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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. März 2003 |
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Brandenburg: Aufbruch an der Grenze An Oder und Neiße hoffen viele auf die EU-Erweiterung von Werner Bader Der Weg Polens in die Europäische Union führt auf jeden Fall über Deutschland." Das erklärte der frühere polnische Ministerpräsident Buzek vor einem Treffen mit Kanzler Schröder. Der lieferte die gewünschte Antwort: "Wir sind der Anwalt Polens bei den Erweiterungsverhandlungen der EU." Der polnische Beitrittskandidat, aber auch sein selbsterklärter deutsche Anwalt werden noch eine Fülle von Problemen zu lösen haben. Dabei braucht die Republik Polen in erster Linie deutsche Investitionen. Und die bekommt sie: Trotz Hemmnissen seitens der polnischen Bürokratie ist die grenzüberschreitende wirtschaftliche Zusammenarbeit im Wachsen. Die Bundesrepublik Deutschland ist inzwischen der wichtigste Außenhandelspartner Polens und Polen der wichtigste Wirtschaftspartner der Deutschen im ostmitteleuropäischen Raum. 180 deutsche Firmen haben zwischen Oder und Bug jeweils mehr als 500 000 Euro investiert. Außerdem gibt es rund 7000 deutsch-polnische Joint-Ventures. Entlang der Grenze locken Wirtschaftssonderzonen wie die von Küstrin (Kostrzyn) oder der früheren Frankfurter Dammvorstadt (Slubice) mit günstigen Bedingungen wie einer Steuerfreiheit von zehn Jahren bzw. bis 2017. Das könnte für etliche deutsche Unternehmen attraktiv sein. In Küstrin haben bisher über 20 deutsche Firmen ihre Ansiedlung in Aussicht gestellt, darunter der bayerische Fleischproduzent Köblein. Außerdem sollen von hier aus bald die türkischen Döner-Imbisse im Bundesgebiet mit Fleisch versorgt werden. In der Frankfurter Vorstadt am Ostufer der Oder hat ebenfalls ein deutscher Fleischproduzent seine Visitenkarte abgegeben sowie ein kleinerer Maschinenhersteller aus Berlin. Natürlich lassen sich in diesen Sonderzonen auch polnische Betriebe nieder. Insgesamt konnten bislang fast 2000 neue Arbeitsplätze geschaffen werden. Es wird vor allem für den bundesdeutschen Markt produziert, andernfalls hätte man sich Standorte im Landesinnern ausgesucht. Zwischen den Handwerkskammern von Frankfurt/Oder und Landsberg/Warthe (Gorzów) ist bereits ein Kooperationsvertrag zur Vorbereitung der EU-Osterweiterung abgeschlossen worden. Landsberg ist Standort eines Volkswagenwerkes, in dem 2300 Menschen - zu fast 90 Prozent Frauen - arbeiten. Hier werden bei vergleichweise günstigen Lohnkosten elektronische Teile für den VW-Golf A 4 zusammengebaut, die man aus dem Westen heranschafft und täglich wieder nach Wolfsburg bringt. In der ostbrandenburgischen Stadt an der Warthe wird somit schon heute in großem Stil das umgesetzt, was man in der Theorie auch in Frankfurt weiß und was der Geschäftsführer des dortigen "Trade Centers", Christian Plüschke, in folgende Worte faßte: "Wir müssen lernen, unsere Grenzlage als Vorteil zu verstehen." Polen will beim Eintritt in die EU auf verschiedenen Gebieten längere Übergangsfristen erreichen. Das gilt, trotz einer widerstrebenden Haltung Brüssels, insbesondere beim Immobilienerwerb durch Ausländer - vor allem wegen der Deutschen. Warschau forderte lange Zeit eine Frist von fünf Jahren für von Ausländern privat genutzte Grundstücke und 18 Jahre (!) für das Verbot des Kaufs landwirtschaftlicher Flächen und Wälder. Hinsichtlich letztgenannter Frist ging die amtierende Linksregierung dann auf sieben bzw. drei Jahre zurück, klammerte die alten deutschen Ostgebiete jedoch weitgehend aus. Beim Bodenerwerb zu Investitionszwecken soll es keine Beschränkungen geben. Bislang können Ausländer nur mit Genehmigung des polnischen Innenministeriums Grund und Boden erwerben. 2800 Genehmigungen sind im vergangenen Jahr erteilt worden. Tatsächlich zum großen Teil an Deutsche. Und zwar vor allem zum Bau von Produktionsbetrieben, Handels- und Dienstleistungsunternehmen. Schon ist wieder die Befürchtung zu hören, es handle sich um eine "wirtschaftliche Expansion Deutschlands nach Polen". Der radikale Bauernführer Andrzej Lepper faßte seine Kritik am Landverkauf an Ausländer sogar in folgende Worte: "Hitler benutzte im Jahr 1939 Panzer und Flugzeuge, um sich Land anzueignen. Heute verwenden Kohl und sein Nachfolger Schröder für das gleiche Ziel Mark und Euro." Das ist starker Tobak, zumal Polen bekanntlich ein Viertel des einstigen deutschen Reichsgebietes erhalten hat. Aber es gibt auch Gegenstimmen. Andrzej Bochenski, Parlamentsmarschall des "Lebuser Landes", eines Bezirks an der Grenze zum Bundesland Brandenburg, kritisierte in Brüssel offen die Warschauer Regierung. Lange Übergangsfristen würden die Entwicklung der Grenzregionen bremsen, da diese dringend ausländische Investitionen bräuchten, mahnte er. Wenn Deutsche brachliegendes Land kaufen wollten, um es zu bewirtschaften, seien sie willkommen, erklärte der Regionalpolitiker. Eine enge Zusammenarbeit gibt es schon jetzt in den Naturparks beiderseits von Oder und Neiße. Wichtigster Motor ist das Bundesland Brandenburg, das mit 440 Kilometern die längste Grenze zum heutigen polnischen Territorium hat, das hier zugleich der Osten des historischen Brandenburgs ist - die sogenannte Neumark. Auch zwischen Frankfurt und seiner ehemaligen Dammvorstadt (Slubice) werden die Verbindungen dichter geknüpft. So entstand ein zweisprachiges Monatsblatt Slubfurt-Gazeta/Zeitung, herausgegeben von einem neugegründeten deutsch-polnischen Verein. Zu dessen mittelfristig ins Auge gefaßten Plänen gehört die Herausgabe eines gemeinsamen Stadtplans. Eine gemeinsame Partnerstadt gibt es bereits: Heilbronn. Die jungen Autorinnen Dagmara Jasesniak-Quast und Katarzyna Stoklosa, beide Absolventinnen der binationalen Frankfurter Universität "Viadrina", veröffentlichten das Buch "Geteilte Städte an Oder und Neiße" und beleuchteten darin das Schicksal der heutigen Grenzstädte Frankfurt/Oder, Guben (Gubin) und Görlitz (Zgorzelec). Bei Guben konnte ein neuer Grenzübergang eröffnet werden, der die noch immer häufig verstopfte wichtigste Abfertigungsstelle Frankfurt entlasten soll. Darüber hinaus einigte man sich auf neue Übergänge in Forst, Krauschwitz, Görlitz, Hagenwerder und Swinemünde. Aber auch Großprojekte am westlichen Oderufer sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Das gilt speziell für den beschleunigten Bau der Oder-Lausitz-Trasse, die in Nord-Süd-Richtung von Schwedt über Bad Freienwalde, Frankfurt, Eisenhüttenstadt, Guben und Cottbus bis nach Senftenberg führen soll. Am Schloß Tamsel - einen "Katzensprung" von der Grenze bei Küstrin entfernt - haben Renovierungsarbeiten begonnen, die überwiegend aus Mitteln eines EU-Programms für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit finanziert werden. Jutta von Lancken, eine angeheiratete Enkelin des letzten deutschen Schloßbesitzers, ist inzwischen zum Dauergast in Tamsel geworden. Sie wohnt dort vom Frühjahr bis zum Herbst, organisiert Ausstellungen und literarische Nachmittage, die der Begegnung von Deutschen und Polen dienen, und sitzt im Vorstand des vor Ort ansässigen Vereins "Educatio pro Europa Viadrina". Das in eine sehenswerte Landschaft eingebettete Schloß kam 1665 in den Besitz des späteren "Türkenbezwingers" Hans Adam von Schöning. Besonders bekannt wurde es, als der spätere Friedrich d. Gr. in seiner Zeit als junger Kronprinz oft vom nahen Küstrin aus nach Tamsel ritt, um die von ihm heiß verehrte Frau von Wreech aufzusuchen. Die Kämpfe um die Festung Küstrin im Frühjahr 1945 überstand das Schloß glücklicherweise ohne Schäden. Wie könnte man einen Beitrag zu Brandenburg besser abrunden als mit Theodor Fontane? Natürlich war dieser bedeutendste märkische Dichter auch in Tamsel. In den berühmten "Wanderungen durch die Mark Brandenburg" sind seine Eindrücke festgehalten: "Tamsel ist ein reiches, schön gelegenes Dorf, etwa eine Wegstunde nordöstlich von Küstrin. Waldhügel, deren gewundene Linien mutmaßlich das alte Bett der Warthe bezeichnen, schließen es von Norden her ein, während nach Süden hin die Landschaft offen liegt und die Flußarme in allerlei Windungen sich durch das Bruchland ziehen. (...) Das Terrain, auf dem Tamsel liegt, hat viel Ähnlichkeit mit den Oderbruch-Partien zwischen Falkenberg und Freienwalde. Im Rücken eine Bergwand, mehr oder weiger steil und gelegentlich durch eine Schlucht unterbrochen; am Fuße dieser Bergwand ein Dorf und zu Füßen des Dorfs ein Wiesengrund, oft überschwemmt und immer von Flußarmen durchzogen. (...) Dorf Tamsel zieht sich unmittelbar am Hügel hin, und zwar in Form eines Quersacks: oben und unten breit und in der Mitte schmal und eng. Hier schiebt sich der Park ein und teilt das Dorf in eine östliche und westliche Hälfte, was indessen wenig bemerkt wird, da der Dorfverkehr unbehindert am Park entlang oder auch durch diesen hindurchgeht. Ein solches Zusammengewachsensein von Dorf und Schloß tut immer wohl, und jeder Teil, auch nur malerisch genommen, hat Vorteil davon. Der Park gibt Schönheit und empfängt Leben und Heiterkeit zurück." Werner Bader war langjähriger Bundessprecher der Landsmannschaft Berlin - Mark Brandenburg.
Brandenburg ist heute geteilt: Unterbrochener Schienenweg an der Oder und alte Ansichtskarte aus Landsberg/Warthe in der Neumark |