19.04.2024

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01.03.03 / Ludwig v. Erlichshausen / Die Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen, Teil XIV

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 01. März 2003


Der Verlust der Grossmachtstellung
Ludwig v. Erlichshausen / Die Hochmeister des Deutschen Ordens in Preußen, Teil XIV

Nach dem Tode Konrad von Erlichshausens hatte Anfang Dezember 1449 der Großkomtur Heinrich Zolr v. Richtenberg bis zur Hochmeisterwahl als Statthalter die Amtsgeschäfte übernommen.

Zum Nachfolger des Hochmeisters Konrad wurde dann dessen Vetter Ludwig von Erlichshausen gewählt. Er stammte aus derselben ministerablen Familie aus Franken, war aber keineswegs mit vergleichbaren Fähigkeiten und ähnlicher Führungskraft ausgestattet. Angeblich hatte sein Vetter die Gebietiger des Deutschen Ordens vor dem herrischen Mann gewarnt. Dennoch wählte ihn das Generalkapitel am 21. März 1450 zum Hochmeister.

Ludwig v. Erlichshausen war 1434 dem Orden beigetreten und hatte eine durchschnittliche Laufbahn absolviert. Nach Einsätzen als Vogt von Leske, Grebin und Leibe war er ab 1442 nacheinander Komtur von Schönsee und von Mewe. Seinen regionalen Führungspositionen im westpreußischen Bereich folgte kein Amt als Großgebietiger, sondern sogleich die Wahl in die höchste Führungsposition.

Auf einer Tagfahrt zu Elbing im Jahr 1450 griff der neue Hochmeister die Vertreter des Preußischen Bundes mit scharfen Worten an, verlangte Gehorsam und drohte mit dem Kirchenbann. Ebenso heftig fiel die Antwort des Anführers der Ständischen, des Thorner Bürgermeisters Tilemann vom Wege, aus.

Eine gemeinsame Intervention mit dem Deutschmeister bei Kaiser und Papst hatte nur vordergründig Erfolg, indem diese die Bündner ermahnten, sich nicht mehr gegen Gesetz und Ordnung aufzulehnen. Diese Botschaften wurden bei einer Zusammenkunft im September 1451 in Marienwerder verlesen.

Auch der Hochmeister sicherte dem Bund Schutz vor Gewalt und Unrecht zu und machte damit deutlich, daß der Bund überflüssig sei. Andererseits war er zu Kompromissen hinsichtlich der Forderungen des Bundes nicht bereit und drängte vielmehr auf eine Grundsatzentscheidung mit dem Ziel einer Beseitigung der ständischen Organisation. Schließlich gelang es dem Deutschen Orden, unter Einsatz aller rechtlichen und diplomatischen Mittel einen Schiedsspruch Kaiser Friedrichs III. zu erreichen, in dem der Preußische Bund für illegal erklärt und seine Auflösung gefordert wurde. Auch der Reichstag von 1453 kam zu diesem Urteil. Diese Entscheidung brachte aber keinerlei Besserung der Lage; vielmehr steigerte sie noch Haß und Zwietracht. Seit längerem schürte der Thorner Bürgermeister Tilemann vom Wege mit zielgerichteter Agitation die Auflehnung gegen den Orden und wurde dabei von Polen unterstützt. In Geheimverhandlungen hatten die Führer des Preußischen Bundes die Über- nahme der Landesherrschaft einer Reihe von Fürsten ange-boten. Aber Markgraf Friedrich von Brandenburg, Erzherzog Albrecht von Österreich, König Ladislaus von Böhmen und König Christian von Dänemark lehnten ab, nur König Kasimir von Polen war hierzu bereit, nahm den Preußischen Bund unter seinen Schutz und sicherte ihm im Inkorporationsprivileg die geforderten Rechte zu. Freilich hielten er und seine Nachfolger diese Zusagen nur zum kleineren Teil ein.

Hochmeister Ludwig v. Erlichshausen war inzwischen nicht mehr Herr der Lage und fand keine Mittel, dem völligen Zusammenbruch des Ordensstaates Einhalt zu gebieten.

Angesichts ihrer Niederlage im Schiedsverfahren sagten die Stände und Städte am 4. Februar 1454 dem Hochmeister den Gehorsam auf und unterwarfen sich kurz darauf dem König von Polen. Dieser erklärte dem Orden den Krieg und unterstützte den Aufstand, der mit dem Niederbrennen der Ordensburg Thorn seinen Anfang nahm und wie ein Fanal wirkte. Fast alle meist schwach besetzten Burgen fielen den wohlvorbereiteten Bündnern in die Hände. Lediglich die Marienburg sowie Konitz und Stuhm konnten gehalten werden. Der Hochmeister ließ alle in der Nähe stehenden Truppen in die Marienburg einrücken, die alsbald von den Bündischen und den Polen eingeschlossen wurden.

Polnische Heerhaufen waren an mehreren Stellen in das Ordensgebiet eingefallen. Papst, Kaiser und Reichsfürsten forderten König Kasimir IV. auf, die eroberten Landesteile zu räumen und dem Orden zurückzugeben. Doch der reagierte nichtssagend. Als er mit einem großen Heer in Preußen vorrückte, kam es am 18. September 1454 nahe Konitz zu einer Schlacht, in der das polnische Heer eine schwere, ver-lustreiche Niederlage erlitt, die einen allgemeinen Umschwung im Lande bewirkte. Viele Städte wandten sich wieder ihrem Landesherrn zu. Doch dem glücklosen Hochmeister fehlte das politische Geschick, um das Blatt noch einmal zugunsten des Ordens zu wenden.

Trotzdem ging der Krieg weiter, ohne daß der Orden Hilfe aus dem Reich erhielt. Die Verhängung der Reichsacht gegen Polen und Bannsprüche des Papstes konnten die Lage nicht ändern. Aus Finanznot und um sie dem Zugriff der Polen zu entziehen, verkaufte man die Neumark an Brandenburg.

Es mangelte an Geld, um den vielen angeworbenen Söldnern ihre angesammelten Löhne zu zahlen. Deshalb verpfändete der Orden die Marienburg und anderen Besitz als Sicherheit an die Gläubiger. Böhmische und tschechische Söldner verkauften die Burg im August 1456 an den polnischen König und hielten den Hochmeister dort wie einen Gefangenen. Am Pfingstmontag des Jahres 1457 mußte er unter Demütigungen fluchtartig seine Residenz verlassen und den Hauptsitz des Deutschen Ordens nach Königsberg verlegen. Schon am folgenden Tag zog König Kasimir triumphierend in die Marienburg ein.

Noch mehr als zwei Jahre verteidigte sich die Stadt Marienburg unter ihrem Bürgermeister Bartholomäus Blume gemeinsam mit dem Ordensmarschall Heinrich Reuß v. Plauen gegen die Belagerer, bis schließlich Hunger und Not sie zur Übergabe zwangen. Die Polen warfen den tapferen Bürgermeister Blume in den Buttermilchturm und töteten ihn.

Jahrelang zog sich der Krieg unter Verwüstungen und Greueltaten noch hin und forderte viele Menschenopfer. In Thorn und in Danzig herrschte Anarchie. Danzig wurde erneut von der Pest heimgesucht. Nachdem das Ordensheer bei Zarnowitz geschlagen worden war, fielen die Polen nach Pommerellen ein. Doch machte sich auf beiden Seiten nach 14jährigem Kampf Erschöpfung breit. Der Krieg mußte endlich beendet werden.

Im Jahre 1466 gelang es dem päpstlichen Legaten, Bischof Rudolf von Lavant, Friedensverhandlungen einzuleiten, um das Blutvergießen zu beenden.

Der Zweite Thorner Frieden wurde am 19. Oktober 1466 vom Hochmeister und vom polnischen König unterzeichnet. Er vernichtete die Großmachtstellung des Deutschen Ordens, der seine Verbindung mit dem Heiligen Römischen Reich aufgeben mußte. Hochmeister Ludwig mußte dem König von Polen einen persönlichen Eid, jedoch keinen Lehnseid leisten; er wurde polnischer Reichsfürst und ständiger Rat des Königs.

Die territorialen Verluste des Ordensstaates waren sehr groß; sie betrafen Pommerellen und das Kulmerland sowie die teil- autonomen Gebiete von Danzig, Elbing, Thorn, Marienburg, Stuhm und Christburg. Westpreußen wurde als "Preußen königlichen (polnischen) Anteils" der polnischen Krone unterstellt, und das Bistum Ermland erhielt die Selbständigkeit mit oberherrlichen Rechten des Königs von Polen.

Neben den hohen Kriegskosten von 5,7 Millionen ungarischen Gulden waren große Schulden abzutragen. Ein besonders heikler Punkt des Thorner Vertrages war die Verpflichtung des Ordens zur Heerfolge an den König von Polen, die aber wegen der Notlage des Ordenslandes zunächst ausgesetzt wurde.

Es bleibt die Frage offen, ob der Zusammenbruch des Ordensstaats der Schwäche und Unfähigkeit dieses Hochmeisters zuzuschreiben ist. Zweifellos haben doch auch eine Reihe anderer Faktoren mitgewirkt, die man heute als Vorläufer einer Demokratisierung alter Hierarchien bezeichnen würde.

Der vom Schicksal geschlagene Hochmeister kehrte in seine neue Residenz Königsberg zurück, wo er den Zusammenbruch des Landes nur ein halbes Jahr überlebte. Er hatte den Orden und das Land 17 Jahre lang unter widrigsten Umständen geführt. Nach schwerer Krankheit starb er am 4. April 1467 in Königsberg und wurde im dortigen Dom beigesetzt. Friedrich Borchert

Wappen Ludwig v. Erlichshausens