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© Das Ostpreußenblatt / Preußische Allgemeine Zeitung / Landsmannschaft Ostpreußen e.V. / 22. März 2003 |
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Eine Republik erhält einen König von Manuel Ruoff Peter Scholl-Latour hat einmal die Verfassung der Fünften Republik als durchaus passend für die Franzosen bezeichnet. Er begründete dieses Lob damit, daß das präsidiale System ihrer Vorliebe für monarchische Prachtentfaltung Rechnung trage, während die regelmäßigen Präsidentschaftswahlen ihrer Neigung Raum böten, gelegentlich ihr Staatsoberhaupt zu stürzen. Die zweifellos vorhandenen monarchischen Neigungen seiner französischen Nachbarn inspirierten Prinz Claus der Niederlande zu der kaum weniger geistreichen Gegenüberstellung, daß Frankreich eine Monarchie mit einem Präsidenten sei, die Niederlande hingegen eine Republik mit einer Königin. In der Tat haben die Niederlande eine republikanische Tradition, die bis ins Jahr 1581 zurückreicht, als sich die sieben nördlichen Provinzen von Spanien und Habsburg lossagen und die Republik der Vereinigten Niederlande gründen. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wird die Unabhängigkeit dieses Staates durch Spanien und die am Westfälischen Frieden beteiligten Mächte auch international anerkannt. Die Unabhängigkeit und ku-rioserweise auch den Status als Republik verlieren die Niederlande - zumindest indirekt - durch die bürgerliche Revolution von 1789 in Frankreich. Kaum Republik, erklärt Frankreich den Niederlanden den Krieg. Die Niederlande verlieren den Krieg und mit ihm auch ihre Unabhängigkeit. Ihr Staatsoberhaupt, der Erbstatthalter Wilhelm V. von Oranien, geht ins Exil nach Großbritannien, und sie selber werden eine französische Tochterrepublik. Nachdem Napoleon Bonaparte, den man bis zu einem gewissen Grade als Kind der Französischen Revolution bezeichnen kann und muß, sich zum Kaiser gekrönt hat, verliert die Batavische Republik, wie die Niederlande nun heißen, nach der Unabhängigkeit auch noch ihren republikanischen Status und wird wie auch andere Satelliten der Grande Nation eine Monarchie mit einem Napoleoniden an der Spitze. 1806 wird die Batavische Republik in ein Königreich Holland mit Napoleon Bonapartes jüngerem Bruder Ludwig als König umgewandelt. Wie andere Länder in Napoleons Machtbereich haben auch die Niederlande die üblichen Nachteile seiner Fremdherrschaft zu erleiden. Ihre menschlichen und finanziellen Ressourcen werden rücksichtslos ausgeplündert. Außer unter finanziellen Belastungen und Soldatenaushebungen haben die Niederländer als klassische Handelsnation zusätzlich noch stark unter der 1806 vom Korsen in Berlin verkündeten Kontinentalsperre gegen Großbritannien zu leiden. Ludwig Bonaparte fühlt sich bis zu einem gewissen Grade dem ihm zugeteilten Königreich verpflichtet, und so versucht er die Kontinentalsperre im Rahmen seiner Möglichkeiten zu unterlaufen. Das mißfällt seinem älteren Bruder in Paris, und 1810 werden die Niederlande und die deutsche Nordseeküste bis zum Machtbereich des mit dem Kaiser verbündeten Dänenkönigs Friedrich VI. dem französischen Kaiserreich einverleibt, um die Kontinentalsperre nun um so kompromiß- und rücksichtsloser durchsetzen zu können. Angesichts dieser Erfahrungen mit dem revolutionären Frankreich kann es nicht verwundern, daß das alte Herrschergeschlecht der Oranier leichtes Spiel hat, als die Franzosen nach der Niederlage in der Völkerschlacht bei Leipzig die Niederlande räumen, um sich auf die Verteidigung ihres eigenen Landes zu konzentrieren. Am 30. November 1813 landet der Sohn des im Exil verstorbenen letzten Erbstatthalters, Erbprinz Wilhelm, in Scheveningen. Er nimmt die durch die Franzosen unterbrochene republikanische Tradition nicht wieder auf, sondern läßt sich zwei Tage später in Amsterdam als souveräner Fürst der Niederlande huldigen. Der Oranier möchte jedoch nicht nur wie seine Vorfahren über das Territorium der früheren Republik der Vereinigten Niederlande, des heutigen Königreichs der Niederlande, herrschen, sondern auch über jenes der früheren österreichischen Niederlande, des heutigen Belgien. Bereits 1796 bezeichnet er gegenüber seiner Mutter die Rück-gängigmachung der durch die Abspaltung der Generalstaaten vom Habsburgerreich erfolgten Teilung der Niederlande als den angenehmsten seiner Träume. Die Verwirklichung dieses Ziels ermöglichen Wilhelm die beiden den Wiener Kongreß von 1814/15 lenkenden Großmächte Österreich und Großbritannien. Die Rückgabe der südlichen Niederlande an Österreich würde nicht nur dem zur Ideologie erhobenen Prinzip der Restauration entsprechen, sondern auch den Interessen Großbritanniens, das als eigentlicher Sieger aus dem Völkerringen auf dem Kontinent hervorgegangen ist. Die Briten sähen die der Themsemündung gegenüberliegende Seite des Kanals am liebsten in der Hand einer Macht mit einer Flotte, die zu schwach ist, um eine Bedrohung für Großbritannien darzustellen, und einer Armee, die groß genug ist, um dieses Stückchen Küste gegen seefahrende Großmächte wie Frankreich erfolgversprechend verteidigen zu können. Die Landmacht Österreich scheint deshalb prädestiniert. Der österreichische Kaiser hat jedoch mit Exklaven schlechte Erfahrungen gemacht und zieht deshalb deren Rückerhalt die Arrondierung seines Staatsterritoriums vor. Das ist die Chance für Wilhelm. Ein Zusammenschluß von nördlichen und südlichen Niederlanden verspricht wenigstens eine gewisse abschreckende Wirkung auf das an seine "natürliche Grenze" Rhein drängende Frankreich, und von einem Mittelstaat unter Führung der befreundeten Oranier fürchten die Briten keine Gefahr für London. Am 16. März 1815 läßt sich der Oranier mit Zustimmung des Wiener Kongresses als Wilhelm I. zum König der (vereinigten) Niederlande ausrufen. Die Einheit der Niederlande wird bereits gut eineinhalb Jahrzehnte später verloren sein, doch die Herrschaft der Oranier als Könige/Königinnen der Niederlande reicht bis zum heutigen Tage. Wilhelm I.: der erste König der Niederlande mit den Insignien seiner Macht |