorstoß kann auch deshalb Sympathie abgewonnen werden, weil der gegenwärtige Preiskampf den traditionellen mittelständischen Einzelhandel vollends kaputtmacht und nur den Branchenriesen nützt. Immerhin beherrschen sechs Handelsketten 80 Prozent des deutschen Lebensmittelmarktes. Zudem schadet der Preisverfall den Bauern, die mehrheitlich um qualitativ hochwertige Produkte bemüht sind.

Aber warum mußte Frau Künast ausgerechnet jetzt vorpreschen? In diesen Tagen erhalten Millionen deutsche Arbeitnehmer ihre erste Gehaltsabrechnung des neuen Jahres - für die meisten ein gewaltiger Schock: Vater Staat als Straßenräuber. Höhere Sozialabgaben, höhere Steuern, weniger netto, und das bei steigenden Gebühren und Preisen: Da können viele es sich gar nicht mehr leisten, nach dem Qualitäts-

niveau ihres täglichen Brotes zu fragen. Da muß gespart werden, da kann man nicht mehr fragen, ob die Eier von freilaufenden Hühnern, die Milch von glücklichen Kühen und das Schnitzel von sich artgerecht suhlenden Schweinen stammt. Und da kann auch auf "Einzelschicksale" (wie das von "Tante Emma" an der Ecke) keine Rücksicht genommen werden.

So bedarf Frau Künasts Vorpreschen im Preiskrieg der Schnäppchen-Multis einer Ergänzung: Die grüne Ministerin hätte ihren bei Steuern und Sozialabgaben federführenden roten Ko-alitionspartner dringend mahnen müssen: Gebt den Menschen endlich mehr Geld in die Hand, statt ihnen immer mehr vom mühsam Erarbeiteten abzuknöpfen, dann können sie sich auch beim Essen mehr Qualität leisten. Verbraucherschutz als Beitrag zur Steigerung der Volksgesundheit und der Eßkultur - und zugleich als mittelstandsfreundliches Konjunkturprogramm - da würde wohl nicht nur Deutschlands organisierte Bauernschaft jubeln.