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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. März 2003 |
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Gedanken zur Zeit: Amerikanisches Urgestein von Wilfried Böhm In Zeiten eines - gelinde gesagt - gespannten Verhältnisses zwischen Berlin und Washington sei an Vernon A. Walters erinnert, der während der Wiederherstellung der staatlichen Einheit Deutschlands als amerikanischer Botschafter in Bonn residierte. Der legendäre amerikanische Stratege, hoher Militär und Diplomat diente sieben Präsidenten seines Landes, beherrschte sieben Sprachen, darunter Deutsch, und war ein guter Freund Deutschlands. In den Zeiten des kalten Krieges war Walters stets der festen Überzeugung, daß die Vereinigten Staaten die einzige reale Chance dafür waren, daß die Freiheit in der Welt überleben konnte. Michael Ledeen, einer der Herausgeber der renommierten National Review schrieb über ihn, Walters sei offensichtlich der erste Amerikaner gewesen, der spürte, daß die deutsche Wiedervereinigung geschehen werde und "wir dabei besser an Bord gehen sollten". Der damalige Präsident des deutschen Bundes der Vertriebenen Herbert Czaja wies darauf hin, daß Walters seit seinem Dienstantritt in Bonn am 22. April 1989 und schon früher, seit dem Rückzug der Sowjetunion aus Afghanistan, einsam, belächelt und von den meisten Deutschen, Amerikanern und sogenannten "Ostexperten" bekämpft, "das rasche Ende der Trennung in zwei Staaten in Deutschland vorausgesagt hatte, weil er die Breschnjew-Doktrin für tot hielt". Walters hatte erkannt, daß die Rote Armee in den Satellitenstaaten nicht mehr einmarschieren würde. Um diese historische Epoche vor Ort zu erleben, nahm er sehr gern den Auftrag an, als ihn der Vater des heutigen Präsidenten, George Bush, nach Bonn schickte. Sein dienstliches und persönliches Verhältnis zu Außenminister Baker und dessen Stab war und blieb hingegen während seiner gesamten Amtszeit in Deutschland gespannt, was sich in Walters Feststellung zur Qualität der sogenannten 2+4-Verhandlungen niederschlägt: "Niemals in der Geschichte der Menschheit haben so wenige mit so vielen über Dinge verhandelt, von denen sie so wenig verstanden". Walters hatte damit in erster Linie auf die jungen amerikanischen Unterhändler gezielt, deren Kenntnis der deutschen Geschichte und des deutschen Volkes "zu wünschen übrig ließ". Während Walters trotz dieser Spannungen in Bonn blieb, "weil er die Vereinigung erleben wollte", meinte das junge Baker-Team, "das werde erst in Jahrzehnten kommen", und versuchte, Walters aus den Verhandlungen auszugrenzen. Aber auch die Einstellung und das Verhalten vieler Deutscher verursachte dem Amerikaner in Deutschland Probleme. In seinem seit Jahren ausverkauften - oder aufgekauften? - spannenden Buch "Die Vereinigung war vorhersehbar" (Siedler-Verlag, Berlin, 1994) beschreibt Walters, welche Reaktionen seine begründete Überzeugung seinerzeit im politischen Bonn gefunden habe. So hatte schon bei seinem Antrittsbesuch in dem von Hans Dietrich Genscher geleiteten Auswärtigen Amt sein "alter Freund" Staatssekretär Hans Lautenschläger die Überzeugung von Walters, die Einheit Deutschlands sei nicht mehr fern, mit einem Lächeln quittiert und festgestellt, daß diese Ansicht "wohl etwas zu optimistisch sei". Staatssekretär Jürgen Sudhoff tat die Meinung von Walters mit der Bemerkung ab, "ein wiedervereinigtes Deutschland werde wohl noch einige Jahre auf sich warten lassen". Genscher selbst übte sich ebenfalls im Lächeln, "nachsichtig, ja beinahe herablassend", als Walters ihm seine Überzeugung im Hinblick auf die deutsche Einheit vortrug. Eine solche Entwicklung liege "schlechthin nicht im Bereich des Möglichen". Derzeit seien die Sowjets bereit, eine solche Entwicklung zu dulden, und auch könnten die deutschen Nachbarn im Westen damit noch nicht leben. Walters bezeichnete Genschers Haltung als "exzessiven Eurozentrismus", der Deutsch- lands Zukunft "fast ausschließlich in Europa sah". So war denn Walters überrascht, "wie wenig Politiker die Einheit Deutschlands in naher Zukunft verwirklicht sehen wollten. Eher überwog die Sorge, was Deutschlands Nachbarn von einem wiedervereinigten Deutschland halten könnten". Walters: "Das Zentrum dieser Besorgnisse lag im Auswärtigen Amt." Auf diesem Hintergrund wird glaubwürdig, was die britische Premierministerin Margaret Thatcher im Spiegel (41/1/1993) berichtet, daß "Genscher in einem vertraulichen Gespräch seinem britischen Kollegen Douglas Hurt versicherte, die Deutschen wollten das Gerede von der Wiedervereinigung unterbinden". Die Haltung der SPD im Zusammenhang mit der deutschen Einheit ist für Walters ein "Rätsel": "Zur Zeit meiner Ankunft in Bonn schien es, als hätten sich große Teile der Partei aus der politischen Wirklichkeit verabschiedet." Als Walters die Absprachen der SPD mit der SED kritisierte, lachten Sozialdemokraten darüber, während Egon Bahr wenigstens den Dialog suchte und Hans Jochen Vogel sich beim Abschied Walters' gut aus der Affäre ziehen wollte: "Sie haben die Regierung durchaus zu einigem bewegen können. Aber wir sind in der Opposition zu Bundeskanzler Kohl und müssen eben Protest gegen seine Vorschläge erheben, wenn wir nicht als Ja-Sager erscheinen wollen". Nicht nur weil Helmut Kohl und Wolfgang Schäuble aufmerksam hinhörten, wenn Walters seine Überzeugungen vortrug, lobt Walters Kohl in seinem Buch ausdrücklich. Am Abend des 3. Oktobers bei der Zeremonie vor dem Reichstag in Berlin habe Kohl zu ihm gesagt: "Ohne euch Amerikaner hätten wir diesen außerordentlichen Abend nicht erlebt." Im Laufe des Abends, so Walters, seien 32 Mitglieder des Deutschen Bundestages zu ihm gekommen und hätten ihm für den amerikanischen Beitrag zur deutschen Freiheit gedankt. "Ich weiß es genau, denn ich habe sie gezählt. Ich bedauerte, daß nicht ein einziger Sozialdemokrat darunter war." Walters beschließt die Schilderung dieses Abends: "Es war ein weiterer unvergeßlicher Augenblick meines Lebens. Es war der Anfang vom Ende des langen Alptraums der Nachkriegszeit, die wir im Schatten des Atomtods verlebt hatten. Als ich zu meiner Residenz in Dahlem zurückfuhr, dankte ich Gott, daß er mich lang genug hatte leben lassen, um Zeuge dieses Tages zu werden." Vernon A. Walters verstarb 85jährig vor einem Jahr, im Februar des Jahres 2002. |