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22.02.03 / Die Multis und das russische Öl / Putin will es sich mit den USA nicht verderben

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. Februar 2003


Die Multis und das russische Öl / Putin will es sich mit den USA nicht verderben
von P. Campguilhem und Karl P. Gerigk

Völlig im Zeichen der Irak-Krise stand der Staatsbesuch des russischen Präsidenten Wladimir Putin Mitte Februar in Paris. Im Mittelpunkt des gesamten Besuches und der Unterredungen sowohl mit Raffarin als auch mit anderen Politikern stand so auch die gemeinsame Position Rußlands, Frankreichs und Deutschlands in dieser Frage. Höhepunkt der Reise war jedoch das Treffen mit dem französischen Staatschef Jacques Chirac im Elyseé-Palast, wo es dem Franzosen gelang, seinen Moskauer Gast davon zu überzeugen, daß ein Krieg gegen den Irak nur das letzte Mittel einer Politik sein könne, die zur Entwaffnung Saddam Husseins führen soll. Hierin will Moskau Deutschland und Frankreich auf internationalem Parkett, ganz unabhängig von einem möglichen Veto beider Länder, Frankreichs und Rußlands, im UN-Sicherheitsrat, unterstützen. Die Konsultationen zwischen den Regierungen dienten daneben zur Anbahnung und zum Abschluß verschiedener bilateraler Verträge der technischen Zusammenarbeit. Die Meinung der außenpolitischen Experten klang jedoch viel nüchterner als die Stimme der staatlichen Pariser Rundfunksender wie "France-Culture" oder "France-Info", die seit dem Beginn der Verhandlungen im Rahmen der Vereinten Nationen einen antiamerikanischen Ton angestimmt haben. Dagegen verbergen führende Tageszeitungen wie Le Monde oder Le Figaro nicht ihre Skepsis hinsichtlich der vom französischen Außenministerium erhofften Bekehrung Rußlands zum deutsch-französischen Standpunkt.

In Äußerungen gegenüber Le Figaro gab der russische Außenminister Igor Iwanow die Tatsache zu bedenken, daß Rußland durch die Un- terzeichnung der gemeinsamen deutsch-französischen Erklärung keinesfalls die USA und Georg Bush herausfordern will. Die Position Rußlands sei nun, daß der Krieg "die letzte Wahl" bleiben müßte. Nach Ansicht des Mitglieds der Académie Française, Hélène Carrère d'Encausse, die in Frankreich als eine ausgezeichnete Ken- nerin der russischen Verhältnisse und der Geschichte der Sowjetunion gilt, sei Putin ein geschickter Diplomat, der versuche, sich Deutschland und Frankreich zu nähern, ohne sich deswegen von den USA abwenden lassen zu wollen. Frau d'Encausse vertritt offen die Ansicht, es gehe in der gegenwärtigen russischen Diplomatie um eine Art Doppelspiel. Einerseits will sich Moskau seine europäischen Optionen offenhalten, andererseits aber brauche es gute Beziehungen zu den USA, um einen größtmöglichen Nutzen für seinen Außenhandel zu erreichen.

Von Le Figaro zitiert, schätzt der russische Journalist Arkadij Dubnow die Situation für Moskau komplexer ein. Für den Kreml geht es derzeit darum, durch dieses Doppelspiel ökonomische Vorteile nach einem etwaigen Krieg gegen den Irak zu erlangen und einen Gegensatz mit den USA hinsichtlich des Kriegs in Tsche-tschenien zu vermeiden.

Abgesehen vom sozialistischen Oberbürgermeister von Paris, Bertrand Delanoe, erwähnten die französischen offiziellen Stellen, die Wladimir Putin während der drei Tage seines Besuches empfangen haben, nur flüchtig den tschetschenischen Krieg und den Kampf um Grosny.

Diese Stellen des französischen Staates wünschen eine politische Regelung des bewaffneten Konflikts in Tschetschenien und scheinen damit einverstanden zu sein, daß durch die von Putin im Kaukasus geplante Volksabstimmung eine politische Lösung gefunden werden soll. Allein die französischen Grünen und eine sozialistische Persönlichkeit wie der ehemalige Minister Mitterrands, Jack Lang, haben öffentlich mit Amnesty In-ternational und "Reporter ohne Grenzen" in der Tat gegen "das mitschuldige Schweigen" in Sachen der russischen Politik gegenüber Tschetschenien und die Haltung durch die französischen Stellen protestiert und an Kundgebungen teilgenommen. Der Besuch Putins in Paris und in Bordeaux, wo er den Vorsitzenden der Regierungspartei, Alain Juppé, getroffen hat, wurde von den Zeitungen nicht mit großen Schlagzeilen begleitet. Statt dessen titelte die führende Wirtschaftszeitung Les Echos, die die Meinung der Finanzkreise widerspiegelt, über ein neues Geschäft des britischen Erdölgiganten BP in Rußland.

Nach Informationen der New York Times wird BP 6,75 Milliarden US-Dollar in die russische Erdölförderung investieren und so einen Anteil von fünfzig Prozent an einem Gemeinschaftsunternehmen erwerben, so daß Rußland zum drittgrößten Ölproduzenten weltweit wird. Rußland wäre damit fähig, wenn nicht vollständig, dann doch immerhin zum Teil, die politisch instabilen Erdölproduzenten des Mittleren Ostens zu ersetzen.

Die russische Diplomatie wird sicherlich das in ihrem Besitz stehende "Erdöl" als eine politische Waffe einsetzen, um ihre Politik in bezug auf den Irak zu begründen. Insofern war der Besuch Putins in Paris richtungsweisend.

Paris: Wladimir Putin hört aufmerksam den Ausführungen Jacques Chiracs hinsichtlich der fränzösischen Haltung zu einem Irak-Krieg zu. Foto: reuters