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08.02.03 / Arbeitsmarkt: Soziale Zeitbombe

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08.Februar 2003


Arbeitsmarkt: Soziale Zeitbombe
Heiko Peters über die dramatische Entwicklung in den neuen Bundesländern

Zwischen Ostsee und Riesengebirge, Elbe und Oder tickt eine Zeitbombe. Sie tickt seit 12 Jahren. Sie wird immer lauter. Wenn nicht rasch gehandelt wird, kann sie das gesamte, wiedervereinigte Deutschland in einer sozialen Implosion zermalmen.

Die galoppierenden Arbeitslosenzahlen in der Ex-DDR, die heute ein Niveau von 18 bis 20 Prozent erreicht haben, werden durch die gewaltige Abwanderung von ca. 2,5 Millionen Menschen, überwiegend nach West-Deutschland, noch kaschiert. Korrigiert man diese Zahlen und rechnet sie zurück, so kommt man zum Ergebnis der Vollbeschäftigung im Westen und einem Desaster von über 40 Prozent Arbeitslosigkeit im Osten.

Arbeitslosigkeit bedeutet nicht nur ein schlimmes individuelles Schicksal für jeden Betroffenen und seine Familie, häufig verbunden mit schweren psychischen Leiden wie Depressionen und Selbstzweifeln, sondern bürdet im modernen Sozialstaat auch der Allgemeinheit eine Last auf, unter der bei zu großen Summen die Staatsfinanzen aus dem Ruder laufen und die Bereitwilligkeit der Steuerzahler zur mitmenschlichen Hilfe überfordert werden können. Staatsverdrossenheit und Steuerverweigerung sind die Folge. Das Staatsschiff kann durch Überfrachtung untergehen.

Wie konnte es zu dieser dramatischen Entwicklung trotz allerbester Ausgangslage im ehemals als "Wirtschaftswunderland" bestaunten Deutschland kommen? Die Ähnlichkeit bei der Wende 1990 mit dem Startschuß zum Wirtschaftswunder im Jahre 1949 ist nicht zu übersehen: Ein völlig ruiniertes Land, Arbeit in gewaltigem Ausmaß und eine hochmotivierte Bevölkerung auf beiden Seiten des ehemaligen "eisernen Vorhangs". Im Westen ist die Bereitschaft, Opfer zu bringen, mit den Händen zu greifen, im Osten herrscht Jubel und Aufbruchstimmung. Nur: Die kostenträchtigen sozialen Vorschriften, die 40 Jahre Wucherungen in Westdeutschland hinter sich haben, werden rücksichtslos sofort auf den ausgepowerten Osten ausgedehnt. Und die Gesellschaftsschicht, die über 80 Prozent der Arbeitsplätze schafft, die aber 45 Jahre lang erbarmungslos davongejagt worden war, der Mittelstand mit seinen vielen hunderttausend rückkehrwilligen Mitgliedern, wird von Kohl und Schäuble mit jedem, aber wirklich jedem erdenkbaren Mittel an der Rückkehr in die häufig seit Generationen angestammte Heimat gehindert.

Da werden Unwahrheiten (Wiedervereinigung nur bei Beibehaltung der Konfiskationen 1945/49) über die bösen Russen dem Parlament erzählt (obwohl man doch gerade der Aufrichtigkeit und Klarheit Gorbatschows die Wiedervereinigung in erheblichem Maße zu verdanken hat), da scheut man sich nicht, die frei gewählte Volkskammer zu düpieren, die selber ohne jeden Vorbehalt dem Geltungsbereich des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland beigetreten war (am 24. August 1990 mit 292 gegen 64 Stimmen der SED), indem man den Beitritt am 30. September im Bundestag wiederholen ließ - diesmal mit einer schrecklichen Lüge, um das Grundgesetz manipulieren zu können.

Als Folge wird der Staat ermächtigt, die von den Kommunisten dem Bürgertum gestohlenen Besitztümer zu Gunsten des Staates zu verkaufen. Der Staat betreibt Hehlerei: Ein Delikt, für das im Strafgesetzbuch die Gefängnisstrafe angedroht wird. Die alten Betriebe aber, die nun keinen rechtmäßigen Eigentümer mehr finden, gehen reihenweise in den Konkurs. Millionen von Arbeitsplätzen werden in kürzester Zeit vernichtet. "Unrecht Gut gedeiht nicht gut" - selten hat sich ein Sprichwort so schrecklich bewahrheitet.

Mit Subventionen von über 500 Milliarden Euro wird an der Oberfläche retuschiert, werden Plätze und Straßen bepflastert, Kirchen neu gedeckt und Behörden in neuen prunkvollen Verwaltungsbauten etabliert - allein der Unterbau, das Fundament des arbeitenden, schaffenden, kreativen und fleißigen Mittelstandes, fehlt. Der selbsttragende Aufschwung stellt sich nicht ein. Ludwig Erhard würde heute an diesem Land verzweifeln.

In der Vergangenheit fehlte den Bundestagsabgeordneten schlicht der Mut, gegen Parlamentarier vorzugehen wie Wolfgang Schäuble (der in einer Mischung aus volkswirtschaftlicher Unkenntnis, Überheblichkeit und Neid die Betroffenen nach eigenem Bekunden belächelte), Theo Waigel (der sich brüstete, mit den Verkaufserlösen aus dem "Volkseigentum" die Wiedervereinigung zu finanzieren), Friedrich Bohl (der die Lügen der Regierung mit allen Mitteln deckte), oder Helmut Kohl (der wissentlich dem Parlament die Unwahrheit berichtete, um das Grundgesetz zu manipulieren) und diese Helden der Wiedervereinigung mit dem epochalen Skandal der "Enteignungslüge 1945/49" zu konfrontieren.

Den meisten Journalisten aber fehlte es an Phantasie, sich das Ausmaß des Skandals vorzustellen, oder sie waren eingebunden in die "political correct gepflegte" Landschaft und hofften, durch Schweigen Besserung zu erreichen. Das Gegenteil tritt ein: Je länger der Skandal unter der Decke gehalten wird, um so vernehmlicher wird das Grollen des heraufziehenden Gewitters und um so größer der Schaden für alle.