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15.03.03 / Gedanken zur Zeit: Verbotener Schwindel

© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 15. März 2003


Gedanken zur Zeit: Verbotener Schwindel
von R. G. Kerschhofer

In Kopenhagen ging die zweite Doping-Weltkonferenz zu Ende - mit einer unverbindlichen "Deklaration von Kopenhagen" und mit Anerkennung des "Doping-Codes" einer privaten "Welt-Anti-Doping-Agentur". Aber während Doping selbst immer für Schlagzeilen gut ist, blieb das Medienecho bescheiden. Vielleicht, weil man um zukünftige Schlagzeilen bangt. Vielleicht auch, weil es bloß um eine kleine Großkonferenz ging - mit rund 1.000 Funktionären und Regierungsvertretern. Sicher jedenfalls wegen der konkurrierenden Bush-Krise, die man Irak-Krise nennt. Doch gerade weil das Getue so sehr an die "Abrüstung" erinnert, lohnen sich ein paar Gedanken.

"Doping" kommt von einem englisch-holländischen Wortstamm mit den Bedeutungen "mischen", "verfälschen". Tatsächlich geht es ums Mischen von Substanzen und ums Verfälschen von Resultaten. Doping ist also Schwindel. Fragt sich nur, wer geschädigt wird und wessen Interessen sich realistischerweise schützen lassen.

Ursprünglich gab es keinen Sport, sondern nur Vorbereitung auf Jagd und Krieg. Lohnte sich da das Schwindeln? Bei der Vorbereitung kaum, beim Einsatz aber durchaus. Immer schon waren Wundertränklein gefragt, die Kräfte gaben, Ängste nahmen und Schmerzen unterdrück-ten. Und ob die Truppe vorm Sturmangriff Fusel kriegt oder ob auf dem Flugzeugträger ein ausgeklügelter Pillen-Cocktail dafür sorgt, daß sich die Aggressionen nicht gegen die eigenen Leute, sondern gegen den Feind richten, ist im Prinzip dasselbe.

Entscheidend ist die Moral - Doping ist Selbstschädigung

Sport entstand als Beschäftigung elitärer Müßiggänger, und was die taten, ging niemanden was an. Der später von politischen Bewegungen ausgehende Breitensport hingegen hatte Gesundheitsförderung zum Ziel, und auch hier war Doping gegenstandslos. Erst mit internationalen Wettbewerben und mit der materiellen und politischen Bedeutung von Siegen begannen die Probleme! Immerhin ist die Lebenslüge vom "Amateur-Status" heute kein Thema mehr. Sollte man Doping nicht nach dem gleichen Muster behandeln, also die Beschränkungen aufheben?

Sehen wir der Realität ins Auge: Weltweit sind Tausende Forscher, Funktionäre und Sportler dabei, Doping-Mittel beziehungsweise Methoden zu deren Nachweis zu entwickeln. Verbote bewirken bloß, daß noch mehr hochbezahlte Spezialisten nach noch raffinierteren Drogen und Methoden forschen! Mit dem Effekt, daß es sich manche leisten können und andere nicht - genau wie bei den Atom-Waffen. Ein institutionalisierter Schwindel.

Gewiß, Doping zu erlauben würde manche Leute arbeitslos machen, - aber es gäbe eben auch keinen Schwindel mehr. Und weil das Volk nicht mehr wüßte, wer "hat" und wer nicht, wären alle Stars entzaubert: Dem Star-Rummel, der aufgezogen wird, um den Leuten das Geld aus der Tasche zu ziehen und sie von realen Problemen abzulenken, wäre einiges an Substanz entzogen.

Da Doping-Mittel keine Suchtgifte sind, wäre Doping-Freigabe auch kein Präjudiz für Drogen-Freiga- be. Doping kann zwar gesundheitsschädlich sein, doch wenn sich Sportler ihre Knochen und Gelenke ruinieren dürfen, warum nicht auch ihre Innereien? Moralische Aspekte der Selbstschädigung hat jeder Erwachsene für sich zu verantworten, und man wirft ja auch keinem vor, daß er einen gesundheitsschädigenden Beruf wählt.

Entscheidend ist etwas anderes: Vorsätzliche oder grob fahrlässige Selbstschädigung - und das gilt ebenso für den Unfall beim Freizeitsport - darf nicht die Gesellschaft belasten. Bestimmte Risiken müßten daher aus der Sozialversicherung ausgeschlossen werden, was gleich mehrere Vorteile brächte: Es wäre gerecht. Es würde das Verantwortungsbewußtsein erhöhen. Es würde private Versicherungen fördern - verglichen mit dem Materialaufwand beim Sport fallen die Prämien ohnehin nicht ins Gewicht. Und es würde letztlich zum Umdenken bei der Freizeitgestaltung führen.

Da ist noch ein wichtiger Aspekt, nämlich Kinder und Jugendliche. Genau wie vor Drogen sind sie auch vor Doping zu schützen. Allerdings dürfen wir dabei nicht auf halbem Wege stehenbleiben: Wenn wir achtjährige Wunderturnerinnen sehen, muß uns klar sein, daß diese geschundenen Mädchen vermutlich nie das Leben einer gesunden Frau führen werden! Sie bleiben Wegwerfprodukte der Sensationsgesellschaft - wie die Kinder in den Bordellen allerorts. Auch "sportlicher" Kindesmißbrauch ist zu ächten und zu ahnden! Es darf nicht sein, daß Eltern, Trainer und Funktionäre aus übersteigertem Ehrgeiz oder aus nackter Geldgier Kinder in ein für deren Alter ungeeignetes Training zwingen.

Wird sich etwas ändern? Kaum, denn mit doppelbödigen Verboten an Folgeschäden herumzudoktern ist lukrativer und bequemer, als gesellschaftliche Fehlentwicklungen an der Wurzel zu packen: Mit Doping als verbotenem Schwindel und Doping-Verbot als erlaubtem Betrug ist uns der Weg gewiesen.