Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung
© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08.Februar 2003 |
||||
Ein Leben für Königsberger Marzipan Der Königsberger Konditormeister Werner Gehlhaar verstarb im 81. Lebensjahr Seit 1957 führte Werner Gehlhaar mit seiner Ehefrau Herta, geboren in der Nähe von Tilsit, die Tradition der Marzipanherstellung in Wiesbaden weiter, die sein Vater Kurt Gehlhaar am 8. Dezember 1912 in Königsberg begründet hatte. Dieser eröffnete in der damaligen Prinzessinstraße eine Konditorei mit Café, nachdem er zuvor die Ehre hatte, den Königlichen Hof-Konditormeister J. G. Kranzler in Berlin zum Lehrmeister zu haben und einige Jahre bei ihm zu arbeiten. In der Folgezeit entstand in der Pregelstadt ein angesehener Betrieb, zumal Anfang der Dreißigerjahre noch das sechsstöckige Geschäft in der Junkerstraße 19 und der Erweiterungsbau in der Kantstraße 11-11a hinzukamen. Besonders der türkisch-arabische Mokkasalon lud zum Verweilen ein. Binnen weniger Jahre waren rund 100 Konditoren an der Produktion des weit über die Stadt hinaus bekannten Gehlhaar-Marzipans beteiligt. Der Name Gehlhaar war nicht nur in Ostpreußen ein Begriff; das "Original Königsberger Marzipan" ging auch in die ganze Welt. Werner Gehlhaar lernte das Konditorhandwerk und die Marzipanherstellung von der Pike auf im väterlichen Familienbetrieb. Er war der letzte Konditormeister in der Bundesrepublik Deutschland, der sich seine Fertigkeiten noch in der Hauptstadt Ostpreußens erwarb. Gleich nach der Lehre wurde er eingezogen. Er geriet in russische Gefangenschaft und kam nach Sibirien. Erst 1948 kehrte er halb verhungert zurück. Aber er hatte etwas in seinem Herze behalten, was ihm sein weiteres Leben meistern half. Seine Ehefrau Herta, die er 1953 heiratete, weiß noch zu erzählen, daß er damals sagte: "Ich kam aus russischer Gefangenschaft und hatte nichts als das Marzipanrezept aus dem Elternhaus im Kopf." Und das war damals sein wichtigstes Kapital für einen Neuanfang in Wiesbaden. Werner Gehlhaar fing in Wiesbaden als Konditor an. Nach seiner Meisterprüfung 1952 eröffnete er dann Mitte der Fünfzigerjahre eine Konditorei mit einem kleinen gemütlichen Café. Durch die vielen ostpreußischen Landsleute, die oft auch von weither kamen, und die hiesige Landsmannschaft wurde ihm der Start erleichtert. Aus Wiesbaden ging nun das Königsberger Marzipan wieder in alle Welt, beispielsweise nach Nord- und Südamerika, Afrika sowie England und Frankreich. So freuten sich auch alle, die nach dem Kriege im Ausland verstreut waren, wieder Königsberger Marzipan mit der typischen abgeflämmten, zartbraunen Oberfläche kaufen zu können. Die vielen Kenner und Liebhaber des guten Gehlhaar-Marzipans schätzen besonders die edlen Zutaten und haben die Gewißheit, daß den süßen Leckereien weder Aromen noch Konservierungsstoffe zugesetzt werden. Der Mandelanteil liegt nie unter 60 Prozent und es wird nur natürliches und kaltgepreßtes Rosenöl verwendet. Für einen Liter müssen heute rund 5.000 Euro gezahlt werden. Das kleine behagliche Café, in deren Räume zahlreiche Fotografien an die erfolgreiche Königsberger Zeit erinnern, war oft Treffpunkt für Landsleute aus Ost- und Westpreußen. Auch Werner Gehlhaars ehemalige Mitschüler vom Königsberger Hufen-Gymnasiums kamen regelmäßig bei ihm zusammen. Es wurde viel gelacht und man tauschte Erinnerungen von Zuhause aus. 1991 machte Werner Gehlhaar erstmals eine Fahrt in die Heimat und besuchte auch sein Elternhaus in Juditten, das den Krieg noch überstanden hatte. Seine Enttäuschung über das erlebte spricht für sich: "Einmal hinfahren genügt". Werner Gehlhaar, inzwischen auch stellvertretender Obermeister der Konditorinnung und Mitglied des Prüfungsausschusses für Konditorenmeister, gehörte fast 45 Jahre "seiner" Wiesbadener Gruppe der Landsmannschaft Ostpreußen an. Bei den Erntedank- und Weihnachtsfeiern erfreute er die Landsleute und Freunde des Kreisverbandes über viele Jahre hindurch mit kleinen Marzipangeschenken aus der eigenen Herstellung. Er schätze und liebte seine Heimat und war immer stolz, Ostpreuße zu sein; in seinem Inneren blieb er es auch bis zu seinem Lebensende. D.S. |