29.03.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
08.02.03 / Gebühren-Pläne: Zauberformel Maut

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08.Februar 2003


Gebühren-Pläne: Zauberformel Maut
Polen will sein Straßennetz auf Vordermann bringen
von Friedrich Nolopp

Wenn deutsche Vertriebe ne oder deren Nachkom men demnächst die Heimat im Osten besuchen wollen, so müssen sie tiefer in die Tasche greifen. Denn die polnischen Behörden wollen eine Straßenmaut einführen.

Mautpflichtig sind dann nach offiziellen Angaben beispielsweise die Straßen von Frankfurt/O. nach Posen und Grünberg, von Schwedt nach Königsberg/Neumark, die Zufahrten vom Autobahnübergang Pomellen nach Stettin sowie die Schnellstraßen von Forst und Görlitz nach Breslau.

Ausflüge in die Republik Polen sind schon jetzt eine kostenträchtige Angelegenheit. Grenzstädte wie Stettin kassieren fürs Parken im Zentrum und an den Basaren kräftig mit. In Zukunft sollen ausländische Besucher und einheimische Bürger jedoch noch mehr geschröpft werden.

Polen will eine "Vignette" einführen, die anders als in der Schweiz oder in Österreich nicht nur für die Nutzung der Autobahnen, sondern für das ganze, rund 18 000 Kilometer lange Netz der Staatsstraßen - vergleichbar mit deutschen Bundesstraßen - vorgeschrieben sein soll.

Die in Aussicht gestellten Preise sind für polnische Verhältnisse nicht "ohne", was im Nachbarland bereits zu wütenden Protesten von Autofahrern führte, zumal viele der gebührenpflichtigen Straßen mit Spurrinnen und Schlaglöchern durchsetzt sind. Vignetten für Pkw werden laut der Gesetzesvorlage 180 Zloty (etwa 45 Euro) für ein Jahr, 36 Zloty (rund 9 Euro) für einen Monat und 13 Zloty (3,25 Euro) pro Woche kosten. Lastwagenfahrer haben deutlich mehr, Motorradfahrer etwas weniger zu zahlen.

Richtig teuer kann es für Kraftfahrer werden, die versehentlich ohne Vignette auf die Staatsstraßen geraten, die als solche für Laien bislang kaum auszumachen sind. Für Pkw werden dann gleich 500 Zloty (125 Euro) Strafe fällig. Man kann heute schon davon ausgehen, daß die polnische Polizei bei deutschen Autos genauso emsig auf diese Aufkleber achten wird, wie sie bisher das Lichtfahrtgebot im Winter sowie die "Grüne Karte" kontrolliert. Wer diesen Nachweis für die Haftpflichtversicherung nicht dabei hat, kann einige hundert Euro löhnen.

Apropos Kosten: Auf zwei jeweils rund 50 Kilometer langen Abschnitten zwischen Posen und Warschau sowie zwischen Kattowitz und Krakau wird unabhängig zur geplanten Vignette bereits jetzt eine eigene Maut verlangt - je zehn Zloty (etwa 2,50 Euro) pro Pkw.

Mit den Einnahmen aus der Vig-nette will Polen endlich sein Autobahnnetz ausbauen. Ein erster Versuch, die Schnellstraßen über private Konsortien errichten zu lassen, war im Sande verlaufen. Bisher gibt es ganze 400 Kilometer Autobahnen; das sind 2,2 Prozent des Straßennetzes.

Nicht nur Schlagbäume und Paßkontrollen an den Grenzübergängen zeigen deutschen Autofahrern, daß sie sich jenseits von Oder und Neiße in einem anderen Staat befinden. Auch Staus und Schlaglöcher sorgen häufig für ein ganz anderes Fahrgefühl.

Das Straßennetz in Polen steckt noch voller Mängel, auch wenn die polnische Regierung die Verbesserung der Infrastruktur zu einer ihrer Prioritäten erklärt hat. Nicht einmal 30 Prozent der Verbindungen befinden sich nach einer Untersuchung der Straßenbaudirektion in gutem Zustand.

Auf den kleinen Straßen in der Oderregion hält sich der Verkehr noch in Grenzen. Spätestens hinter Posen wird die Reise auf einer zweispurigen Fahrbahn dann jedoch zur Quälerei. Überholmanöver von Lastwagen und Baustellen sorgen für ständige Verzögerungen. Die Zugverbindung nach Warschau ist deutlich kürzer als die Fahrt im Auto.

Der Tag, an dem die A 2 bis in die polnische Hauptstadt führt, liegt trotz EU-Fördergeldern noch in weiter Ferne. Immerhin sollen Straßenbenutzer im grenznahen Bereich spätestens 2007 von einem gut ausgebauten und renovierten Teilabschnitt zwischen Frankfurt und Posen profitieren können. Dabei wird, ähnlich wie beim bisherigen "Glanzstück" polnischer Autobahnen von Kattowitz nach Krakau auf Privatisierung gesetzt.

Das verbesserte Fahrgefühl ist allerdings nicht umsonst zu haben. Seit kurzer Zeit ist deshalb an der A 2 zwischen Wrzesnia und Konin eine Mautgebühr von zehn Zloty (2,50 Euro) für Personenwagen und 37 Zloty (gut neun Euro) für Lastwagen fällig. Ausländer "dürfen" auch in Euro zahlen. Die Privatfirma "Autostrada Wielkopolska" kümmert sich um die Instandhaltung der Autobahn und darf im Gegenzug Mautstellen einrichten. Mit diesen Einnahmen sollen auch die künftigen Ausbauarbeiten finanziert werden. Ein "Lifting" würde auch dem ältesten Teil des Autobahnnetzes in Niederschlesien gut tun. Die dortige Hauptachse stammt aus der Vorkriegszeit und war Teil der "Reichsautobahn".

Abnutzung und Verschleiß haben zu zahlreichen Spurrillen geführt, doch die nötigen Reparaturen werden angesichts der Haushaltslage allmählich unbezahlbar. Fachleute schätzen die jährlichen Kosten für die Instandhaltung des polnischen Straßennetzes auf satte drei Milliarden Zloty (750 Millionen Euro). Wann die neue Gebühr eingeführt wird, ist noch nicht endgültig entschieden. Ursprünglich sollte sie schon ab 1. Januar gelten, jetzt ist der 1. April vorgesehen.

Bei der zweiten Lesung im Warschauer Parlament war der Gesetzentwurf vor wenigen Tagen noch einmal in den Infrastrukturausschuß geschickt worden. Damit ist offen, ob der jetzige Termin gehalten werden kann. Daß die Vignette kommt, scheint aber so gut wie sicher. Und es drohen weitere Kosten: Der Gesetzentwurf erlaubt nämlich auch, daß Gebühren für die Nutzung von Tunneln, über 400 Meter langen Brücken und selbst für Einfahrten in Stadtzentren erhoben werden. Darüber haben dann gegebenenfalls die jeweiligen Gemeinden zu entscheiden.

Reisende aus der Bundesrepublik sollten angesichts dieses Szenarios ernsthaft darüber nachdenken, ob sich statt einer Autofahrt nicht die Benutzung der Bahn empfiehlt.

Zwar gibt es auch dort Preisanstiege, selbst wenn man die Fahrkarten für die Hauptstrecke jenseits der Grenze löst. Doch zumindest für Reisen in Städte wie Warschau oder Breslau ist die Bahn das schnellere und zweifellos bequemere Verkehrsmittel.

Bis 2006 ist obendrein ein Ausbau der Strecken Berlin - Frankfurt/O. - Warschau beziehungsweise Dresden-Görlitz-Breslau und möglicherweise auch Berlin-Stettin geplant. Damit würde sich die derzeit noch unnötig lange Reisezeit auf dem Schienenweg deutlich verringern. 

Bisher gibt es auf polnischem Staatsgebiet nur 400 Autobahnkilometer