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22.02.03 / Multikulti: Bricht die Union wieder ein? / Lesung im Bundesrat läßt Schlimmes befürchten

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. Februar 2003


Multikulti: Bricht die Union wieder ein?
Lesung im Bundesrat läßt Schlimmes befürchten

Als vor eineinhalb Jahren die rot-grüne Bundestagsmehrheit das von ihrer Regierung eingebrachte Zuwanderungsgesetz verabschiedete, setzten CDU und CSU unter dem Titel "Zuwanderung steuern - Integration fördern" ein Kontrastprogramm dagegen, in dem zum ersten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik die deutschen Interessen in den Vordergrund gestellt wurden. Bisher war es allein darum gegangen, den angeblich oder wirklich in ihrer Heimat Verfolgten den Zugang zu den deutschen sozialen Wohltaten zu öffnen, wodurch es zu weitgehend ungesteuerter Einwanderung kam, und das in erster Linie von Menschen, die keineswegs politisch verfolgt waren. Man nahm es hin mit der Begründung, "gerade wir Deutschen" hätten die humanitäre Pflicht, allen Mühseligen und Beladenen der Welt nicht nur zeitweise Unterkunft, sondern auch dauerhafte Heimstatt zu bieten. Hintergrund war die ideo-logisch bestimmte Absicht, das Land der Deutschen zur multikulturellen Gesellschaft zu machen.

Einfallstor war und ist das im Grundgesetz unter anderen Verhältnissen und mit anderer Absicht geschaffene Asylrecht für politisch Verfolgte. Das Ergebnis der weltfremden Einwanderungspolitik: Statistisch ist jeder elfte der 82,6 Millionen Einwohner Deutschlands ein Ausländer. Die Zahl ist geschönt, denn durch neue Regelungen der Einbürgerung wächst von Monat zu Monat die Zahl von Ausländern, die zwar die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, tatsächlich aber in diesem Lande nicht verwurzelt sind. Zwar wurden in den letzten Monaten weniger Asylbewerber in Deutschland gezählt - im vergangenen Jahr 71.127 -, gleichzeitig sank die Anerkennungsquote als politisch Verfolgte nach Angaben des Bundesinnenministeriums auf gerade mal 1,8 Prozent. Der größte Teil der Abgelehnten blieb dennoch, und das angesichts von 4,6 Millionen Arbeitslosen, von denen 50 Prozent eine Berufsqualifikation haben und unter denen sich zunehmend Akademiker befinden.

Nach den Wünschen von SPD und Grünen soll ihr Gesetz angeblich die Zuwanderung regeln. Tatsächlich aber, darin sind sich nahezu alle Fachleute einig, würde es, wenn es denn in der beabsichtigten Form in Kraft träte, die Einwanderung nach Deutschland deutlich leichter machen und damit die Zahl der Einwanderer spürbar erhöhen.

Zunächst konnte das Gesetz nicht in Kraft treten, weil es in verfassungswidriger Weise den Bundesrat passiert hatte, wie das Bundesverfassungsgericht feststellte. Dennoch legte die rot-grüne Koalition unverändert jenes Zuwanderungsförderungsgesetz erneut im Bundesrat vor, in der Hoffnung, daß es trotz der CDU-CSU-Mehrheit passieren könne. Und tatsächlich scheinen solche Spekulationen nicht unberechtigt zu sein, denn die CDU beginnt schon wieder zu wackeln.

Zwar war das von CDU-CSU entwickelte Alternativpapier zur Zuwanderung, das sich deutlich gegen eine multikulturelle Gesellschaft wandte, im Jahre 2001 von erfrischender Deutlichkeit, doch mußten Skeptiker bereits Schlimmes befürchten, als im Bundestagswahlkampf die Frage der Zuwanderung keine Rolle spielte. Im Vorfeld hat die Unionsparteien den Rot-Grünen angedroht, sie würden den Wahlkampf auch mit der Zuwanderungsproblematik führen, um den Wählern klar zu machen, wohin das rot-grüne Konzept führen würde. Doch kniff man vorsichtshalber, als es so weit war, und klammerte das ebenso brisante wie für Deutschland lebenswichtige Thema aus. Statt dessen gelang es dem Bundeskanzler, durch seine überraschend eingefädelte Politik, Deutschland aus dem von den USA angestrebten Irak-Krieg herauszuhalten, schon verloren geglaubte Stimmen zurückzugewinnen. Die CDU verschlief die Gelegenheit, durch Mobilisierung des Zuwanderungsthemas eine für sie günstige Wende herbeizuführen.

Prompt mußte man am 14. Februar bei der Wiedervorlage des alten Zuwanderungsgesetzes im Bundesrat erleben, daß die acht Unionsländer auf Drängen des FDP-Koalitionspartners in einigen dieser Landesregierungen in dieser erneuten 1. Lesung darauf verzichteten, ihre ursprünglich vorgesehenen 137 verschärfenden Forderungen zur Abstimmung zu stellen. Statt dessen wurden Bundesrat und Bundesregierung "mit Nachdruck" aufgefordert, "einen von einer breiten Mehrheit getragenen Konsens zu suchen". Die bei den Unionsparteien gewohnte Konfliktscheu gewann offenbar einmal mehr die Oberhand. Innenminister Schily meinte denn auch, einige von Seiten des CDU-Ministerpräsidenten Müller (Saarland) gefallenen harten Worte seien wohl "eher taktisch begründet", nachdem die Unionsländer bei der Zuwanderung "grundsätzlich Bewegung" angekündigt hatten. Und "Bewegung" heißt erfahrungsgemäß, sie werden weich und schwenken auf den Regierungskurs ein.

In dem begrüßenswerten CDU-Alternativpapier wurde ein generelles Recht auf Zuwanderung abgelehnt. Um den überwiegenden Mißbrauch des Asylrechts zu bekämpfen, sollten nach damaliger CDU-Meinung mehrere Maßnahmen eingeführt werden, die bewirken, daß nur noch wirklich politisch Verfolgte Bleiberecht erhalten und sich Scheinasylanten nicht länger mit juristischen Winkelzügen jahrelang den Aufenthalt und damit die Finanzierung ihres Lebensunterhaltes in Deutschland erstreiten können. Straffällige sollten abgeschoben werden, Bürgerkriegsflüchtlinge umgehend in die Heimat zurückkehren, wenn dort die Gefahrensituation nicht mehr gegeben ist. Durch konkrete Maßnahmen wollte die CDU verhindern, daß überwiegend Menschen ohne berufliche Qualifikation zuwandern, die dann hier der Sozialhilfe zur Last fallen. "Für die Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen und Armutswanderern ist kein Raum in Deutschland", so damals die CDU. Wichtig sei, daß jene, die begründet hier bleiben können, tatsächlich in die deutsche Gesellschaft integriert werden, und dazu gehörten die in dem rot-grünen Gesetzentwurf fehlende Strafandrohung, falls sich jemand den Integrationsmaßnahmen entzieht. Es könne auch nicht sein, daß im Rahmen des Familiennachzuges Kinder bis zu 12 Jahren ohne weiteres nach Deutschland kommen, die mit Sicherheit nicht mehr die deutsche Sprache in ausreichender Fertigkeit erlernen können und damit keine Chance auf eine qualifizierte Berufsausbildung haben.

Der rot-grüne Gesetzentwurf sieht auch vor, daß von den 190.000 (Stand September 2002) hier nur geduldeten Ausländern, also Menschen, die nicht als politisch Verfolgte anerkannt wurden, aber trotzdem nicht unser Land zu verlassen brauchen, der größte Teil Dauerbleiberecht bekommt. Das CDU-Papier hingegen strebte an, daß die im Gesetzentwurf vorgesehenen vielen Ausnahmeregelungen und Härtefallregelungen verschwinden, die der Zuwanderung Tür und Tor öffnen.

In dieser Zeitung wurde die CDU-Stellungnahme am 9. Juni 2001 vorgestellt und kritisch gewürdigt. Schon damals wurde der Zweifel ausgesprochen, ob den schönen Worten auch die entsprechenden Taten der CDU folgen würden. Das Verhalten der Unionsländer bei der ersten Lesung im Bundesrat am 14. Februar 2003 gibt zu größten Sorgen Anlaß. Die Unionsparteien mögen bedenken, daß nach einer Allensbach-Untersuchung von Mitte 2002 50 Prozent der Deutschen entschieden gegen jeden Zuzug von Ausländern sind und daß nur 25 Prozent Zuwanderung befürworten (und das waren mit Sicherheit keine CDU-Wähler).

Das rot-grüne Zuwanderungsgesetz wäre das Einfallstor zur multikulturellen Gesellschaft. Die CDU-CSU hat im Bundesrat eine deutliche Mehrheit. Sie hat damit die Möglichkeit, das Gesetz in dieser Form zu verhindern. Möge sie endlich ihre starke Oppositionsrolle nutzen! Hans-Joachim von Leesen