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08.03.03 / Kommunen "verleasen" verstärkt Eigentum zur Verbesserung ihrer finanziellen Lage

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 08. März 2003


Imperialismus durch die Hintertür
Kommunen "verleasen" verstärkt Eigentum zur Verbesserung ihrer finanziellen Lage
von R. G. Kerschhofer

Immer häufiger kommt es zu seltsamen Geschäften, die man als "lease-and-lease-back" bezeichnet (hier abgekürzt L&LB). Die sind zwar legal, werden aber nicht an die große Glocke gehängt, und neuerdings regt sich sogar Widerstand: Bayern will seinen Kommunen L&LB verbieten, und Niederösterreich ließ bereits eine solche Transaktion platzen. Kleinkarierte Provinzpolitiker?

Wie der Name sagt, hat L&LB mit "Leasing" zu tun. Konkret wird ein langlebiges Wirtschaftsgut, das einer Gebietskörperschaft, einer Bahnverwaltung oder einem anderen direkt oder indirekt im öffentlichen Eigentum stehenden Betrieb gehört, "verleast" - und postwendend "zurückgeleast"! Ein reales Beispiel mit fingierten Namen: Die Kommune Mangelstadt "verleast" ihre U-Bahn an die Eastcoast Corporation und "least" sie wieder zurück. Für Personal und Fahrgäste ändert sich nichts.

Doch warum wollen die Mangelstädter quasi Untermieter im eigenen Haus werden? Nun, den Stadtvätern wurde vorgerechnet, daß das an die Eastcoast zu entrichtende Leasing-Entgelt - vereinfachend hier Miete genannt - niedriger ist, als die Miete, die man zurückbekommt! Die Eastcoast hält sich natürlich an Dritten schadlos und läßt Mangelstadt mitprofitieren. Vorläufig wenigstens - daher das Unbehagen bei allen, die weiterdenken.

Um komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge zu verstehen, muß man sie aus dem Dickicht finanztechnischer Tricks, Steuervorschriften und "Förderungen" herauslösen. Der reale Kern erweist sich dann als Umwandlung von Vermögensgütern in eine andere Form, als Übertragung von Vermögensgütern und per Saldo als Vermögensveränderung (Gewinn oder Verlust). Zur Veranschaulichung brauchen wir hier noch weitere Akteure: die Firma Tüchtig, die Normalbank AG, die Flott-Leasing GmbH und die Anwaltsfirma Superlaw & Partners in New York.

Echte und unechte Investitionen

Beginnen wir mit einer typischen Unternehmerentscheidung: Herr Tüchtig kauft eine Drehbank, um die Produktion auszuweiten, er investiert. Am Gesamtvermögen ändert sich zunächst nichts, denn dem geschrumpften Bankkonto steht eine Werterhöhung im Maschinenpark gegenüber. Allerdings ist Tüchtig jetzt weniger liquide - sein finanzieller Handlungsspielraum wird kleiner. Diesen kurzfristigen Nachteil nimmt er in Kauf, weil er sich längerfristig einen Vorteil verspricht, nämlich daß der über die gesamte Nutzungsdauer der Drehbank erzielte Mehrertrag größer ist als die Anschaffungskosten. Geht die Rechnung nicht auf, war es eine Fehlinvestition, und Tüchtig ist ärmer. Und mit Tüchtig wird - je nachdem - die Volkswirtschaft reicher oder ärmer, weshalb Tüchtig dem Fiskus nicht egal sein kann.

Wenn Tüchtig das Geld für die Drehbank nicht flüssig hat, nimmt er bei der Normalbank einen Kredit auf. Die Zinsen und Spesen muß er ebenfalls einkalkulieren. Während sich im ersten Fall an seiner Bilanzsumme zunächst nichts ändert, erhöhen sich im zweiten Fall die Aktiven um den Wert der Drehbank und die Passiven um den aushaftenden Bankkredit. Das Verhältnis von Eigenkapital zu Fremdkapital, eine wichtige Kennzahl, wird schlechter.

Tüchtig hat eine dritte Möglichkeit: Er läßt Flott-Leasing die Drehbank kaufen und mietet sie für eine fixe Laufzeit, beispielsweise fünf Jahre. Danach kann Herr Tüchtig die Maschine um einen vereinbarten Restbetrag kaufen. Leasing ist für ihn somit wie ein Ratenkauf, bei dem die Raten aus Tilgungen, Zinsen und Spesen bestehen. Da die Drehbank Flott-Leasing gehört, sieht die Bilanz der Firma Tüchtig genauso unbelastet aus wie im ersten Fall. Tüchtig hätte es also leichter, einen zusätzlichen Kredit aufzutreiben. (Zwecks Gläubigerschutz verlangen mittlerweile einige Länder, Leasing-Verpflichtungen in der Bilanz anzuführen.)

Leasing-Geschäfte verschleiern die wirkliche finanzielle Situation

Auch Flott-Leasing kauft die Drehbank auf Kredit. Aber als Großkunde kann Flott-Leasing bei der Bank niedrigere Zinssätze und eventuell bei Lieferanten Diskonte aushandeln. Sollte Tüchtig Pleite machen, ist die Drehbank nicht in der Konkursmasse und kann von Flott-Leasing verwertet werden. Die Normalbank hingegen wäre ein gewöhnlicher Massegläubiger, weshalb ihre Zinssätze auch einen Risikozuschlag enthalten.

Wie ein Unternehmer besser dran ist, läßt sich nicht verallgemeinern, aber es kann gute Gründe für das kompliziertere Leasing geben. Und es gibt auch schlechte Gründe: Staat, Länder und Gemeinden verschleiern gerne ihre Schulden, indem sie Investitionen mit Leasing finanzieren! Hier kommen die Vorteile von Leasing sicher nicht zum Tragen, und letztlich subventioniert so der Steuerzahler Geldinstitute, Anwälte - und Parteien.

Auch der U-Bahn-Bau in Mangelstadt war eine Investition. Die Finanzierung erfolgte teils aus "Eigenmitteln", teils über Kredite - letztlich immer aus Steuergeldern. Die Kalkulation der Stadtväter unterschied sich aber von der des Herrn Tüchtig, denn bei Infrastruktur geht es neben betriebswirtschaftlichen Aspekten auch um volkswirtschaftliche: Eine verlustträchtige U-Bahn kann als Förderung des Wirtschaftsstandorts angesehen werden. (Das würde uns eigentlich zu einem weiteren verlockenden Thema führen: "Privatisierung - ja oder nein?")

Neben Sachinvestitionen wie Drehbank oder U-Bahn gibt es auch Finanzinvestitionen. Der Anleger ist hier primär oder ausschließlich an der Rendite interessiert. Als Kreditgeber oder Anteilseigner (Aktionär) hat für ihn die reale Wirtschaft - Produktion, Umsatz, Beschäftigung - nur indirekt Bedeutung. Und manche "Investoren" sind bloße Spekulanten, die sogar von Pleiten und einem schrumpfenden Brutto-Inlandsprodukt (BIP) profitieren.

Abschreibungen und Förderungen

Die Drehbank entwertet sich durch Benützung und Alterung. Diese Entwertung ist Aufwand und muß sich in der Buchhaltung als Verminderung von Vermögen und Gewinn niederschlagen: Die Maschine wird "abgeschrieben", entweder bei Tüchtig oder bei Flott- Leasing.

Im Endeffekt ist die ganze Drehbank abzuschreiben - nur wie schnell soll man abschreiben? Grundsätzlich kann man durch verspätete Abschreibung die Lage eines Unternehmens rosiger erscheinen lassen. Dies ist zwar gesetzwidrig und als Täuschung von Anlegern und Gläubigern sogar Betrug, aber es kommt vor. Tatsächlich spielt falsche Bewertung von Vermögensteilen - und damit das Vortäuschen von Gewinnen - bei allen Pleiten eine Rolle, so auch beim ENRON-Skandal im Dunstkreis des Bush-Clans.

Doch wir befassen uns hier mit anständigen Betrieben, die Gewinn machen, und die wollen möglichst früh abschreiben: So reduzieren sie ihren Gewinn und zahlen weniger Steuern. Genau genommen, sie verschieben ihren Gewinn und die darauf anfallenden Steuern in die Zukunft. Für gewinnträchtige Betriebe bedeutet vorzeitige Abschreibung daher einen Zinsengewinn - und für den Fiskus einen Zinsenverlust.

Glücklicherweise haben sinnvolle Investitionen einen Nebeneffekt: Sie stärken die Volkswirtschaft und erhöhen im Endeffekt BIP und Steueraufkommen. Daher ist das Zulassen vorzeitiger Abschreibungen eine von mehreren Möglichkeiten, Investitionen zu fördern. Und sicherlich diejenige, die am wenigsten zu Mißbräu- chen und Fehlinvestitionen verleitet.

"Höhere Finanzen"

Bevor wir zurück zu L&LB kommen, ist noch das gedankliche Zwischenglied zwischen Leasing und L&LB zu erwähnen: "Sell-and-lease-back". Wenn Tüchtig einen größeren Kredit braucht, würde die Normalbank Sicherstellungen verlangen, beispielsweise eine Hypothek auf das Betriebsgebäude. Als Alternative kann Tüchtig das Gebäude an langfristige Anleger, etwa Versicherungen oder Pensionsfonds, verkaufen und sie gleich wieder zurückmieten. Anders als mit der Drehbank handelt es sich hier um eine bloße Umschichtung ohne Auswirkungen auf das Volksvermögen. Zumindest, solange es nicht um einen ausländischen "Investor" geht.

Auf den ersten Blick scheint Leasing nur Vorteile zu bieten

Und damit zum Kern der Sache: Die USA fördern Auslandsinvestitionen von US-Konzernen, sowohl echte Investitionen als auch das bloße Aufkaufen von Firmen. Da US-Firmen, egal wo sie operieren, den US-Gesetzen unterliegen, weiten US- Investitionen automatisch den Einflußbereich der USA aus, was der eigentliche Zweck der Übung ist. Die Förderung besteht darin, daß die Auslandsinvestitionen vorzeitig abgeschrieben werden können - und, wie oben dargelegt, einen Zinsengewinn bringen: Praktisch gewährt der US-Normalverbraucher dem Auslandsinvestor ein zinsenloses Darlehen. (US-Investoren profitieren überdies von den enormen und nicht ganz ungezielten Schwankungen des Dollarkurses: Auf Phasen für günstiges Aufkaufen folgen Phasen gewinnbringenden Abstoßens.)

Dem Kauf gleichgestellt sind langfristige Mietverträge, und genau das ist die Grundlage für L&LB. Die Verträge sind allerdings so komplex, daß nur Spezialisten wie Superlaw sie abfassen können. Und weil sich nur Superlaw und Konsorten auskennen, wird als Gerichtsstand New York vereinbart. Und weil die Vertragserrichtung so horrend teuer ist, zahlt sich L&LB nur bei Geschäften ab 100 Millionen Dollar aus. Und weil East- coast keine ris-kanten Vertragspartner will, kommen nur Gebietskörperschaften oder dergleichen in Frage, denn die können nicht in Konkurs gehen.

L&LB zwischen Mangelstadt und Eastcoast besteht eigentlich aus zwei Verträgen: Beim ersten ist Mangelstadt Leasing-Geber, Eastcoast zahlt die Mieten für die gesamte Laufzeit - sagen wir fünfzig Jahre - im voraus, schreibt dies als Aufwand ab und kassiert die Steuergutschriften. Der komplementäre Zinsengewinn des ausländischen Leasing-Gebers ist hingegen - und das ist ganz entscheidend! - nicht steuerpflichtig. Im zweiten Vertrag fungiert Eastcoast als Leasing-Geber, aber versteuert die eingehenden Mieten erst im Laufe von fünfzig Jahren. De facto verpachtet die Kommune Mangelstadt ihren steuerfreien Status an die Eastcoast, und der mit Zinseszinsen errechnete "Barwertvorteil", der bis zu zehn Prozent der Vertragssumme ausmachen kann, wird aufgeteilt. Clever! Oder allzu clever?

Das US-Schatzamt hat bereits in der zweiten Clinton-Ära entdeckt, daß ein zwecks Machtpolitik erfundenes Förderungsinstrument auch zur Milderung kommunaler Defizite in Europa mißbraucht wird, und Gegenmaßnahmen gefordert. Denn das Volumen von L&LB ist beträchtlich: In Österreich wird es auf mindestens 15 Milliarden Dollar geschätzt und dürfte in Deutschland etwa das Zehnfache betragen. In Holland ist das Potential sogar weitgehend ausgeschöpft - selbst die Deiche sind größtenteils ver- least!

Die Mangelstädter und andere Naivlinge vertrauen natürlich auf Vertragsklauseln, mit denen amerikanische Rückforderungen ausgeschlossen scheinen. Aber wie spätestens die Sammelerpressungen zeigten, kann sich kein Ausländer leisten, einen auch noch so sehr an den Haaren herbeigezogenen Prozeß in New York durchzuziehen. Und ein Staat, der internationale Kriegsverbrecherprozesse inszeniert, aber die eigenen Leute grundsätzlich davon ausnimmt, weiß sich erst recht in Vermögensfragen zu helfen. Hat nicht das Bundesland, in dem Mangelstadt liegt, Anteile an einem Automobil-Konzern mit US-amerikanischen Zweigbetrieben?

Aber vielleicht wird alles stillschweigend auf höchster Ebene geregelt, indem Uncle Sam an den eigentlichen Zweck der US-Investi- tionsförderungen erinnert: Dann werden befreundete Regierungen postwendend noch mehr Soldaten zur Wahrung fremder Interessen abstellen oder weitere U-Boote, Panzer und Raketen verschenken oder schlicht und einfach für irgendwelche vorgeschobenen Zwecke zahlen. Oder sollte das alles bereits im Gange sein?

Zweifelhafte Finanzierungstricks: Nicht nur kommunale Einrichtungen, Bahnhöfe oder Kanalisationssysteme werden heute "verleast" - in Holland sind es sogar die Schutzdeiche. Foto: kpa