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08.02.03 / Opfer der Gewalt / Bericht über eine Jugend in SBZ/DDR-Haft

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08.Februar 2003


Opfer der Gewalt
Bericht über eine Jugend in SBZ/DDR-Haft

Dieses Buch soll eine kleine Orientierung für die Jugend sein, damit sie sich nie einer politischen Gruppierung der Gewalt anschließen möge", lautet der erste Absatz des Vorwortes von Günter Kochs Erlebnisbericht "Es begann in Eibenstock". Trocken und nüchtern beschreibt der Westdeutsche seine Erlebnisse als Jugendlicher in NKWD-Lagern und Zuchthäusern der Sowjetischen Besatzungszone und DDR. Der relativ geringe Umfang von 93 Seiten und die starke Bebilderung lassen hoffen, daß diese Schrift auch bei Lesemuffeln ihren Zweck erfüllen wird.

Die Vorgeschichte der Leiden des Autors unter dem NKWD der Sowjetunion und deren deutschen Schergen ist schnell erzählt. Der Zweite Weltkrieg mit seinen Bombenangriffen verschlug die in Westdeutschland ansässige Familie des 1930 in Barmen-Elberfeld geborenen Verfassers nach Mitteldeutschland. Unmittelbar nach Kriegsende gelang es der Familie unbehelligt durch die Russen unter Zurücklassung der Möbel nach Wuppertal zurückzukehren. Anfang 1947 wurde in den Westzonen bekannt, daß man zurückgelassenen Hausrat aus der SBZ in den Westen holen könne, und so begab sich der 17jährige im April jenes Jahres auf den Weg in den sowjetischen Machtbereich, was er trotz seiner weder antisozialistischen noch antirussischen, sondern völlig unpolitischen und harmlosen Absicht bitter bereuen sollte.

Am 1. Mai 1947 weilte der Westdeutsche in dem zum Uransperrgebiet gehörenden Eibenstock. Nichts Böses ahnend mischte er sich aus Neugier unter die Zuschauer des auch hier stattfindenden obligatorischen Mai-Umzuges. Auf die Frage, warum er trotz seiner Jugend nicht an dem Umzug teilnehme, antwortete er freimütig, daß er hier zu Besuch sei. Einer der Passanten meldete den Westdeutschen daraufhin einem Volkspolizisten, der ihn mit auf die Wache nahm. Hier wurde der Minderjährige unter dem Verdacht der Spionage für den Westen verhaftet und das Leiden begann.

Zunächst saß der Jugendliche in Eibenstock in Einzelhaft. Vier Tage nach seiner Verhaftung wurde er ins sächsische Aue verbracht, wo er jede Nacht verhört wurde, wobei er auch geschlagen wurde. Am 23. Mai wurde er nach Zwickau auf das Schloß Osterstein verlegt, wo die Russen das Bezirksmilitärtribunal eingerichtet hatten. Am 19. August verurteilten die Sowjets ihn zu zehn Jahren Arbeitslager. Am 27. September kam der Verurteilte ins berüchtigte "Gelbe Elend" nach Bautzen. 1949 erfolgte die Verlegung in das von den Russen weiterbetriebene Konzentrationslager Sachsenhausen. Von dort ging es im folgenden Jahr nach Untermaßfeld bei Meiningen. Mit dem Ortswechsel war ein Wechsel der Nationalität der Bewacher verbunden. Entgegen Kochs Erwartungen erwies sich die deutsche Bewachung in Untermaßfeld bald als noch schlimmer denn die sowjetische in Sachsenhausen. Einmal mehr bewahrheitete sich hier die Weisheit, daß schlimmer als die ausländischen Besatzer häufig die Kollaborateure der eigenen Nationalität sind. Um die Jahreswende 1951/52 ging es über Zwischenstationen in Ichtershausen und Brandenburg nach Waldheim. Hier verbrachte Koch die letzten zwei Jahre seiner Haft. 1954 wurde er begnadigt und konnte in seine westdeutsche Heimat zurückkehren - nach fast sieben Jahren Zwangsaufenthalt in der SBZ/DDR.

Das letzte Kapitel des Büchleins behandelt die schließlich erfolgreichen Bemühungen in der Zeit nach dem Fall der Mauer um eine Würdigung der Opfer der stalinistischen Gewaltherrschaft in Untermaßfeld. An der heutigen Jugendvollzugsanstalt wurde eine Erinnerungstafel angebracht und auf der Grabstätte der in der Haft Verstorbenen ein Gedenkstein aufgestellt. M. Ruoff

Günter Koch: "Es begann in Eibenstock. Ein Jugendlicher in den NKWD-Lagern und Zuchthäusern der SBZ/DDR", Westkreuz-Verlag, Bonn 2002, 112 Seiten, 42 Abb., 11,00 Euro