Alle reden vom Wetter, wir nicht", war einmal ein prägnanter Werbespruch der Bahn. Als es in diesem Winter unvermutet (?) heftigen Eisregen gab, wurde dieser Spruch ad absurdum geführt. - Alle Räder standen still, und die Reisenden froren und waren unmutig. Verspätungen und Pannen sind bei der Bahn an der Tagesordnung, davon wissen Pendler ein garstig Lied zu singen. Überfüllte Züge, wenig Sitzplätze tragen auch nicht dazu bei, die Stimmung der Fahrgäste zu erhöhen. Kein Wunder, wenn man in einer solchen Situation auch schon einmal zu einem Buch greift, um die Stimmung zu heben.

"Eisenbahn Geschichten" ist der verheißungsvolle Titel, der jetzt bei dtv erschienen ist und ein Vergnügen ohne Bahncard verspricht. Günter Stolzenberger hat in dieser Anthologie Texte von Dickens, Tschechow, Fontane, von Heine, Polgar, Hesse, von Twain, Valentin oder Kirsch versammelt. So unterschiedlich die Autoren, so unterschiedlich sind auch die Erfahrungen, die sie mit dem Phänomen Eisenbahn gemacht haben. "Orient Express", "Union Pacific", "Glacier Express" und "Transsib" - hinter diesen Namen verbergen sich nicht nur Routen, von denen jeder Eisenbahnfan träumt. Geschichten um die Eisenbahn sind auch immer Geschichten von Menschen, von denen, die sie am Laufen halten, aber auch von denen, die ferne Länder mit ihnen erkunden.

Da ist der Mann, der aus dem Fenster schaut und die vorbeifliegende Landschaft in sich aufnimmt; oder der frischgebackene Ehemann, der den falschen Zug erwischt, die Frau, die entnervt ist, weil sie, schwer mit Koffern beladen, den Zug verpaßt hat. Man liest über Menschen wie du und ich und von Situationen, die aus dem Leben gegriffen sind; vielleicht macht das dieses Buch so lesens- und liebenswert. SiS

Günter Stolzenberger (Hrsg.): "Eisenbahn Geschichten", dtv, München 2003, brosch., 256 Seiten, 8,50 Euro