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25.01.03 / Nur ein Spiel des Zufalls?

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 25. Januar 2003


Nur ein Spiel des Zufalls?
von Robert Jung

In einem kleinen Ort bewegt sich vor dem Haus seiner Eltern in den ersten Abendstunden, sichtlich verlegen, ein junger Mann. Vor ihm haben sich gleich drei Reporter aufgebaut. Sie wollen unbedingt wissen, was er, der Oberschüler, am gestrigen Tag erlebte und wie er zu seinem Erlebnis stehe? "Wenn Sie mir einen Gefallen tun wollen", stößt der 18jährige hervor, "dann gehen Sie sofort hier weg. Ich möchte unter gar keinen Umständen, daß irgend jemand etwas von dieser Sache erfährt. Und wenn wir hier noch lange miteinander diskutieren, dann hören es meine Eltern. Gerade dies aber möchte ich unbedingt vermeiden!" - "Wie? Sie haben Ihren Eltern nichts von ihrem Erlebnis gesagt?" fragt einer der Reporter aufgeregt. "Das verstehe ich nicht, ist mir einfach unbegreiflich!" - "Warum sollte ich auch das tun, frage ich Sie? Ich finde wirklich nichts dabei, was ich gestern getan habe ..."

In diesem Augenblick öffnet sich die Haustür, sein Vater erscheint, alle Geheimhaltung ist nicht mehr nötig. Es ist eine nicht alltägliche Geschichte, doch kann sie sich auch andernorts ereignen. Nur vielleicht nicht mit dem Abschluß. Er erzählt in kurzen, knappen Sätzen ...

"Ich kam wie jeden Tag gegen 17.30 Uhr aus der Schule und fuhr am Fluß entlang nach Hause. Als ich mit meinem Motorroller über die Brücke biegen wollte, sah ich links am Brückengeländer den Schatten einer Frau. Plötzlich hörte ich einen gellenden Schrei. Der Schatten war verschwunden, hatte sich in Nichts aufgelöst. Dann, als ich anhielt, klatschte unten etwas in die Tiefe. Die Frau war in den Fluß gesprungen. Ich sah von oben in die grauen Fluten, aber nirgends tauchte jemand auf.

Jetzt aber kam ein anderer Mann mit einem Motorroller vorbei. Ich sagte ihm, er möge sofort die Polizei rufen und dann zurückkommen, eine Frau sei vor wenigen Augenblicken an dieser Stelle ins Wasser gesprungen. Ich selbst zog meine Schuhe und die dicke Joppe aus, ohne viel zu überlegen, sprang ich in den Fluß. Das Wasser war verteufelt kalt, aber ich schwamm weiter. Nach etwa zwanzig Schwimmbewegungen sah ich mich um. Fast in der gleichen Sekunde kam die Frau wieder hoch aus dem Wasser. So rasch ich konnte, schwamm ich hinzu und ergriff die Verzweifelte an einem Arm. Jetzt, das wußte ich aus Büchern und Gesprächen in der Schule, begann der schwerste Teil meines Rettungsversuches. Ich mußte mich vor der Ertrinkenden schützen, die sich an mich klammerte und in die Fluten hinabzuziehen drohte. Aber nach einer Weile gelang es mir, sie doch ans Ufer zu ziehen. Die Frau war inzwischen ohnmächtig geworden, sie mochte um die fünfzig Jahre alt sein. Zusammen mit zwei Passanten trugen wir sie in die nahe Flußkneipe. In der Kneipe waren der Wirt und seine Frau so nett, mir ein trockenes Hemd und ein paar Strümpfe zu besorgen. Inzwischen war auch die Polizei gekommen. Soviel ich weiß, brachten sie die Frau in ein Hospital. Ich hatte auch keine Zeit mehr, mich darum zu kümmern. Denn um 19 Uhr wird daheim gegessen, und ich wollte nicht zu spät kommen."

"Mein Gott!" ruft sein Vater. "Warum hast du uns dies alles verschwiegen?"

"Ich finde das ganze nicht so wichtig", erwidert der Achtzehnjährige. "Andere hätten es auch getan."

Am anderen Morgen las sein Vater in der Zeitung: "Der achtzehnjährige Oberschüler, der die 65jährige Frau Jakubeit aus dem Fluß unter Lebensgefahr rettete, war nicht ihr einziger Lebensretter. Als kleines Kind zogen zwei achtzehnjährige Leichtmatrosen eines deutschen Hilfskreuzers sie aus den eisigen Fluten der Ostsee, nachdem die von einem russischen Torpedo getroffene ‚Wilhelm Gustloff' unterging. Für ihre Eltern kam jede Hilfe zu spät ..."

"Seltsam!" meinte der Vater. "Wie doch das Leben so spielt, auch da waren es zwei achtzehnjährige Lebensretter!"

Nehrungskiefern
von Fritz Kudnig

Von des Sturmwindes Faust

ewig gezerrt und ewig zerzaust,

stehn sie in

arg zerrissnem Gewand,

mit kurzen, kargen,

wie schmerzgekrümmten Ästen

im trockenen Sand -

wie hungrige, lumpenbehangene,

krüppelige Bettler

mit vielen Gebresten ...

Doch gehst du an ihnen vorüber, und hörst du sie raunen,

dann packt dich plötzlich

ein namenloses Staunen;

dein Mitleid, das heiß aus dem Herzen dir wollte aufsteigen,

das eben sich sanft, leidlindernd, über die armen, hungernden Krüppel wollte neigen,-

dein Mitleid lernt ... schweigen.

Du stehst nicht vor Bettlern;

dies krumme, verhungerte Holz

ist trotz seines Lumpengewandes wie Könige stolz!

denn - hat es auch keine Kleider, die prunken und gleißen -

und hat es auch knapp nur

sein trockenes Sandbrot zu beißen,

es fühlt sich als Sieger im Kampf um sein bitteres Sein! -

Und wenn du im Sturm

seine Äste hörst schrein,

es ist nur der Kampfruf

gewonnener Schlacht,

ist Hohn, der hinter

dem Feinde herlacht. -

Und fragst du drum,

sagt es dir geradeheraus:

Der Geist - nicht der Leib! -

macht das Leben aus! -