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22.02.03 / Leserbriefe

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. Februar 2003


Leserbriefe

Neue Informationen aus russischen Archiven

Betr.: "Mit den Augen der Sieger" (Folge 49)

Die Rezension des Buches "Berlin 1945" von Antony Beevor kann nicht unwidersprochen hingenommen werden. Ich weiß nicht, für wen der Autor spricht, wenn er sagt, es werde nichts Neues erzählt. Ich für meinen Teil fand jedenfalls einiges vor, was mir unbekannt war, obwohl ich als Geschichtslehrer sagen möchte, daß mich dieser Teil unserer Geschichte sehr bewegt - meine Eltern mußten Ostpreußen ebenfalls im Januar 1945 Hals über Kopf verlassen - und ich viele Berichte zu diesem Thema kennengelernt habe.

Beevor hatte für seine Recherchen Zugang zu russischen Archiven erhalten und somit bislang unveröffentlichtes Material zum erstenmal auswerten können. Immerhin ist es ein großer Schritt, daß die sowjetischen Greueltaten nun auch von englischer Seite verständlich geschildert und deutsche Berichte dieser furchtbaren Katastrophe einer englischsprachigen Öffentlichkeit nahegebracht werden.

Daß Beevor dabei Begriffe wie zum Beispiel "Kaiserschlacht" verwendet, die in der englischsprachigen Historiographie gängig sind, aber hierzulande mit anderslautenden Bezeichnungen versehen werden, wird man dem Autor schwerlich vorwerfen können. Der Eindruck, Deutsche würden mit "Herablassung und Häme bedacht" ist falsch, denn es ist geradezu rührend, wie unparteiisch der Autor die schreckliche Lage sowohl der deutschen Bevölkerung und Soldaten als auch der russischen Leidtragenden schildert, die dem Fanatismus ihrer jeweiligen Übergeordneten ausgesetzt waren. 

Jürgen Trösch, Alpen/Niederrhein

 

 

Genauere Zahlen

Betr.: "Neue Forderungen" (Folge 6)

Ihnen ist bei dem Bericht ein Fehler unterlaufen. Die Zahl der zu Beginn des Krieges von Polen in Bromberg ermordeten Deutschen betrug nicht 9.000 sondern nur rund 900 für Stadt- und Landkreis. Die Gesamtzahl der damals von den Polen ermordeten Volksdeutschen wird nach den Ermittlungen der Gräberzentrale Posen von November 1939 mit 5.437 angegeben.

Die Verurteilung der an den Morden an unschuldigen Deutschen beteiligten Polen soll also nach Ansicht des Anwaltes Andrzej Remin ein Kriegsverbrechen gewesen sein, deren Urteile aufgehoben werden müßten. Es wäre interessant zu erfahren, wie er dann aber die vorangegangenen Ausschreitungen seiner Landsleute den dortigen Deutschen gegenüber sieht. 

Günther Raatz, Hattingen

 

 

Engländer setzten gewisse Mindeststandards durch

Betr.: "Dänische Flüchtlingslager waren die Hölle" (Folge 4)

Ich selbst (Jahrgang 1934) war dreieinhalb Jahre in insgesamt drei Lagern: ab Ostern 1945 zirka ein halbes Jahr in Boris, dann etwa ein Jahr in Rye und anschließend noch zwei Jahre in Aalborg, von wo wir im September 1948 nach Westdeutschland entlassen wurden.

In dieser Zeit erhielten wir kein Knäckebrot (weder mit noch ohne Maden), sondern jenes schmackhafte dunkle Brot, das es in Dänemark auch heute noch zu kaufen gibt. Das Essen war zwar knapp, aber nie verdorben. Nach meiner Erinnerung blieben Menge und Qualität stets in etwa gleich. Täglich gab es pro Kopf eine kleine Scheibe Brot, einen Klecks Margarine und eine dünne Scheibe Käse, ferner mehrmals in der Woche Fisch zum Selberbraten (Pfannen und Kasserollen hatten die deutschen Männer im Lager aus Flugzeugteilen gebastelt), und freitags erhielten wir Räucherfisch. Vom Haß der Dänen merkten wir nichts. Allerdings erlebten wir, wie uns dänische Zivilisten über den Zaun Äpfel zuwerfen wollten und vom Posten daran gehindert wurden.

Zur medizinischen Versorgung: Am Anfang wurden wir sofort alle gegen Tuberkulose geimpft. Auch ich hatte eine Mittelohrentzündung, die nicht behandelt wurde; schlimmer war allerdings, daß auch für Lungenentzündung, die sich meine Schwester auf der Flucht zugezogen hatte, kein Arzt zur Verfügung stand. Immerhin: gestorben ist sie damals nicht! Ich selber hatte im Frühjahr 1946 einen vereiterten Zahn und durfte zusammen mit einigen anderen Kindern aus dem Lager in Begleitung eines Postens mit der Eisenbahn von Rye nach Herning zum Zahnarzt fahren. Heizverbote habe ich nicht erlebt; es gab immer ausreichend Torf zum Feuern der Kanonenöfen. Stühle hätten wir sowieso nicht verheizen können, weil wir keine hatten. Daß es im Lager Aalborg keine Türen an den Toiletten gab, kann ich bestätigen, aber wen stören beispielsweise im Urlaub die absonderlichen Toilettenkonstruktionen der Franzosen? Ich finde, es gibt Schlimmeres.

Zum Unterschied zwischen Deutschen und "anderen": ein "Ausländerlager" habe ich nicht kennengelernt, aber in Boris lagen Deutsche und Polen in denselben Räumen der Baracken des früheren deutschen Militärlagers. Dort erhielten alle dasselbe Essen, es gab keine Unterschiede in der Behandlung. Dies wurde offenbar auch von den Polen so empfunden; als Beweis für die gegenseitige Verbundenheit der Lagerinsassen diene die folgende Geschichte, die ich selber erlebt habe: Wir Geschwister (neun, elf und 16 Jahre) hatten das von Ostpreußen gerettete Silberbesteck in der Danziger Bucht nicht mit aufs Schiff nehmen können und zurücklassen müssen. Ein mit einem späteren Schiff nach Hela und Kopenhagen flüchtender junger Pole nahm den herrenlosen Koffer mit. Zufällig landete er nicht nur im selben Lager wie wir, sondern auch in derselben Baracke! Als meine Schwester den Koffer im Besitz des Burschen erkannte, gab er ihn uns sofort zurück, obwohl er unsere Besitzansprüche nicht nachprüfen konnte. Wir waren eben alle Flüchtlinge, egal welcher Nationalität. Übrigens: die Oberhoheit über die dänischen Flüchtlingslager hatten die Engländer, die sehr wohl Wert darauf legten, daß im Lager gewisse Mindeststandards eingehalten wurden!

Zur Überlegung, Schadenersatz vom dänischen Staat zu fordern: wir wurden zwangsweise von der Marine - ausdrücklich gegen die Befehle des Führerhauptquartiers! - in die Lager verbracht, und das war unser Glück! Ansonsten hätten uns die Russen einkassiert. Ob es uns dann wohl besser gegangen wäre? Die Dänen hatten uns nicht gerufen! Daß die Deutschen immer noch für andere zahlen müssen, liegt auch daran, daß jene Leute ja von irgendwoher geholt und zwangsverpflichtet wurden. Wohlgemerkt: die Zahlungen in dieser aberwitzigen Höhe sind völlig überzogen, und die Begleitumstände stinken zum Himmel; aber ausgerechnet den heutigen Dänen, die nun wirklich nichts dafür können, ähnliches antun, das sollte man nicht. Zum Schluß noch eines: das kleine Dänemark mit seinen vier Millionen Einwohnern mußte 238.010 Flüchtlinge aufnehmen und ernähren (Stand Mai 1945, aus: Arne Gammelgaard, Ungeladene Gäste, Rautenberg-Verlag 1985, S. 191), das sind sechs Prozent der Gesamtbevölkerung! Wir können alles in allem froh sein, daß wir dort waren und nicht im zerbombten, besetzten und geteilten Deutschland, wo so viele Menschen überhaupt nicht wußten, was sie essen sollten. Klar waren wir nicht auf Rosen gebettet, aber wer war das damals schon?

Käthe Claaßen, Wülfershausen

 

 

Mehr Essen als in Deutschland

Betr.: "Dänische Flüchtlingslager waren die Hölle" (Folge 4)

Ich war mit meiner Mutter vom April 1945 bis August 1947 in verschiedenen dänischen Flüchtlingslagern in Kopenhagen. Zuerst waren wir in einem Schulgebäude unter-gebracht, danach ging es in die Barackenstadt Klovermarken mit einigen anderen tausend Flüchtlingen.

Das Essen - Weiß- oder Schwarzbrot, etwas Fett, Wurst, etwas Käse, mittags eine warme Suppe - war uns jeden Tag im Gegensatz zu den in Deutschland hungernden Menschen sicher.

Es entwickelte sich kulturelles und schulisches Leben. Ich habe sogar in der vierten Oberschulklasse meinen ersten Lateinunterricht bekommen. Auch Konfirmandenunterricht mit anschließender Konfirmation gab es. Wir Jugendlichen erhielten Volkstanz und Gesellschaftstanz angeboten, ebenso etablierten sich Theatergruppen und Kinovorführungen. Dies alles geschah mit Genehmigung und Unterstützung der Lagerleitung. Da frage ich mich, ob ich nicht dankbar dafür sein müßte, was dieses kleine Land, das ja die Deutschen aufgezwungen bekam, für die Flüchtlinge tat, daß es sie versorgte und sie behielt, weil in die Besatzungszonen in Deutschland niemand ohne behördliche Zuzugsgenehmigung durfte. Deshalb finde ich es sehr unpassend, in diesem Fall von "Freiheitsberaubung" zu schreiben. Es blieb den Dänen ja nichts anderes übrig.

Für mich als 14- bis 16jährige war es möglich, die Lage auch richtig zu beurteilen. Das Sterben der Kleinkinder in der ersten Zeit ist so hauptsächlich auf die durchgemachten Fluchtstrapazen zurückzuführen. Auch von Frieren im Winter 1946/47 in unserer Baracke ist mir nichts in Erinnerung. Nur die Wanzenplage war eine unangenehme Nebenerscheinung. 

Ursel Fritz, Reinbek

 

 

Falschen Ordensmeister im Artikel genannt

Betr.: "Fahrt über den Kneiphof" (Folge 51/52)

Mit Interesse habe ich die Reisenotizen von Christian Papendick verfolgt. Aufschlußreich sind die städtebaulichen Betrachtungen des Autors. Allerdings ist ihm ein Irrtum unterlaufen, wenn er den Ordensfeldzug im Winter 1254/55 gegen die Samen mit Konrad von Masowien in Zusammenhang bringt oder gar die Teilnahme Ottokars II. von Böhmen auf einen Ruf von Konrad zurückführt. Seit der Goldbulle von Rimini 1226 und dem Vertrag von Kruschwitz hatte der Orden in eigener Zuständigkeit über seine Militärpolitik gegen die heidnischen Prußen zu befinden. So war es wohl auch Hochmeister Poppo von Osterna, der 1254 Ottokar für die Kreuzfahrt gegen die Samen gewonnen hatte. 1254 war Konrad von Masowien bereits sieben Jahre tot. Die Einflußnahme Polens war 1254 bereits zum Erliegen gekommen. Erst zu Beginn des 15. Jahrhunderts begannen die Raubzüge des erstarkten Polens, die letztlich zur völkerrechtswidrigen Annexion mit Vertreibung und Völkermord führten.

Am 11. Juli 1920 wurden die Ansprüche Polens auf deutsches Land ad absurdum geführt, als in den ostpreußischen Abstimmungsgebieten fast 98 Prozent und mehr als 92 Prozent im westpreußischen Teil für den Verbleib zu Deutschland stimmten. Es ist kaum zweifelhaft, daß für die Namensgebung der Burg und ab 1724 der zusammengeführten Stadt der Rang des Böhmenkönigs ausschlaggebend war, wenn auch die Ordensfeste Mont Royal in Syrien oder die Stadt Königsberg in der Neumark eine Rolle gespielt haben mögen.

Eine Korrektur hinsichtlich der Rolle Konrads von Masowien erscheint mir angebracht, damit die Legendenbildung hinsichtlich polnischer Ansprüche nicht ausufert.

Harry Poley, Duisburg

 

 

Jahrzehntelang seelenruhig Schulden angehäuft

Betr.: "Arbeitsmarkt: Soziale Zeitbombe" (Folge 6)

Es sieht finster für unser aller Zukunft aus, weil unsere Regierungen uns in einen Sumpf gesteuert haben, aus dem Rettung zu finden für alle Parteien und Koalitionen äußerst schwer sein dürfte. Die deutschen Parteien haben in guten wie in schlechten Zeiten einen Schuldenberg angehäuft, von dem niemand weiß, wie er je auf redlichem Wege abzutragen ist. Vernagelte Gewerkschaftsfunktionäre stehen einer globalen Wirtschaft gegenüber, für die nur Gewinn zählt und deren Macht ständig zunimmt. Der Mittelstand wird vernachlässigt, obwohl ihn doch alle fördern wollen. In Brüssel regieren Kommissare ohne ausreichende demokratische Legitimation. Ihnen fehlt die notwendige Nähe, die demokratische Gesellschaften überschaubar macht. Das Sozialsystem war gut gemeint, aber nie finanzierbar. Noch immer lohnt es sich, von der Stütze und Schwarzarbeit zu leben. Die Zuwanderung von Menschen fremder Religionen und Kulturen birgt Gefahren in sich.

Die CDU hat gerade zwei Landtagswahlen grandios gewonnen. Die SPD ist heute in der üblichen Umfrage auf nur noch 22 Prozent abgerutscht. Alle Hoffnungen richten sich nun auf die CDU/CSU. Aber auch sie hat am deutschen Schuldenberg und an der Schaffung nicht finanzierbarer sozialer Hängematten mitgewirkt. Wir möchten hoffen. Möge uns die Union nun nicht enttäuschen! 

Franz Mühlen, Bergisch Gladbach

 

 

Auf den Punkt

Betr.: Weihnachtsmärchen

Dieses schöne "Weihnachtsmärchen" mit soviel Wahrheit habe ich mit sehr großem Vergnügen gelesen, da es genau den Punkt traf. Machen Sie bitte so informativ wie bisher weiter. Danke! 

Aloys Glasik, Köln

 

Fotos:

Marienburg: Lange Zeit war sie der Hauptsitz der Hochmeister des Deutschen Ordens. Foto: Archiv

Deutsche Flüchtlinge in Dänemark: Dieses Foto aus dem Buch "Menschen hinter Stacheldraht" über das Lager Oksböl zeigt ein Kinderlazarett.